Wo Corona am schlimmsten gewütet hat: Große regionale Unterschiede bei Übersterblichkeit
Autor: Robert Wagner
Deutschland, Donnerstag, 22. August 2024
Teils über vier Jahre: Die Lebenserwartung der Menschen ging während der Corona-Pandemie in einigen Regionen massiv nach unten. In anderen Regionen zeigte sich der Effekt nicht. Eine neue Studie zeigt die teils großen regionalen Unterschiede auf.
Eine neue Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) und des Französischen Instituts für demografische Studien (INED), veröffentlicht in der Fachzeitschrift Nature Communications, bietet erstmals eine detaillierte räumliche Analyse der Übersterblichkeit in Europa während der COVID-19-Pandemie.
Die Forscher schätzten, basierend auf früheren Entwicklungen, die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt in den Jahren 2020 und 2021 ohne Pandemie. Diese Werte wurden dann mit der tatsächlich gemessenen Lebenserwartung verglichen. Die Ergebnisse waren überraschend: Während in einigen Regionen Übersterblichkeit zu verzeichnen war, blieb die Sterblichkeit in anderen Gebieten nahezu unverändert.
Zu Beginn der Corona-Pandemie vor allem Italien und Spanien betroffen
Insgesamt deckt die Studie 569 Regionen in 25 europäischen Ländern ab. Im ersten Jahr der Pandemie registrierten die Forscher eine hohe Übersterblichkeit vor allem in Norditalien, der Südschweiz, Zentralspanien und Polen. "In der Spitze lag die Lebenserwartung mehr als zweieinhalb Jahre unter dem Erwartungswert, und zwar in jenen Regionen, in denen die ersten großen europäischen COVID-19-Ausbrüche waren, nämlich in Norditalien und Zentralspanien", sagt Mitautor Dr. Michael Mühlichen vom BiB.
Video:
Die Studie zeigt am Beispiel Italiens, wie stark die regionalen Unterschiede in manchen Ländern waren: In den Regionen Bergamo und Cremona im Ballungsraum Mailand lag die Lebenserwartung im Jahr 2020 knapp über vier Jahre unter dem Erwartungswert. Hingegen war in einigen süditalienischen Provinzen keine erhöhte Sterblichkeit messbar.
In Teilen Nord- und Westdeutschlands, Dänemarks, West- und Südfrankreichs sowie Norwegens und Schwedens wurde 2020 sogar eine Untersterblichkeit verzeichnet.
In der zweiten Hälfte der Pandemie vor allem Osteuropa betroffen
Die Muster der Übersterblichkeit änderten sich im Laufe der Zeit: "Während im ersten Pandemiejahr 362 Regionen eine signifikante Übersterblichkeit verzeichneten, waren es im Folgejahr sogar 440", berichtet Dr. Pavel Grigoriev, Leiter der Forschungsgruppe Mortalität am BiB.
Regional verlagerte sich die Übersterblichkeit im Jahr 2021 stark nach Osteuropa und betraf Männer stärker als Frauen. In der Slowakei, Litauen, Lettland, Ungarn sowie Teilen Polens und Tschechiens lag die Lebenserwartung um mehr als zweieinhalb Jahre unter dem erwarteten Wert. Im Vergleich dazu wiesen viele westeuropäische Regionen 2021 eine geringere Übersterblichkeit auf, obwohl diese dort überwiegend höher war als im Vorjahr.