Asperger-Autismus: Das steckt hinter dem Syndrom - Anzeichen bei Kindern erkennen
Autor: Evelyn Isaak
Deutschland, Freitag, 02. Sept. 2022
Menschen mit Autismus haben oftmals eine andere und besondere Wahrnehmung der Alltags- und Lebenswelt. Wie erleben Menschen die Welt, die die Autismus-Form Asperger haben?
- Medizinische Perspektive
- Begriffsherkunft
- Interview mit einem Asperger-Autisten
- Stärken und das Berufsleben
- Fazit
Eine klare Grenze zwischen Autismus und Nicht-Autismus zu ziehen, kann häufig sehr schwer sein. Schätzungsweise haben etwa 1-3 pro 1000 Menschen die Autismus-Form Asperger. Damit wir unsere Mitmenschen mit Autismus besser verstehen können, ist es wichtig, einiges rund um das Thema zu wissen.
Das Asperger-Syndrom aus medizinischer Sicht
In der Medizin wird Asperger als eine neurologische Entwicklungsstörung verstanden, die sehr komplex und vielfältig ist. Als Merkmal werden hier unter anderem Störungen in der Informations- und Wahrnehmungsverarbeitung genannt. Menschen, die Asperger haben, weisen bereits ab dem dritten Lebensjahr meist ungewöhnliche Merkmale auf. Oft zu beobachten sind beispielsweise eine verzögerte motorische Entwicklung, eine eingeschränkte Geschicklichkeit, stereotypes Verhalten, eine geringe Interaktionsfähigkeit, eine minimale Mimik sowie häufige Selbstgespräche und sehr spezielle Interessen.
Auffälligkeiten in der Entwicklung ihrer kommunikativen und sprachlichen Fähigkeiten zeigen Asperger-autistische Kinder in der Regel nicht. Im Vorschul- oder Grundschulalter werden die Symptome oft deutlicher, da für Nicht-Autist*innen Außergewöhnlichkeiten in der sozialen Interaktion erkennbar werden. Gefühle und Gedanken, die ihr Gegenüber empfinden, können Kinder mit dem Asperger-Syndrom meist nur schwer verstehen. Gesichtsausdruck, Gestik und Tonfall der Mitmenschen können nicht richtig interpretiert werden, sodass auch Betroffene selbst größtenteils kaum eigene Mimik zeigen. Wechselseitige Gespräche sowie das Aufbauen von Freundschaften kann für Menschen mit Autismus dadurch zu einer wahren Herausforderung werden. Auch die Ausbildung von einem Spezialinteresse gilt als mögliches Merkmal, sodass einige Autist*innen eine ungewöhnlich ausgeprägte Aufmerksamkeit und differenzierte Fachkenntnisse in einem speziellen Bereich haben. Autist*innen können teilweise so fixiert auf ihr Spezialgebiet sein, dass sie für andere Themen nur wenig Neugier und Interesse aufbringen können. Aus der medizinischen Sicht wird zudem als typisches Merkmal beschrieben, dass autistische Personen sehr sensibel auf bestimmte Gerüche, Geräusche, Oberflächen oder Berührungsreize reagieren können. In gesteigerter Form kann dies zu einer Reizüberflutung führen. Als Hauptmerkmale des Asperger-Autismus werden in der Medizin eine gestörte soziale Interaktion, eine beeinträchtigte Kommunikation und Sprache sowie wiederholte, stereotype Verhaltensweisen und Interessen genannt.
Die medizinische Sichtweise spiegelt in vielen Bereichen nicht konkret die Lebenswirklichkeit der autistischen Personen wider, sondern konzentriert sich auf eine möglichst objektive Außenperspektive. Dadurch begegnen Autist*innen immer wieder Vorurteilen und Klischees, die weitestgehend nicht stimmen.
Das Asperger-Syndrom: Der Ursprung der Bezeichnung
Der Begriffsursprung ist nicht ganz unproblematisch. Hier wird der Name Hans Asperger wichtig, welcher von 1906 bis 1980 lebte und ein österreichischer Kinderarzt und Heilpädagoge war. Er gilt heute als Erstbeschreiber des Autismus. Aspergers Habilitationsarbeit zum Thema Autismus aus dem Jahr 1944 blieb zu seinen Lebzeiten international weitgehend unbekannt. Lorna Wing, eine britische Psychiaterin, stieß in den 80er Jahren jedoch auf die Arbeit.
Im Anschluss benannte sie einen Teil des Autismus-Spektrums als Asperger-Syndrom und definierte dessen Merkmale in Anlehnung an Aspergers Arbeit. Erst durch diese Bezeichnung eröffnete Wing die Diskussion um eine separate Diagnose. Schon im Jahr 1992 entschied die WHO, Asperger als eine eigene Diagnose in die ICD aufzunehmen. Was jedoch immer im Hintergrund blieb, waren die ethischen Fragen hinter dieser Benennung; denn Hans Aspergers Geschichte begann im Dritten Reich und lässt sich in Teilen mit dem Kinder-Euthanasie-Programm verbinden. Seine Diagnosen mit dem Autismusbegriff führten in zahlreichen Fällen dazu, dass Kinder in eine Anstalt überwiesen wurden, in denen ihnen das Leben genommen wurde. Es scheint unwahrscheinlich, dass er nicht gewusst hat, dass er mit der Überweisung der Kinder ein Todesurteil für diese unterschrieb. Die Herkunft des Begriffes macht es fraglich, ob er mit Blick auf diesen Hintergrund überhaupt noch benutzt werden sollte. Die Nutzung des Begriffes "Asperger-Autismus" hat in diesem Artikel weder eine diskriminierende noch (ab-)wertende Absicht.