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Offene Beziehung – Chancen und Herausforderungen im Blick  


Autor: Volker Gutgesell, Lea Gesell

, Montag, 21. Juli 2025

In einer offenen Beziehung zu leben, klingt nach grenzenloser Freiheit - doch birgt es auch Risiken? Hier erfährst du alles über das Beziehungsmodell.
Würde für dich eine offene Beziehung in Frage kommen?


In einer Welt, in der traditionelle Beziehungsmuster zunehmend hinterfragt werden, gewinnen offene Beziehungen an Bedeutung. Doch was bedeutet es eigentlich, eine offene Beziehung zu führen?

Eva-Maria Hesse, Expertin:
Expertin Eva-Maria Hesse

Eva-Maria Hesse ist systemische Paar- und Familientherapeutin. Sie berät in ihrer Praxis in Nürnberg Singles und Paare sowohl zum Umgang mit Trennung und Krisen als auch zu Achtsamkeit, gelingender Partnerschaft und Resilienz. Als gefragte Expertin hält sie Vorträge und beantwortet in verschiedenen Medien Fragen zu Beziehungsthemen. Detaillierte Informationen finden Sie auf ihrer Homepage. 

Was ist eine offene Beziehung? - Definition 

Offene Beziehungen sind eine alternative Form der Partnerschaft. Sie zeichnen sich durch die bewusste Entscheidung aus, sexuelle und/oder emotionale Beziehungen außerhalb der Hauptbeziehung zuzulassen. Es geht darum, den Freiraum zu haben, individuelle Bedürfnisse und Wünsche zu erkunden. Dabei darfst du die Bindung zum Hauptpartner nicht vernachlässigen. Die Beziehung braucht viel Vertrauen, gute Gespräche und gegenseitigen Respekt. So vermeidet ihr Missverständnisse und Eifersucht.

Eva-Maria Hesse, Paar- und Familientherapeutin:
Expertin Eva-Maria Hesse

Eine offene Beziehung ist von der Definition her eine Beziehung, wo beide Partner besprochen haben, also auch klar das Einverständnis gegeben haben, dass sexuelle Kontakte außerhalb der Beziehung gelebt werden dürfen. Also dass es andere Sexualpartner geben darf. 

Für manche Menschen ermöglicht eine offene Beziehung persönliches Wachstum. Sie stärkt auch die bestehende Partnerschaft.

Sie erfahren mehr Freiheit und Offenheit. Dies kann das Zusammenleben verbessern. Andere hingegen wählen eine monogame Beziehung mit klaren Grenzen und Exklusivität, weil sie darin Sicherheit und Verlässlichkeit finden. Letztlich hängt die Wahl der Beziehungsform von den individuellen Bedürfnissen und Vorstellungen ab. Jede Person sollte diese für sich klären. Wichtig ist, dass alle Beteiligten ehrlich miteinander umgehen und gemeinsam entscheiden, welche Form am besten zu ihrem Leben passt.

Offene Beziehungen vs. monogame Beziehungen: Unterschiede und Gemeinsamkeiten 

Monogame und offene Beziehungen unterscheiden sich in ihren Strukturen und Erwartungen, haben aber auch einige Gemeinsamkeiten.

Unterschiede: Was offene und monogame Beziehungen voneinander trennt

  • Exklusivität vs. Freiheit: In monogamen Beziehungen ist die Exklusivität der Partner ein zentraler Bestandteil. Ihr verpflichtet euch, ausschließlich miteinander intim zu sein. Diese klare Abgrenzung schafft für viele Sicherheit und Verlässlichkeit. In offenen Beziehungen habt ihr hingegen die Freiheit, auch mit anderen Menschen romantisch oder sexuell involviert zu sein. Dies geschieht oft mit Zustimmung oder sogar Unterstützung des Hauptpartners. Diese Offenheit erfordert, dass ihr euch bewusst mit euren eigenen Gefühlen und Grenzen auseinandersetzt.
  • Eifersucht und Vertrauen: In monogamen Beziehungen kann Eifersucht ein Problem sein. Das gilt besonders, wenn einer von euch das Gefühl hat, dass die Exklusivität verletzt wird. Diese Emotionen solltet ihr offen ansprechen und gemeinsam bewältigen, um eure Beziehung zu stärken. In offenen Beziehungen ist Eifersucht zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber oft anders gelagert. Hier braucht ihr ein besonders hohes Maß an Vertrauen und Sicherheit, um gesunde Grenzen aufrechtzuerhalten und Konflikte zu vermeiden.
  • Gesellschaftliche Normen: Monogame Beziehungen sind oft die gesellschaftliche Norm und werden in vielen Kulturen als Standard angesehen. Sie genießen breite Akzeptanz und sind in vielen sozialen Kontexten selbstverständlich. Offene Beziehungen hingegen können in einigen Gesellschaften stigmatisiert sein oder als unkonventionell gelten. Doch die Wahrnehmung ändert sich zunehmend, weil alternative Beziehungsmodelle mehr Aufmerksamkeit und Akzeptanz erfahren. So könnt ihr eure Beziehung immer mehr so gestalten, wie es euren Bedürfnissen entspricht. Gesellschaftliche Vorurteile müsst ihr dabei nicht fürchten.
Eva-Maria Hesse, Paar- und Familientherapeutin:
Expertin Eva-Maria Hesse

