"Lkw-Mafia" in Deutschland: Wie gefährlich sind die Banden für Fahrer?
Autor: Werner Diefenthal
Deutschland, Dienstag, 11. Juli 2023
Ein parkender Lastwagen kann schnell zum Ziel der Lkw-Mafia werden. Wie sie vorgeht, was sie anrichten kann und was das ganze für Trucker bedeutet.
- Lkw-Mafia? - Wer steckt hinter den Überfällen?
- Wie gehen die Täter vor?
- Kann man sich schützen?
Jeden Tag werden Waren im Wert von Milliarden von Euro per Lkw transportiert. Egal, ob es sich um Lebensmittel, Kleidung oder hochwertige Elektronik handelt - alles muss zum Händler gebracht werden. Und diese Waren wecken Begehrlichkeiten. Oft genug stellen Fahrer*innen am Morgen fest, dass Langfinger zugeschlagen haben. Und es scheint ein System dahinterzustecken. Doch wie genau werden die Lastwagen ausgeraubt und wer steckt dahinter?
Lkw-Mafia und die Systematik dahinter
Die Diebstähle aus parkenden Lkw nimmt zu. Blitzschnell wird durch professionelle Banden erkundet, ob es lohnenswert ist und schlagen zu. Überall. Auf Rastplätzen, auch auf Firmenhöfen und an allen Stellen, wo ein LKW steht. Sei es, weil der Fahrer eine Pause macht oder für die Nacht das Fahrzeug abstellt. Innerhalb weniger Augenblicke wird die Plane aufgeschlitzt, das Schloss vom Container geknackt und die Ladung begutachtet. Waren es früher hauptsächlich Zigaretten oder Elektronik, so wird inzwischen so gut wie alles gestohlen, was sich schnell zu Geld machen lässt.
Laut Schätzungen verschwinden auf diese Weise Waren im Wert von über eine Milliarde Euro alleine in Deutschland, europaweit beträgt der Schaden mehr als acht Milliarden Euro im Jahr. 2020 wurden in Deutschland, das mit über 33 Prozent der dokumentierten Fälle die Statistik europaweit anführt, über 25.000 Fälle festgestellt, wobei die Dunkelziffer wesentlich höher liegen dürfte. Ein Schaden, der nur durch das Aufschlitzen der Plane entsteht, wird oft nicht angezeigt, weil der Zeitverlust höher wiegt als eine defekte Plane. In Zeiten von Corona haben sich auch die Begehrlichkeiten geändert. So wurden beispielsweise in Spanien Gesichtsmasken im Wert von fünf Millionen Euro gestohlen. Auch auf Waren, die in Corona-Zeiten zeitweise knapp waren oder mit viel Gewinn verkauft werden konnten, standen hoch im Kurs.
Doch wer steckt eigentlich hinter diesen Diebstählen? Der Begriff "Lkw-Mafia" wird vermieden, aus Angst, dass man damit Kunden verschreckt. Allerdings, so heißt es aus Expertenkreisen, sei abzusehen, dass die Spitze noch nicht erreicht ist. Das stetig wachsende Transportvolumen sowie die teilweise schlechte Ausstattung der Lastwagen laden geradezu die Diebe ein. So scheint es, dass hinter den Diebstählen in der Tat organisierte Banden stecken, die vor allem von Polen aus agieren. Vor Ort wird die Ladung geprüft, an die "Zentrale" weitergeleitet, wo geprüft wird, ob ein Markt vorhanden ist. Mittels eigener Handelsunternehmen mit Online-Shops und Marketingabteilungen werden die Waren angeboten und verkauft. Einmal umgeladen, verschwindet die Ladung auf Nimmerwiedersehen. Denn selbst, wenn ein Transporter mit gestohlener Ware angehalten wird, so ist es schwer, einen Nachweis zu führen, dass es sich dabei um Diebesgut handelt. Wobei auch der Straftatbestand in Deutschland nicht abschreckend ist. Besonders die Achse von den Niederlanden und Belgien über Deutschland nach Polen sind bei den Dieben besonders beliebt. Mehrere Landesgrenzen stehen den Ermittlern im Weg, auch die Kooperation zwischen den einzelnen Bundesländern ist schwierig, die Kommunikation dauert meist sehr lange, was den international agierenden Banden entgegenkommt.
Gibt es einen wirksamen Schutz?
Es ist schwierig, Waren so zu sichern, dass sie aus den Lkw nicht gestohlen werden können. Eine normale Plane ist im Nu aufgeschnitten, ein Schloss an der Containertür geknackt. Zwar sind mittlerweile die Fahrzeuge zum Teil bereits GPS-überwacht, doch die Diebstähle des gesamten Fahrzeugs sind eher selten, der Gesamtanteil liegt bei zehn Prozent. Inzwischen werden auch "beliebte" Waren mit GPS und stillen Alarmvorrichtungen gesichert, doch es ist aufwendig und auch teuer. Es ist auch schwierig, dies für alles umzusetzen.
Video:
Allerdings rüstet auch die Gegenseite auf, mittels Störsendern werden diese Signale blockiert. Auch werden vermehrt eigene Fahrer eingeschleust oder aber über eigene Speditionen billige Frachtraten angeboten, um die Ware direkt abzugreifen. Hier zeigt sich dann auch, dass die Versender ein weiteres Problem haben: Es fehlen überall Lkw-Fahrer*innen. Alleine in Deutschland sind es geschätzt über 45.000. So haben die Banden keine Probleme, einen ihrer Leute einzuschleusen. Auch, wenn die Spedition vorschreibt, wo man eine Pause zu machen hat, wird dies umgangen, indem man auf der anderen Seite des Zaunes eines bewachten Parkplatzes steht, um das GPS zu täuschen, sofern es überhaupt vorhanden ist. Zusätzlich erschwerend kommt hinzu, dass in Europa circa 400.000 Parkplätze für Lkw fehlen, welche gesichert sind. Etwa 75 Prozent der Diebstähle finden auf ungesicherten Parkplätzen statt. Die Polizei listet folgende "Tricks" auf: