Die irische Grenze: Der Nordirlandkonflikt und der Brexit
Autor: Werner Diefenthal
Deutschland, Montag, 07. März 2022
Irland ist ein geteiltes Land. Auf der einen Seite die EU, auf der anderen Seite Großbritannien nach dem Brexit. Kann es an dieser Grenze wieder zu Konflikten kommen?
- Warum ist Irland geteilt?
- Welche Konflikte gab es an der Grenze?
- Was bedeutet der Brexit für Irland?
- Wie stehen die Chancen auf eine Wiedervereinigung?
Während Deutschland wieder vereint ist und die Grenze, welche das Land einst teilte, mittlerweile Vergangenheit ist, gibt es in Europa immer noch ein Land, das geteilt ist: Irland. Auf der einen Seite die Republik Irland, die zur EU gehört, auf der anderen Seite Nordirland, das Teil des Vereinigten Königreiches ist. War diese Grenze, als Großbritannien noch zu der EU gehörte, mehr oder weniger nicht existent, so hat sich die Situation nach dem Brexit wieder geändert. An dieser Grenze gab es in der Vergangenheit immer wieder blutige Konfrontationen, denn sie spaltet nicht nur das Land, sondern auch im Grunde genommen zwei Religionen.
Doch warum ist Irland geteilt? Warum wurde dort immer wieder gekämpft? Und drohen neue Auseinandersetzungen? Oder besteht die Chance, dass die Teilung Irlands aufgehoben wird?
Irland - Die Geschichte einer Teilung
Vom Lough Foyle im Norden bis zum Carlingford Lough im Osten an der Irischen See erstreckt sich die Grenze, welche die Republik Irland von Nordirland trennt. Doch warum gibt es diese Grenze und welche Bedeutung hat sie jetzt nach dem Brexit? Und was ist der Nordirlandkonflikt? Um das zu verstehen, muss die Geschichte des Landes betrachtet werden.
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Irland und England werden nur durch die Irische See getrennt, was allerdings jahrhundertelang auch dafür sorgte, dass beide Länder friedlich nebeneinander existierten. Im Jahr 1169 kam es unter päpstlicher Billigung zum Beginn der anglonormannischen Feldzüge in Irland. Auslöser war der vertriebene Kleinkönig von Leinster, Diarmuid Mac Murchadha Caomhánach, der mit Unterstützung des englischen Königs Heinrich II. sein Reich zurückerobern wollte. Nach ersten Angriffen 1169 folgte schließlich die Unterstützung einer Streitmacht von Richard Strongbow. Ein Teil Leinsters und Dublin konnten von den Engländern erobert werden. Während der folgenden Jahrhunderte war die englische Herrschaft in Irland mal stärker, mal schwächer ausgeprägt. Aber immer waren Teile Irlands unter englischer Gewalt. Am Ende der normannischen Eroberung blieb schließlich nur die Region um Dublin fest in englischer Hand. Um 1540 wurden englische Siedler in Irland angesiedelt, der Beginn der sogenannten Plantations. Die Iren gingen zwar dagegen vor, doch konnte England diesen Konflikt für sich entscheiden. Da die Regionen des heutigen Nordirland als eine der Keimzellen gegen die englische Herrschaft gesehen wurden, kam es ab 1609 in der Provinz Ulster zur Ansiedlung englischer und schottisch-presbyterianischer Siedler. Diese sollten die englische Vorherrschaft sichern und verhindern, dass es aus dieser Richtung jemals wieder zu Aufständen kommt. Nordirland wurde also vom Ausgang des Widerstandes zum Zentrum der englischen Herrschaft. Dabei ist auch zu beachten, dass die Iren dem katholischen Glauben angehörten, die Engländer allerdings Anglikaner waren. Es ist jedoch irreführend, den Konflikt rein auf die Religion zu beschränken, denn er rührte im Grunde genommen vom sozialen Gefälle der recht wohlhabenden Siedler zu den armen irischen Bauern her. Während des englischen Bürgerkrieges standen die Iren zum König, der von Oliver Cromwell hingerichtet wurde und als Lordprotector über England, Schottland und Irland herrschte und die Iren brutal unterdrückte. Da er seine Truppen nicht bezahlen konnte, erhielten diese als Entlohnung Ländereien, hauptsächlich in der Gegend von Ulster. Nach der Wiederherstellung der Monarchie in England gelangte Wilhelm von Oranien an die Macht, ein Protestant. Daher kommt, neben grün für das Zeichen des Katholizismus und weiß als Zeichen für den Frieden zwischen den Konfessionen Orange für den Protestantismus in der Irischen Flagge.