Monogame Beziehung definiert, dass sexuelle Kontakte ausschließlich mit der einen Person stattfinden. Alles, was in einer monogamen Beziehung da sein sollte, an Vertrauen, an Austausch, an Beziehungsleben, alle Punkte sollten dann in einer offenen Beziehung eben auch gelebt werden und weiterentwickelt werden. 

Gemeinsamkeiten: Was beide Beziehungstypen teilen

  • Liebe und Bindung: Sowohl in monogamen als auch in offenen Beziehungen könnt ihr starke emotionale Bindungen zueinander aufbauen. Liebe, Fürsorge und gegenseitige Unterstützung sind in beiden Beziehungsformen zentrale Elemente, die das Fundament für eine erfüllte Partnerschaft bilden.
  • Kommunikation ist wichtig: In beiden Beziehungsmodellen ist eine offene, ehrliche und respektvolle Kommunikation entscheidend. Egal, ob es darum geht, Erwartungen zu klären, Gefühle zu teilen oder Konflikte zu lösen – Kommunikation spielt eine Schlüsselrolle. Sie ist entscheidend für das Funktionieren eurer Beziehung. Nur so könnt ihr Missverständnisse vermeiden und gemeinsam Lösungen finden.
  • Individuelle Bedürfnisse und Vorlieben: Sowohl in monogamen als auch in offenen Beziehungen ist es wichtig, dass ihr die individuellen Bedürfnisse und Wünsche von euch beiden anerkennt. Achtet auch auf die Grenzen des jeweils anderen. Diese gilt es zu respektieren. Dieses gegenseitige Verständnis fördert eure Zufriedenheit und euer Wohlbefinden.

Letztendlich ist es entscheidend, dass ihr euch in eurer Beziehung wohlfühlt. Offene Beziehungen sind nicht per se besser oder schlechter als monogame Beziehungen. Sie sind einfach unterschiedlich und müssen von euch individuell gestaltet werden. Wichtig ist, dass ihr gemeinsam herausfindet, welche Form der Partnerschaft am besten zu euch passt. So könnt ihr eure Beziehung sicher, authentisch und geborgen leben.

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Die Vor- und Nachteile von offenen Beziehungen 

Wenn ihr euch für eine offene Beziehung entscheidet, bringt das viele spannende Möglichkeiten mit sich. Es gibt aber auch einige Herausforderungen, die ihr nicht unterschätzen solltet. Lass uns gemeinsam anschauen, was das für euch bedeuten kann.

Vorteile einer offenen Beziehung

Zunächst einmal bietet euch eine offene Beziehung viel Flexibilität und Freiheit. Ihr könnt eure Beziehung ganz individuell gestalten und gemeinsam festlegen, welche Grenzen und Wünsche für euch wichtig sind. Das gibt euch beiden ein starkes Gefühl von Autonomie und Selbstbestimmung. Ihr entscheidet selbst, wie eure Partnerschaft aussehen soll – und das kann sehr befreiend sein.

Außerdem hilft euch diese Offenheit, Monotonie zu vermeiden. Wenn ihr die Chance habt, andere Menschen kennenzulernen und neue Verbindungen einzugehen, bleibt eure Hauptbeziehung lebendig und aufregend. Das bringt frischen Wind in euren Alltag und kann die Leidenschaft zwischen euch beiden stärken.

Nicht zuletzt fördert eine offene Beziehung auch eure persönliche Entwicklung. Ihr lernt euch selbst besser kennen, entdeckt eure eigenen Bedürfnisse und könnt daran wachsen. Dieses Selbstverständnis ist eine wertvolle Basis, die euch als Paar noch näher zusammenbringen kann.

