Würzburger Forscher mit "bahnbrechenden Ergebnissen" zu Knochenmarkkrebs
Autor: Redaktion
Würzburg, Montag, 18. November 2024
Wenn sich Tumorzellen außerhalb des Knochenmarks ausbreiten und in andere Gewebe und Organe eindringen, erschwert das die Behandlung - aber wieso? Dieser Frage sind Forscher des Uniklinikums Würzburg nachgegangen. Dabei haben sie Erstaunliches entdeckt.
Schon die Diagnose allein ist ein schwerer Schlag für die Betroffenen, betont das Universitätsklinikum Würzburg in einer Pressemitteilung. Denn die Blutkrebserkrankung, bei der verschiedene bösartige Tumorherde im Knochenmark auftreten, ist bis heute nicht heilbar. Dank zahlreicher Therapiemöglichkeiten kann das Fortschreiten der Erkrankung jedoch über einen längeren Zeitraum verhindert und die Lebensqualität der Patienten verbessert werden.
Wenn sich die Tumorzellen jedoch außerhalb des Knochenmarks ausbreiten und in andere Gewebe und Organe eindringen, erschwert dies die Behandlung. Denn viele Erkrankte mit diesen sogenannten extramedullären Läsionen (kurz EMD für extramedullary disease) sprechen auch auf moderne Immuntherapien mit CAR-T-Zellen oder bispezifischen Antikörpern nicht mehr an.
Warum ist das so? Dr. Angela Riedel und Prof. Dr. Leo Rasche vom Uniklinikum Würzburg (UKW) haben sich mit ihren Juniorgruppen am Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum (MSNZ) die Tumorzellen außerhalb des Knochenmarks genauer angeschaut und mithilfe der räumlichen und Einzelzell-Transkriptomik erstmals die detaillierte Mikroumgebung von 14 EMD-Läsionen untersucht. Ihre Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Blood der American Society of Hematology als Titelstory veröffentlicht. Das Cover ziert ein Immunfluoreszenzbild einer kutanen EMD, bei der T-Zellen mit dem Protein CD3e grün, Plasmazellen mit CD138 rot und das Kollagen der Haut I blau markiert sind.
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"Die Infiltration von Immun- und Stromazellen war sowohl innerhalb als auch zwischen den Patientinnen und Patienten sehr unterschiedlich", schildert Angela Riedel. Das bedeutet, dass der Tumor und das umliegende Gewebe bei jedem Patienten anders auf das Immunsystem reagieren, was zeigt, wie komplex und individuell die Krankheit verläuft. Die Biomedizinerin nennt ein Beispiel: "Wir konnten beobachten, dass T-Zellen zwar in die EMD-Läsion einwandern können, aber in einen erschöpften Zustand geraten, sobald sie in die Nähe der Myelomzellen kommen."
Die ermüdeten weißen Blutkörperchen des Immunsystems verlieren also ihre Fähigkeit, die Krebszellen zu bekämpfen. Aktive T-Zellen fanden sich meist außerhalb der Läsion in tumorfreiem Gewebe zusammen mit spezifischen Makrophagen-Subtypen, die ebenfalls eine Rolle in der Immunantwort spielen.
Bei Erkrankten, die gut auf eine Therapie mit bispezifischen T-Zell-Antikörpern ansprachen - das sind Antikörper, die mit einem Arm an das Oberflächenmerkmal der Immunzelle und mit dem anderen Arm an das der Tumorzelle binden, um die Immunzellen zur Tumorzelle zu leiten und diese zu zerstören - war der Unterschied zwischen erschöpften und aktiven T-Zellen nicht mehr feststellbar.
Die Forschenden vermuten zudem eine genomische Instabilität innerhalb der Läsion, da die Myelomzellen Variationen in der Kopienzahl der Chromosomen sowie neue Subklone in bestimmten Tumorbereichen aufwiesen. Die Tumorzellen wiesen also ein Mosaik genetischer Vielfalt auf, das sie schwer behandelbar machen könnte. "Bislang ging man davon aus, dass EMD nur aus Plasmazellen besteht, doch wir zeigen, dass es sich dabei um eine multizelluläre Umgebung handelt", resümiert Angela Riedel.