Nach weiteren irischen Rebellionen kam es im Jahr 1801 schließlich zur Abschaffung des irischen Parlamentes durch den "Act of Union". Das Vereinigte Königreich nannte sich von nun an „Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Irland“. Prägend für das Verhältnis von Irland und England war in der Folge auch die große Hungersnot von 1846 bis 1849: Millionen Iren starben oder wanderten aus – während England praktisch keine Hilfe leistete. Nach mehreren gescheiterten Anläufen und massivem Widerstand aus Ulster wurde die Home Rule 1914 verabschiedet und Irland eine Verfassung und Selbstverwaltung zugestanden. Doch der Ausbruch des Ersten Weltkrieges verhinderte, dass diese vollständig umgesetzt wurde.
Irland im 20. Jahrhundert
Ostern 1916 kam es zum sogenannten "Easter Rising". Paramilitärische Gruppen wie die Irish Volunteers besetzten u.a. in Dublin verschiedene strategisch wichtige Punkte und riefen die Republik aus. Die englische Reaktion erfolgte mit aller Härte. Innerhalb einer Woche wurde das Rising niedergeschlagen und die Rädelsführer des Aufstandes hingerichtet. Durch die brutale englische Reaktion erlangten die Hingerichteten in der Zivilbevölkerung Heldenstatus. Bei den Wahlen zum britischen Unterhaus erlangte die Partei Sinn Féin, die mittlerweile die republikanische Bewegung repräsentierte, einen Großteil der Mandate. Sie gründete das First Dáil, das erste irische Parlament. In Nordirland wurde dies von der unionistischen Seite mit großer Sorge gesehen. Ab 1919 kam es schließlich zum Guerilla-Krieg in Irland gegen England, der 1921 zum anglo-irischen Vertrag, dem sogenannten Treaty, führte, der für 26 der 32 Countys die Unabhängigkeit von Großbritannien bedeuten sollte. Die 26 Countys bildeten den Irish Free State. Die restlichen sechs Countys bilden das heutige Nordirland, welches sich weiterhin für die Union mit dem Vereinigten Königreich entschieden hatte. Dies bedeutete die Teilung Irlands. Es folgte schließlich der irische Bürgerkrieg im Free State, da Teile der bis dahin vereinigt gegen England kämpfenden IRA sich nicht mit dem Treaty einverstanden zeigten. Der Free State konnte den circa ein Jahr dauernden Krieg, der mehr Opfer als der Unabhängigkeitskrieg fordern sollte, 1923 für sich entscheiden. 1949 wurde der Free State schließlich doch zur Republik und trat aus dem Commonwealth aus. Damit war eine endgültige Teilung vollzogen. Dies hatte allerdings zur Folge, dass die IRA mit Gewalt eine Wiedervereinigung Irlands zu erreichen suchte. In Nordirland wurden daraufhin englische Truppen stationiert, um den Konflikt zu lösen. Dies wiederum setzte eine Spirale der Gewalt in Gang. Versprochene Reformen blieben aus, beide Seiten wurden immer radikaler. Die IRA spaltete sich. Während ein Teil nur die katholischen Viertel schützen wollte, wollte der andere Teil eine reine Terrorpartei sein. Ein trauriger Höhepunkt der Auseinandersetzung sollte der als "Bloody Sunday" bekannte 30. Januar 1972 sein.