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Würzburg benennt drei umstrittene Straßen um - sie erhalten stattdessen Frauennamen


Autor: Isabel Schaffner

Würzburg, Donnerstag, 22. Juni 2023

Drei männliche Straßennamen in Würzburg sind seit vergangener Woche Geschichte. Die Stadt hat sie durch die Namen weiblicher Persönlichkeiten ersetzt, denn bis dato galten in der gesamten Stadt überwiegend Männer als Namenspaten.
Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt (m.) enthüllt das Straßenschild "Rosa-Buchbinder-Straße" mit Anwohnerinnen und Anwohnern, den Stadtratsmitgliedern Karin Miethaner-Vent (3.v.li.), Konstantin Mack (4.v.li.), Willi Dürrnagel (re. neben OB Schuchardt), Simone Haberer (3.v.re.), Manfred Dürr (2.v.re.). Außerdem dabei der Leiter des Stadtarchivs Axel Metz (re.) und Dirk Terwey, Mainfranken Theater (links hinter Schuchardt).


Die Stadt Würzburg hat in der vergangenen Woche drei Straßen umbenannt, berichtet sie in einer Pressemitteilung vom Dienstag (20. Juni 2023): In der Heidingsfelder Lehmgrubensiedlung heißt die Nikolaus-Fey-Straße jetzt Elli-Michler-Straße, im Frauenland die Schadewitz-Straße Rosa-Buchbinder-Straße und in der Sanderau der Heiner-Dikreiter-Weg in Milly-Marbe-Fries-Weg.

"Im Bestand der Straßennamen in Würzburg dienten überwiegend Männer als Namenspaten. Mit der bewussten Entscheidung nur für Frauen macht die Stadt einen Schritt der Gleichstellung", so die Stadt. Im Oktober 2022 hatte der Würzburger Stadtrat nach Einbeziehung der Anwohnerinnen und Anwohner wie auch der Nachkommen der bisherigen Straßennamensgeber die Neubenennung von vier Straßen im Stadtgebiet beschlossen. Die Umbenennung der Hermann-Zilcher-Straße in Theresia-Winterstein-Straße fand bereits im März statt, informiert die Stadt. Alle drei Männer waren Unterstützer des NS-Regimes

Würzburg würdigt besonderen Frauen mit Straßennamen - Lyrikerin Elli Michler war "international bekannt"

"Mit der Benennung der Straße nach Elli Michler haben wir uns leichtgetan", betonte Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU) bei der Umbenennung der Nikolaus-Fey-Straße. Am 12. Februar 2023 wäre sie 100 Jahre alt geworden. Elli Michler sei zu Lebzeiten zu vielen Lesungen eingeladen worden und habe "die Bedeutung ihrer Gedichte im Leben der Menschen erfahren", so die Stellungname der Tochter.

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Mit Elli Michler (12. Februar 1923, Würzburg, bis 18. November 2014, Heilbronn) gedenke die Stadt einer gebürtigen Würzburger Lyrikerin, die ihr "lebensbejahendes" Werk zeitlosen Themen im "Dienst der Lebenshilfe" gewidmet habe, wie sie selbst gesagt habe.

Mit ihrem Gedicht "Ich wünsche Dir Zeit" sei sie international bekannt geworden, heißt es in der Pressemitteilung weiter. 2004 seien über 275.000 Exemplare ihrer Bücher verkauft worden. 2010 habe sie das Bundesverdienstkreuz erhalten. 

Frauenland: Aus Schadewitz wird Rosa Buchbinder

Auch im Frauenland gab es eine Umbenennung: Die Würzburger Schadewitz-Straße heißt nun Rosa-Buchbinder-Straße nach der ehemaligen Harfenistin. Die Umbenennung sei laut Stadt von "zahlreichen Anwohnern" begleitet worden - darunter von Dirk Terwey, der geschäftsführende Direktor des Mainfranken Theaters. "Rosa Buchbinders Biografie zeigt exemplarisch die zerstörerischen Folgen, die Antisemitismus, Rassismus, jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit für die Betroffenen haben", wird Oberbürgermeister Schuchardt zitiert.

"Das Schicksal von Rosa Buchbinder ist für uns eindringliche Mahnung, menschenverachtenden Geisteshaltungen und den daraus resultierenden unmenschlichen Verhaltensweisen in unserer Stadtgesellschaft keinen Raum zur Entfaltung zu geben." Nur durch eine frühzeitige Emigration in die USA 1937 sei Rosa Buchbinder (10. August 1897 Bad Kissingen bis 16. Mai 1983 New York) mit Mutter und Schwester wohl der Shoa entgangen. Sie habe zwar ihr Leben retten, doch ihren Beruf und Lebensstandard für immer verloren, denn in den USA seien Rosas Versuche gescheitert, als Harfenistin weiter tätig zu sein.

Sie habe Hilfsarbeiten übernommen und in einer Fabrik für die Hälfte des damaligen durchschnittlichen US-Einkommens gearbeitet. Schwester Hilde, die aus medizinischen Gründen in der Diakonissenanstalt Neuendettelsau untergebracht gewesen sei, habe im September 1940 zu den frühen Opfern der NS-Krankenmorde gehört. 1956 sei Rosa Buchbinder eine Wiedergutmachungsleistung der Stadt Nürnberg zugesprochen worden, teilt die Stadt mit. 

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Ebenfalls neu: Milly-Marbe-Fries-Weg in der Sanderau

Die Würzburger Bildnis-, Blumen- und Landschaftsmalerin Milly Marbe-Fries (30. Mai 1876, Frankfurt am Main, bis 7. August 1947, Würzburg) habe laut Stadt in der NS-Zeit als "Halbjüdin" gegolten, drei ihrer Cousinen hätten ins Ausland emigrieren müssen, eine sei der Shoa zum Opfer gefallen. "Die Nationalsozialisten wollten sie in ihrem Rassenwahn aus dem öffentlichen Bewusstsein eliminieren", so Schuchardt.

Marbe-Fries, zeitweise Schülerin des Städel-Instituts in Frankfurt, habe in Würzburg zahlreiche Kunstwerke geschaffen, zumeist Stillleben, Landschafts- und Porträtbilder und damit Bekanntheit in der Weimarer Republik erhalten. Ab 1932 habe sie mit ihrem Ehemann die von ihnen errichtete "Villa Marbe" im Judenbühlweg bewohnt, führt die Stadt fort. "1935 übergab der NS-Oberbürgermeister von Würzburg Theodor Memmel noch ein Bild von Marbe-Fries zur Ausstattung des neuen Motorschiffs 'Würzburg', doch öffentlich ausstellen durfte sie ihre Bilder nicht mehr", so die Pressemitteilung weiter.

Nach dem Krieg habe sie zu den ersten gehört, deren Werke wieder in Unterfranken gezeigt werden konnten. Eine Reihe ihrer Bilder befänden sich heute im Museum im Kulturspeicher. Der Milly-Marbe-Fries-Weg löst den Heiner-Dikreiter-Weg ab, der am Vereinsgelände des Modell-Sport-Club-Würzburg e.V. vorbeiführt. Weitere Nachrichten aus Würzburg findest du auf unserer Übersichtsseite.