Kinder anschreien: Emotionale Gewalt - das passiert im Gehirn von Kindern
Autor: Thomas Grotenclos
Deutschland, Dienstag, 12. Sept. 2023
Kinder anschreien, bestrafen oder schimpfen, gilt als emotionale Gewalt. Genau das kann negative Mechanismen im Gehirn eines Kindes auslösen.
- Emotionale Gewalt gefährdet Kinder in ihrer Entwicklung
- Worte wirken wie Pfeile
- Psychische Gewalt beginnt bereits bei kleinen Drohungen
Neurowissenschaftlich betrachtet, können negativ behaftete Worte gegenüber Kindern eine enorme psychische Belastung auslösen und das sogar langfristig. Neurowissenschaftler*innen haben sich seit langer Zeit mit den Auswirkungen beschäftigt – wir stellen dir im Folgenden die Ergebnisse vor.
Emotionale Gewalt gefährdet Kinder in ihrer Entwicklung
Wenn du mit deinem Kind schimpfst, dann kannst du es dadurch tief verletzen und sogar in seiner Entwicklung beeinträchtigen. Um zu ermitteln, wie verbale Gewalt im Gehirn wirkt, setzen Neurowissenschaftler*innen sogenannte fMRT-Scans ein. Wenn verbale Gewalt erzeugt wird, dann machen sich die Areale im Gehirn bemerkbar, die für Stress, Aufregung und Angst zuständig sind. Dadurch wird wiederum eine körperliche Reaktion erzeugt, was emotionale Gewalt genauso bedrohlich wie körperliche Gewalt macht.
Video:
Wenn du dein Kind also anschreist oder es beschämst, dann findet in diesem Moment eine Gewalttat statt, aus der das Kind nicht flüchten kann. Das kann sogar zu einem Trauma führen. Martin Teichert von der Harvard Medical School hat gemeinsam mit einem Team insgesamt 73 Männer und 120 Frauen im Alter von 18–25 Jahren im Rahmen einer Studie untersucht. Die Gruppe wurde nach Misshandlungen verschiedenster Art gefragt, beispielsweise körperliche Gewalt, Beschimpfungen oder emotionale Vernachlässigung.
Von den befragten Personen hatten 46 % keine Erfahrungen damit gemacht, während 16 % sogar über drei oder mehr Formen von Gewalt berichteten. Anschließend wurden die Gehirne der Proband*innen untersucht und der Hippocampus vermessen. In vorangegangenen Studien wurde bereits bewiesen, dass dort ansässige Zellen ein Hormon als Reaktion auf Stress ausschütten, wenn das Gehirn noch nicht ausgereift ist. Dadurch werden die Nervenzellen des Hippocampus gestört und im Vergleich zu Menschen ohne Gewalterfahrungen bleibt der Hippocampus kleiner. Doch gerade dieser Teil ist es, der für die Steuerung und Bewertung von Emotionen sowie dem Umgang damit zuständig ist. Ebenso ist der Hippocampus ausschlaggebend für das Auftreten psychische Erkrankungen.
Worte wirken wie Pfeile
Worte haben in der Erziehung also enorme Auswirkungen. Die Molekularbiologin Elizabeth Blackburn hat zudem in ihrem Buch "Worte wie Pfeile: Über emotionale Gewalt an unseren Kindern und wie wir sie verhindern*" nachgewiesen, dass durch frühkindlichen Stress nachteilige Gene aktiviert werden. Die Entwicklung wird also negativ beeinflusst.
Buch-Tipp: 'Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen: (und deine Kinder werden froh sein, wenn du es gelesen hast)' - hier direkt ansehenDas beginnt bereits, bevor wir selbst sprechen können. Schimpft jemand mit einem Kleinkind, dann wird eine Kette von körperlichen Reaktionen in Gang gesetzt. Kinder, die emotionaler Gewalt ausgesetzt sind, erfahren massiven Stress, was seelische Narben hinterlässt. Die kindliche Welt, die eigentlich durch Geborgenheit und Sicherheit geprägt ist, wird massiv bedroht.