Eva-Maria Hesse, Paar- und Familientherapeutin:
Expertin Eva-Maria Hesse

Ein Vorteil könnte sein, dass in sexueller Hinsicht Bedürfnisse ausgelebt werden können, die eben der Partner oder die Partnerin so nicht erfüllen kann. Es ist ein gewisser Reiz dann dabei, und man fühlt sich natürlich dann eher begehrt, weil da immer wieder Menschen sind, die einem dieses Gefühl vermitteln und in einer langjährigen Partnerschaft dieses hohe Niveau in dem Ausmaß natürlich nicht zu halten ist. 

Aber es gibt auch Herausforderungen

Offene Beziehungen sind nicht für jede Person oder jedes Paar geeignet. Es ist wichtig, dass ihr euch bewusst macht, welche Schwierigkeiten auftreten können.

Eifersucht und Unsicherheit sind häufige Gefühle, die auch in offenen Beziehungen auftauchen. Vielleicht fühlt sich einer von euch mal vernachlässigt oder bekommt das Gefühl, nicht genug Aufmerksamkeit zu erhalten. Solche Emotionen können schnell zu Spannungen und Konflikten führen, wenn ihr nicht offen darüber sprecht.

Auch die emotionalen Dynamiken werden komplexer, wenn mehrere Partner ins Spiel kommen. Es kann herausfordernd sein, die eigenen Gefühle zu sortieren. Auch damit umzugehen, dass ihr euren Partner mit anderen Menschen teilt, ist nicht leicht. Das verlangt viel Ehrlichkeit und Selbstreflexion von euch beiden.

Darüber hinaus kann es passieren, dass ihr in eurem Umfeld auf Unverständnis oder sogar Ablehnung stoßt. Offene Beziehungen sind gesellschaftlich noch nicht überall akzeptiert, und das kann zusätzlichen Druck und Stress verursachen.

Nicht zu vergessen ist das gesundheitliche Risiko: Wenn mehrere Partner beteiligt sind, steigt das Risiko für sexuell übertragbare Infektionen. Deshalb ist es wichtig, dass ihr Schutzmaßnahmen besprecht und konsequent umsetzt.

Eva-Maria Hesse, Paar- und Familientherapeutin:
Expertin Eva-Maria Hesse

Es gibt eine hohe Gefahr, die andere Person zu verletzen. Es ist im Leben nicht alles planbar und nicht kontrollierbar. Das ist so und man kann sich hundertmal vornehmen: Nur bis hierhin und nicht weiter. Aber das kann sich auch anders entwickeln. Also, da ist einfach ein gewisses Risiko dabei, und ich finde es einfach sehr, sehr wichtig in diesen offenen Beziehungen, dass man über die Frage spricht und sich über die Frage Gedanken macht: Woher kommt dieser Wunsch?

Das Wichtigste für euch

Damit eure offene Beziehung gelingt, braucht ihr vor allem eines: klare und ehrliche Kommunikation. Sprecht offen über eure Gefühle, Erwartungen und Grenzen. Respektiert einander und habt Verständnis für die Unsicherheiten, die manchmal auftauchen. Wenn ihr diese Grundlagen schafft, könnt ihr gemeinsam eine Beziehung leben, die zu euch passt. Sie bringt all ihre Freiheiten und Herausforderungen mit sich.

Wie kann eine offene Beziehung gelingen? - 10Tipps 

Eine offene Beziehung zu führen, bedeutet, neue Wege in der Partnerschaft zu gehen und dabei sowohl Freiheit als auch Vertrauen zu leben. Doch wie schafft ihr es, diese Balance zu halten und gemeinsam glücklich zu sein? Hier sind zehn Tipps, die euch dabei unterstützen können.

