Das Refugium mitten im Ortskern
Autor: Sabine Christofzik
Memmelsdorf, Montag, 15. Mai 2017
Für Anita und Dieter Jochum ist der Garten der ehemaligen Schäferei in Memmelsdorf ein Rückzugsort.
Es ist das älteste Haus in Memmelsdorf. "In alten Chroniken sind nur das Schloss und dieses Anwesen hier verzeichnet: die damalige Schäferei." Anna (genannt Anita) und Dieter Jochum haben sich hier mit großem Arbeitsaufwand einen Ruhepol geschaffen, fernab von der Hektik Münchens.
Obwohl die Hauptstraße als offizielle Anschrift ausgewiesen ist, erreicht man es von dort nur über eine schmale Stichstraße. Seit vielen Generationen ist es im Besitz der Familie von Anita Jochum. Drei Brüder haben gleich nebenan gebaut - zum gemeinschaftlichen Erbe gehörte auch einiges an Grund.
Riesiger Kastanienbaum
Was in der vom Leitenweg/Kellerstraße erreichbaren Hofeinfahrt sofort ins Auge fällt, ist der mächtige Kastanienbaum. "Manchmal stehen Leute am Tor und fotografieren ihn. Das ist ist der Hausbaum. Der gehört hier her und darf nicht weg," sagt Dieter Jochum, der in seinem Garten keinen speziellen Lieblingsplatz hat, aber doch von diesem, geschätzt 20 Meter hohen Gewächs begeistert ist. "Darunter sammelt sich so viel Sauerstoff. Es ist eine Freude, dort Luft zu holen."So ein Riesenbaum wirft im Herbst auch massenweise Blätter ab. "Wir sind tagelang damit beschäftigt, immer aufs neue große Haufen zusammenzukehren. Allerdings müssen wir nichts wegschaffen", sagt Anita Jochum. Das ganze Laub kommt auf die ehemalige Jauchegrube des einstigen Bauernhofs. "Hier verrottet es ganz hervorragend", ergänzt ihr Mann.
Wenn das Wetter passt, fängt der Tag für die beiden im Garten an: mit dem Frühstück. "Fünf Ess-Ecken haben wir uns eingerichtet. Wir können die Sonne suchen, oder ihr entfliehen." Die meisten Sitzgelegenheiten bieten das beheizbare Gartenhäuschen und ein Pavillon. Hier können sich jeweils sechs bis acht Personen niederlassen.
Prominente Gäste
Der gelernte Dekorateur Dieter Jochum kennt aus seiner Zeit als Musiker und freier Journalist viele Leute aus dem Showgeschäft. Er hat nicht nur über sie geschrieben, sondern hatte nicht wenige von ihnen auch in seinem Refugium in Memmelsdorf zu Gast. Peter Maffay, Pierre Brice oder Reinhold Messner beispielsweise. Für mehrere ZDF-Produktionen hat er unter anderem Vorgespräche mit eingeladenen Stars geführt - bei "Wetten dass?" sogar von der ersten bis zur letzten Sendung. Und Textbrücken für die Moderation geschrieben. "Nicht alles was sich vor der Kamera spontan anhört, ist auch immer spontan", verrät er.
Nun aber, sagt der 60-Jährige, ist es genug. "Diesen Rummel brauche ich nicht mehr. Wenn ich meine Ruhe haben will, setze ich mich auf mein Motorrad, fahre in die Fränkische Schweiz und lasse den Herrgott einen guten Mann sein."
Der Garten bietet diese Ruhe auch. Doch er will gepflegt sein. "Ja, das machen wir alles selbst", sagt der Hausherr und weist darauf hin, dass seine Frau diejenige ist, die auf dem 2000 Quadratmeter großen Grundstück Regie führt. "Alles, was mit Gestaltung zu tun hat, macht sie. Und auch den größten Teil der Arbeiten. Nur das Schneiden der 90 Meter langen Ligusterhecke, das haben wir jetzt abgegeben."
Tiere sollen sich hier wohlfühlen
Überall stehen Vogelfutterhäuschen. Der alte Birnbaum, der nicht mehr trägt und von Efeu durchwuchert ist, darf als Rückzugsgebiet für die gefiederten Gartengäste stehen bleiben. Ehemalige Christbäume (einst 1,60 Meter groß) aus den ersten Memmelsdorfer Jahren des Ehepaars, überragen heute teilweise das Haus. Einer der fünf hat allerdings schon weichen müssen. "Es tut mir weh, einen Baum abzuschneiden", sagt Dieter Jochum. Alte Obstbäume bleiben deshalb in den Garten integriert.
Ein Blickfang ist der große Swimmingpool, der beim Fototermin allerdings noch abgedeckt war. Auf einer erhöhten kleinen Kiesfläche haben zwei Liegen Platz. "Man schaut von oben ins Wasser - das ist fast wie am Strand."
Große Umstellung
Mitten Ort zu leben und doch von viel Natur umgeben zu sein, das schätzen die Jochums. Genau so geplant, aber dennoch eine große Umstellung. "Als wir 1989 von München hierher gezogen sind, war das wie ein Hammerschlag auf den Daumen." Kulturschock Franken? "Nein, das nicht," sagt der gebürtige Nürnberger. "Aber man lässt den kompletten Bekanntenkreis zurück und merkt dann, es sind eben nicht nur die zwei Stunden Fahrzeit, die einen trennen. Man ruft bei einigen Leuten erst alle vier Wochen an, dann alle vier Monate und schließlich alle vier Jahre. Man merkt, wer einem wichtig ist und wer nicht. Und das ist richtig so."