Würzburger Messerattacke führt zu Trauma bei Ersthelfer: "Sehe meine drei Töchter in der Blutlache"
Autor: Ralf Welz
Würzburg, Dienstag, 02. Mai 2023
Die tödliche Messerattacke in Würzburg hat bei Gerhard Schwarzmann ein Trauma ausgelöst. Der Ersthelfer sah in Gedanken lange Zeit seine eigenen drei Töchter in der Blutlache liegen. Der 61-Jährige begab sich deshalb in eine spezielle Art von Therapie.
- Tödliche Messerattacke von Würzburg löst Trauma bei Ersthelfer aus
- Trotz jahrzehntelanger Erfahrung: Notarzt trägt belastende Erinnerungen davon
- "Bilder von meinen Töchtern aus dem Kopf kriegen": 61-Jähriger erleidet Belastungsstörung
- Zeuge spricht in ZDF-Doku über sein Schicksal - spezielle Therapie hilft ihm
Die Tat löste deutschlandweit tiefe Bestürzung aus: Bei einer Messerattacke auf arglose Passanten in Würzburg wurden im Sommer 2021 drei Frauen getötet und neun Personen verletzt. Beim Täter handelte es sich um einen Flüchtling aus Somalia. Der psychisch kranke Täter landete nach seinem angerichteten Blutbad in einer Psychiatrie. Das Gewaltverbrechen wühlt auch heute noch, fast zwei Jahre später, viele Menschen in Würzburg in ihrem Innern auf. Einer von ihnen ist Gerhard Schwarzmann - er wurde als Zeuge unversehens in das Geschehen mit hineingezogen. Mit schweren Folgen: Der tödliche Messerangriff hat ihn nachhaltig traumatisiert, wie er gegenüber inFranken.de berichtet.
Messerattacke von Würzburg führt zu Trauma: Zeuge sieht in Gedanken eigene Töchter - "ganz real"
Zu den Schwerverletzten der Würzburger Messerattacke zählte auch ein junges Mädchen aus der Region. Die Mutter der Elfjährigen wurde getötet. Im Gespräch mit inFranken.de erzählt Ersthelfer Dr. Gerhard Schwarzmann jetzt, wie er den Tag seinerzeit erlebt hat. "Ich bin in der Straßenbahn gefahren und habe auf einmal eine Verletzte gesehen", erinnert er sich an jenen 25. Juni 2021, der sein Leben anhaltend verändert hat. Ohne zu zögern, hält der erfahrene Notfallmediziner die Bahn an und eilt mit einem Verbandskasten in Richtung Barbarossaplatz.
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"Ich habe gerufen: 'Ich bin Notarzt. Kann ich helfen?'" Doch ein anderer Ersthelfer, ein Chirurg, kümmert sich bereits um die verletzte Frau. "Dann hat einer geschrien: 'Im Woolworth liegen auch welche.'" Schwarzmann begibt sich laut eigener Schilderung ins Innere des Geschäfts. "Im Kaufhaus war keine Polizei, dort waren keine Sanitäter." Stattdessen stößt er auf Leichen und eine Schwerverletzte. Zu diesem Zeitpunkt sei noch nicht einmal bekannt gewesen, dass es sich bei den Örtlichkeiten um einen Tatort handelt.
In der neuen ZDF-Doku "Terra Xplore - Schluss mit belastenden Erinnerungen!" spricht der Mediziner in Hinblick auf jenen 25. Juni von einem Ereignis, in das er unvorbereitet hineingeraten sei - "ohne Vorwarnung, ohne Schutzkleidung. Von null auf hundert." "Ich habe für einen kurzen Zeitmoment - und das mehrfach hintereinander - anstelle der drei getöteten Frauen meine drei Töchter liegen sehen. In der Blutlache. Ganz real." Der heute 61-Jährige spricht gegenüber inFranken.de von einem Bild, "so wie man es teilweise aus Filmen kennt". Schwarzmanns Töchter sind zwischen zwölf und 17 Jahren alt.
"Bilder tun anders weh": 61-Jähriger schildert gruselige Flashbacks nach Würzburg-Horror
Das Erlebnis ist augenfällig derart nachdrücklich, dass es zu einer Zäsur im Leben des erprobten Notarzt-Profis führt. "Ich bin über 40 Jahre im Geschäft", sagt Schwarzmann. "Ich bin ein gewissermaßen ein Hardliner gewesen." Bis zu jenem Tag habe er nie gedacht, dass er jemals eine Belastungsstörung entwickeln könne. Doch anders als sonst betritt Schwarzmann diesmal als Privatperson den Einsatzort. "Ich glaube schon, dass das wirklich ein elementarer Unterschied war", hält er in der ZDF-Dokumentation fest. "Die Bilder tun anders weh, als ich es von anderen Einsätzen kenne", betont der Notarzt im Gespräch mit inFranken.de.
Seine schrecklichen Erfahrungen lassen den Würzburger Mediziner auch nach dem Tag der Messerattacke nicht los. Der Arzt des Uniklinikums Würzburg wendet sich wegen seiner Flashbacks schließlich an die Psychiatrie des Krankenhauses. "Ich habe gesagt: 'Ich muss die Bilder von meinen Töchtern aus meinem Kopf kriegen.'" Die Folgen der Bluttat am Würzburger Barbarossaplatz machen sich auch heute noch im Alltag des 61-Jährigen bemerkbar. "Ich reagiere ganz anders, wenn jemand hinter mir läuft." Dies komme selbst in Bezug auf seine eigenen Kinder vor.