  1. Kommunikation als Schlüssel zum Erfolg: In einer offenen Beziehung ist eine offene und ehrliche Kommunikation von entscheidender Bedeutung. Beide Partner müssen aktiv miteinander sprechen, ihre Gefühle und Bedürfnisse klar ausdrücken und offen über ihre Erwartungen diskutieren. Es ist wichtig, dass beide Parteien sich gegenseitig zuhören, Verständnis zeigen und Kompromisse eingehen können. Missverständnisse sollten frühzeitig geklärt werden, um Konflikte zu vermeiden.
  2. Grenzen setzen und respektieren: In einer offenen Beziehung ist es entscheidend, klare Grenzen zu definieren und diese mit Respekt zu behandeln. Es ist wichtig, dass beide Partner ein gemeinsames Verständnis darüber haben, was akzeptabel ist und was nicht. Ein hohes Maß an Respekt gegenüber den Gefühlen und Entscheidungen des Partners ist unerlässlich, um das Vertrauen in der Beziehung aufrechtzuerhalten. Durch das Setzen und Einhalten von Grenzen schaffen Paare eine gesunde Basis und stärken ihre Bindung zueinander. 
  3. Die Rolle von Eifersucht und Vertrauen: In offenen Beziehungen spielt die Balance zwischen Eifersucht und Vertrauen eine entscheidende Rolle. Eifersucht kann auftreten, wenn Unsicherheiten oder Ängste bezüglich der Beziehungspartner oder des eigenen Selbst bestehen. Deshalb ist ein starkes Fundament aus Vertrauen unerlässlich, um eine offene Beziehung erfolgreich zu gestalten. Das Vertrauen in den Partner bildet das Gerüst für eine gesunde Beziehung ohne Besitzansprüche.
  4. Sexuelle Gesundheit und Sicherheit: Die Offenheit für multiple sexuelle Partner birgt potenzielle Risiken bezüglich sexuell übertragbarer Infektionen. Regelmäßige Tests und eine offene Kommunikation über den eigenen Gesundheitszustand sind daher unerlässlich. Zudem sollten klare Vereinbarungen zur Verwendung von Schutzmaßnahmen getroffen werden, um das Risiko von Infektionen zu minimieren. 
  5. Langfristige Perspektiven: Sich gemeinsame Ziele zu setzen und regelmäßig über die Zukunft zu sprechen, schafft eine solide Grundlage für eine erfolgreiche Beziehung. Denn eine langfristige Planung in Bezug auf Karriere, Familie oder Wohnsituation trägt dazu bei, dass beide Partner sich unterstützt und verstanden fühlen. 
  6. Gemeinsame Zeit bewusst gestalten: Auch wenn ihr in einer offenen Beziehung lebt, ist es wichtig, bewusst Zeit füreinander einzuplanen. Gemeinsame Momente stärken eure Verbindung und geben euch die Möglichkeit, Nähe und Intimität zu pflegen. Plant regelmäßige Treffen oder Aktivitäten, die euch beiden Freude bereiten, um eure Partnerschaft lebendig zu halten.
  7. Emotionale Selbstreflexion fördern: Nehmt euch immer wieder Zeit, eure eigenen Gefühle zu hinterfragen und zu verstehen. Welche Bedürfnisse habt ihr? Welche Unsicherheiten tauchen auf? Indem ihr euch selbst besser kennenlernt, könnt ihr eure Emotionen besser steuern und konstruktiv mit Herausforderungen umgehen. Das hilft euch, als Paar stabil zu bleiben.
  8. Ehrlichkeit auch bei schwierigen Themen: Scheut euch nicht davor, auch unangenehme oder schwierige Themen anzusprechen. Ehrlichkeit schafft Vertrauen und verhindert, dass sich Probleme aufstauen. Wenn ihr offen über Ängste, Zweifel oder Konflikte sprecht, könnt ihr gemeinsam Lösungen finden und Missverständnisse vermeiden.
  9. Flexibilität bewahren: Eine offene Beziehung lebt von der Bereitschaft, sich auf Veränderungen einzulassen. Eure Bedürfnisse und Lebensumstände können sich im Laufe der Zeit wandeln. Seid offen dafür, eure Vereinbarungen regelmäßig zu überprüfen und anzupassen, damit die Beziehung für euch beide weiterhin gut funktioniert.
  10. Unterstützung von außen suchen: Manchmal kann es hilfreich sein, sich Unterstützung von außen zu holen. Das kann durch Gespräche mit vertrauten Freundinnen und Freunden oder professionelle Beratung geschehen. Externe Perspektiven können neue Einsichten bringen und euch dabei helfen, Herausforderungen besser zu meistern und eure Beziehung zu stärken.
Eva-Maria Hesse, Paar- und Familientherapeutin:
Expertin Eva-Maria Hesse

Es muss klar über Regeln gesprochen werden. Wie sieht es aus? Diese Transparenz muss da sein. Willst du es wissen oder willst du es nicht wissen? Wann willst du es wissen? Es braucht eine ganz hohe Kommunikationsbereitschaft und Offenheit in Bezug auf diese Absprachen. Das Paar muss die Fähigkeit haben, gut über Gefühle sprechen zu können und die Gedanken auch auszutauschen. 

Fazit: Offene Beziehung: Kann das Beziehungsmodell funktionieren? 

Insgesamt lässt sich sagen, dass eine offene Beziehung durchaus funktionieren kann, solange beide Partner vollkommen ehrlich, kommunikativ und respektvoll miteinander umgehen. Offene Beziehungen können eine Bereicherung für manche Paare darstellen, jedoch ist es entscheidend, dass beide Partner wirklich hinter diesem Modell stehen und es nicht als Ausweg aus bestehenden Problemen betrachten.