Die Zahlen sind erschreckend: So oft werden Frauen in Deutschland Opfer von Gewalt
Autor: Werner Diefenthal
Deutschland, Mittwoch, 08. März 2023
Immer wieder werden Frauen Opfer von Gewalt, auch im häuslichen Umfeld. Doch wo finden betroffene Frauen Unterstützung und Hilfe? Und was kann gegen diese Gewalt getan werden?
- Wie viele Frauen haben schon Gewalt erlebt?
- Was sind die Hauptursachen für Gewalt gegen Frauen?
- Wo finden Betroffene Rat und Hilfe?
- Was kann man unternehmen?
40 Prozent der Frauen haben seit ihrem 16. Lebensjahr körperliche oder sexualisierte Gewalt erleben müssen. Viele Frauen haben Gewalt durch ihren aktuellen oder einen früheren Partner erlebt. Was können Betroffene tun, wo finden sie Rat und Hilfe? Müssen strengere Gesetze her?
Gewalt hat viele Gesichter
Gewalt beginnt nicht mit Schlägen. Es fängt zumeist im Kleinen an. Beleidigungen, Schmähungen, Belästigungen oder sexuelle Anzüglichkeiten sind der Beginn. Sie findet in der Öffentlichkeit statt: am Arbeitsplatz, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, in der Schule, auf der Straße. Und viele Frauen erleben eine weitere Form von Gewalt zu Hause, mit ihrem eigenen Partner. Einschüchterungen, Kontrolle, Schläge. Oft brutal und mit äußerster Gewalt ausgeführt. Viele Frauen trauen sich aus Scham oder Angst nicht, dem zu entfliehen. Warum ist das so? Und was kann man dagegen unternehmen?
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Laut unwomen wurden in Deutschland im Jahr 2020 über 148.000 Frauen Opfer von Gewalt in der Partnerschaft, 359 Frauen wurden Opfer von (versuchtem) Mord und Totschlag durch ihren (Ex)Partner, 139 Frauen fanden dabei den Tod. Das bedeutet, alle zweieinhalb Tage stirbt eine Frau durch Gewalt. Laut mdr ist die Anzahl der Gewalttaten gegenüber 2019 um fünf Prozent gestiegen. Der überwiegende Teil - 79 Prozent - der Täter ist männlich. Die Folgen für die Opfer sind kaum vorstellbar. Sie reichen von Schuldgefühlen und dem Verlust des Selbstwertgefühls bis hin zu Angstzuständen und Depressionen, von den körperlichen Folgen ganz zu schweigen. Obwohl immer mehr Staaten Rechtsnormen gegen die Gewalt von Frauen erlassen, waren 2017 etwa 307 Millionen nicht durch das Gesetz gegen häusliche Gewalt geschützt.
In diesem Zusammenhang kann man von einem Femizid sprechen. Dieser bezeichnet eine von privaten oder öffentlichen Akteuren begangene oder tolerierte Tötung von Frauen und Mädchen wegen ihres Geschlechts. Umgebracht, weil sie weiblich sind. Fatal: Auch in Deutschland ist Femizid kein Straftatbestand. Sogenannte Trennungstötungen werden meist als Totschlag geahndet, damit wird suggeriert, dass die Tötung einer Frau durch ihren Ex-Partner kein niedriger Beweggrund sei. Erst 1997 wurde die Vergewaltigung in der Ehe in Deutschland unter Strafe gestellt, in Schweden gilt dieses Gesetz seit 1965. Bis 1997 endete also die sexuelle Selbstbestimmung der Frau mit dem Tag der Eheschließung. Wurde sie von ihrem Ehemann vergewaltigt, war dies allenfalls Nötigung oder Körperverletzung. Mit 470 von 643 Stimmen (bei 35 Enthaltungen) wurde dies als Paragraf 177 im Strafgesetzbuch aufgenommen. Erschreckend: Unter den Stimmen, die diese Reform ablehnten, waren auch mehrere Frauen. (Das komplette Abstimmungsergebnis ist hier auf den Seiten 106 - 108 nachzulesen.)
Die Arten der Gewalt
Was genau ist Gewalt? Laut BGH ist die juristische Definition der "körperlich wirkender Zwang durch die Entfaltung von Kraft oder durch sonstige physische Einwirkung, die nach ihrer Intensität dazu geeignet ist, die freie Willensentschließung oder Willensbetätigung eines anderen zu beeinträchtigen" (BGH NJW 1995, 2643). Im Strafrecht wird zwischen zwei Arten der Gewalt unterschieden: Zum einen die vis compulsia, auch als willensbeugende oder die beugende Gewalt durch psychische Einwirkung, beispielsweise Nötigung. Damit will der Täter bei dem Opfer einen bestimmten Willensentschluss hervorrufen. Zum anderen die vis absoluta, also die absolute oder überwältigende Gewalt. Diese wird körperlich oder physisch verursacht, wie durch Körperverletzung oder Vergewaltigung, damit wird die Willensbildung des Opfers unterbunden. Dies kann durch Einsperren oder auch Betäubung geschehen.
Die körperliche Gewalt umfasst unter anderem die folgenden Beispiele: