Stirbt das "eigene Auto" aus? - Die Zukunft des Individualverkehrs und seine möglichen Auswirkungen
Autor: Werner Diefenthal
Deutschland, Montag, 29. August 2022
Wie sieht der Verkehr der Zukunft aus? Wird der Individualverkehr, wie wir ihn kennen, noch existieren? Oder stirbt das eigenen Auto aus?
- Wie hat sich der Verkehr entwickelt?
- Wo sind seine Grenzen?
- Wie werden wir in Zukunft am Verkehr teilnehmen?
- Wie könnte ein klimafreundlicher Individualverkehr aussehen?
Mit der Zeit des Wirtschaftswunders nahm der Automobilverkehr zu. Mit dem eigenen Wagen in den Urlaub fahren wurde möglich, Entfernungen schienen zusammenzuschmelzen. Der Pendlerverkehr nahm im Zusammenhang mit der zunehmenden geforderten Flexibilisierung der Arbeit zu. Doch stößt das System mittlerweile an seine Grenzen. Zu viele Autos, zu viele Straßen, zu viel klimaschädliche Emissionen. Doch wie könnte in Zukunft der Verkehr auf den Straßen aussehen?
Die Entwicklung des Individualverkehrs und seine Folgen
Es war die Zeit des Wirtschaftswunders. Die Wirtschaft boomte, die Menschen konnten sich endlich wieder etwas leisten. Dazu gehörte häufig auch ein Automobil. Gab es 1950 gerade mal 598000 zugelassene PKW in (West-)Deutschland, so stieg der Bestand bis zum Jahr 1960 auf 4,5 Millionen. 1970 waren es bereits 13,9 Millionen Automobile auf Deutschlands Straßen. Im Jahr 2020 waren laut Statistik in nunmehr Gesamtdeutschland 47,7 Millionen PKW angemeldet, das sind etwa 570 Fahrzeuge je 1000 Einwohner, also hat, rein statistisch, mindestens jeder Zweite ein Auto. Hierbei sind Nutzfahrzeuge nicht eingerechnet.
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Damit einhergehend wuchs auch der Bestand an Autobahnen. Gab es 1950 etwas mehr als 2000 Kilometer, so waren es bis 1990 etwas weniger als 9000 Kilometer, nach der Wende wuchs diese Zahl bis 2020 auf circa 13000 Kilometer an. Nicht berücksichtigt sind hier die Bundes- und Landstraßen. Nimmt man diese dazu, kommt man auf eine Länge von 231.000 Kilometern. Und damit liegt Deutschland weltweit nicht an der Spitze. Die meisten Straßenkilometer haben die USA mit fast 6,5 Millionen Kilometern. Insgesamt geht man von 32 Millionen Kilometern Fahrstrecke weltweit aus.
Der weltweite Bestand an PKW liegt aktuell bei fast 1,4 Milliarden. Jedes Jahr werden etwa 100 Millionen neue Autos produziert, das sind 3,1 pro Sekunde. Abgesehen von den Milliarden Tonnen an CO₂, die damit sowohl während der Produktion als auch beim Betrieb der Fahrzeuge produziert werden, sind damit auch immer neue Straßen und damit eine Versiegelung der Natur verbunden. Und die täglichen Staus. Die Verkehrsdichte nimmt weiter zu. Dies spiegelt sich auch in den Längen der Staus wider. Waren es im Jahr 2002 noch 321000 Staukilometer auf deutschen Autobahnen, kam es im Jahr 2018 zu stattlichen 1,5 Millionen Staukilometern. In den beiden Corona-Jahren reduzierten sich die Staus, bedingt durch weniger Verkehr aufgrund Fahrten zur Arbeit und weniger Urlaubsfahrten, auf 679000 im Jahr 2020 bzw. 850.000 Kilometer 2021. Dies zeigt, dass weniger Verkehrsdichte zu weniger Staus führen kann.
Die Probleme des Individualverkehrs
Eines der größten Probleme ist der Weg zur Arbeitsstätte. Durch die zunehmende Flexibilisierung und die teilweise hohen Wohnkosten in den Städten sind viele Menschen auf das Land gezogen, auch wenn damit der Weg zur Arbeitsstätte weiter geworden ist. So liegt der Anteil der Pendler, die einen Weg zwischen 10 und 25 Kilometern zurücklegen müssen, inzwischen bei über 30 Prozent. Davon fahren über 68 Prozent mit dem Pkw. Damit einhergehend verbringen diese Menschen sehr viel Zeit auf der Straße, das bedeutet auch, dass die Zeit, die der Erholung dienen soll, immer kürzer wird. Dass weniger Fahrten zur Arbeit gleichbedeutend mit weniger Staus sind, kann man an der Statistik ablesen. Das entlastet auch die Innenstädte und Ballungszentren. Doch wie könnte man in Zukunft dafür sorgen, dass weniger Staus entstehen?
Die einfachste Lösung wäre, den Individualverkehr mit eigenen Pkw zu beschränken. Doch motorisierten Individualverkehr wird es wohl immer geben, so Weert Canzler, Leiter der Forschungsgruppe Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung. Eine Zukunft ohne Auto wäre in seinen Augen realitätsfremd. Allerdings würde sich die Bedeutung des Autos ändern. Es verlöre seine Bedeutung als Symbol des demonstrativen Konsums. Dem gegenüber stehen die Forderungen unter anderem der Grünen. Man müsse den Individualverkehr erheblich reduzieren, alleine schon, um einen Beitrag zum Klimawandel zu leisten.