Familie gründen: Welche Schwierigkeiten haben Eltern mit Behinderung bei der Kindererziehung?
Autor: Werner Diefenthal
Deutschland, Montag, 18. Juli 2022
Auch viele Paare, bei denen ein oder beide Partner*innen eine Behinderung haben, wünschen sich Kinder und ein Leben als Familie. Wo können sich diese Paare Rat und Hilfe holen?
- Rechtslage: Familie gründen als Elternteil mit Behinderung
- Wer hilft?
- Was geschieht, wenn man überfordert ist?
Ein Kind zu bekommen, heißt auch, Verantwortung zu übernehmen und es bedeutet, dass sich der Lebensmittelpunkt verschiebt. Diese Verschiebung und die Verantwortung für ein Leben kann unter Umständen zu Problemen führen. Dies gilt für alle Eltern. Wenn diese mit einer Behinderung leben, können weitere Schwierigkeiten auftreten. Doch wie kann man werdende Eltern mit Behinderung unterstützen und was geschieht, wenn sie doch überfordert sind? Wer springt dann ein?
Schwanger trotz Behinderung
Unter den Menschen mit Kinderwunsch oder werdenden Eltern finden sich auch Menschen mit Behinderung. Das können körperliche Beeinträchtigungen, aber auch chronische Krankheiten sein. Die Hürden vor oder während einer Elternschaft können, je nach Schwere der Behinderung, unterschiedlich hoch sein. Eine Schwangerschaft ohne Komplikationen, eine Geburt und auch die Elternschaft ist oft möglich, sofern die Betroffenen alle für sie relevanten Informationen und Hilfen erhalten. Auch stellt sich die Frage, ob die Behinderung der Eltern an ein Kind weitergegeben wird. Das ist nicht einfach zu beantworten. Eine körperliche Behinderung, wie durch einen Unfall fehlende Gliedmaßen, werden nicht vererbt. Resultiert die geistige Behinderung auf einem Gendefekt, so kann sie sich dann durchsetzen, wenn dieser Defekt sowohl auf dem vom Vater und der Mutter vererbten Chromosom vorliegt. Es ist also nicht auszuschließen, dass ein Kind aus einer solchen Verbindung die Behinderung vererbt bekommt, aber es ist auch durchaus möglich, dass sich dieser Defekt nicht durchsetzt.
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Während der Nazi-Diktatur war es für behinderte Menschen nicht möglich, Kinder zu bekommen. Viele Frauen und Männer wurden zwangssterilisiert. Eine staatlich verordnete Zwangsverhütung ist seit der Einführung des Grundgesetzes 1949 verboten. Doch erst seit 1992 wurde mit dem Paragrafen 1905 des Bürgerlichen Gesetzbuchs festgeschrieben, dass staatlich "Betreute", wie beispielsweise geistig behinderte Frauen, nicht gegen ihren Willen sterilisiert werden dürfen. Die UN-Behindertenrechtskonvention schreibt vor, dass Menschen mit Behinderung genau so das Recht auf Kinder haben, wie alle anderen.
Je nach Art und Schwere der Behinderung oder Beeinträchtigung ist es für diese Menschen eine besondere Herausforderung, Kinder aufzuziehen. Hier ist es wichtig, dass sie sich Rat und Hilfe holen, zum Beispiel über familienplanung.de oder Familienratgeber.de. Weitere Anlaufstellen können auch der VdK oder die Behindertenbeauftragten der Städte und Gemeinden sein. Über diese Stellen werden auch Hilfen vermittelt, so zum Beispiel Dolmetscher*innen für Gehörlose oder Hilfen für sehbehinderte oder blinde Eltern. Auch werden hier Beratungen über finanzielle Beihilfen gegeben. Als Hilfe kommen die "Elternassistenz" oder die "begleitete Elternschaft" infrage. Bei der Elternassistenz entscheiden die Eltern über Art und Umfang der Hilfen. Dort erhält man auch Informationen über die Kosten. Bei Menschen mit psychischer oder geistiger Behinderung kann auch eine begleitete Elternschaft infrage kommen. Je nach Bedarf werden die Eltern dann beraten und unterstützt.
Welche Herausforderungen erwarten die Eltern?
Jeder, der ein Kind aufgezogen hat, weiß, dass man immer wieder unverhofft auf neue Herausforderungen trifft. Doch bei Eltern mit Behinderung können gerade alltägliche Dinge sich als schwierig gestalten. So ist es für sehbehinderte oder blinde Eltern am Anfang schwierig, das Kind zu füttern, es zu wickeln oder zu baden. Gesetzlich versicherte Personen haben in diesem Fall Anspruch auf die Unterstützung einer Hebamme, die bis zum zehnten Tag täglich ins Haus kommt und hilft. Darüber hinaus kann bei der Krankenkasse oder dem zuständigen Sozialhilfeträger eine Rehabilationslehrer*in beantragt werden. Diese kann helfen, mit den neuen Anforderungen, welche sich durch die Geburt ergeben haben, zurechtzukommen. Darüber hinaus gibt es Hilfsmittel, die sich bei der Versorgung eines Babys bewährt haben:
- ein Farbscanner oder eine Farbscanner-App,
- ein sprechendes Fieberthermometer,
- ein Messbecher mit fühlbarer Skala oder eine sprechende Waage,
- ein Strichcode-Lesegerät, etwa für den Griff zum richtigen Medikament,
- ein Tropfenzähler, falls dem Säugling ein Medikament in Tropfenform gegeben werden muss.