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Würzburg/Bayern: Frau tauscht Karriere gegen Alpakas - "irgendwas hat mir gefehlt"


Autor: Nina Grötsch

Iphofen, Freitag, 03. Mai 2019

Wenn der Beruf nicht passt ist es Zeit für eine Veränderung. Diese Erfahrung hat auch Johanna Fischer gemacht: Ihren Job als Chemikerin hat sie an den Nagel gehängt und sich eine kleine Alpaka-Farm aufgebaut.
Liebe auf den ersten Blick: Johanna Fischer hat ihren Job an den Nagel gehängt und sich statt dessen vier Alpakas angeschafft. Reiki ist der jüngste von ihnen und beeindruckt mit einer Gelassenheit, die mancher Mensch gerne besäße.


Alpaka-Spaziergang statt Reagenzgläsern - Fränkin erfüllt sich ihren Herzenswunsch: Alvin, Monki, Reiki und Philli - so heißen die vier flauschigen Tierchen, die Johanna Fischers Leben auf den Kopf gestellt haben. Vor ungefähr drei Jahren hätte sich das die heutige Besitzerin einer kleinen Alpaka-Farm nicht träumen lassen. Damals war sie im achten Jahr als Diplom-Chemikerin tätig und hatte gerade eine Vertragsverlängerung auf dem Tisch. Termindruck, Stress, eine 50-Stunden-Woche - all das war Berufsalltag. "Ich bin die Karriereleiter schnell nach oben", erzählt Johanna. "Doch irgendwas hat mir gefehlt."

Die englische Lebensweisheit "Change it, love it or leave it" kam ihr damals in den Sinn. Wenn dir etwas im Leben nicht gefällt, dann ändere etwas an den äußeren Umständen (change it). Geht das nicht, dann ändere deine innere Einstellung dazu (love it). Funktioniert auch das nicht, dann verlasse die Situation (leave it). Sonst bist du unglücklich. Johanna entschied sich für Letzteres - und hat es nicht bereut.

FSJ im Wildpark: "Ich musste meinem Herzen folgen"

Ein Freiwilliges Soziales Jahr im unterfränkischen Wildpark Sommerhausen sollte der schon immer tierlieben Johanna den Weg in die Zukunft weisen. Was sie vorher im sozialen Bereich vermisst hatte, bekam sie hier doppelt und dreifach. Gleich in der ersten Woche war ein Alpaka-Züchter vor Ort. Die Schulung für die Tierpark-Mitarbeiter verfolgte Johanna mit wachsender Begeisterung. Der erste Funke war entzündet - und sollte in den folgenden Monaten zu einem lodernden Feuer werden.

"Als das Jahr zu Ende war, wusste ich: Ich muss meinem Herzen folgen und mir Alpakas kaufen", sagt die 34-Jährige. Ehemann und Schwiegereltern hatten nur kurz Gelegenheit, an Johannas Verstand zu zweifeln. Die Leidenschaft war überzeugend, die Faszination sogar ansteckend. Zudem war für niemanden der Glanz in Johannas Augen zu übersehen, mit denen sie fortan ihr Ziel anvisierte und Monat für Monat ein Stück mehr in die Tat umsetzte.

Am Ortsrand des Dorfes Hellmitzheim, nahe des Drei-Franken-Ecks und nur wenige Meter von ihrem Wohnhaus entfernt, konnte Johanna eine Obstwiese pachten und mit vielen fleißigen Helfern eine 1600 Quadratmeter große Koppel errichten. Wenige Monate ist das erst her - und dennoch so viel passiert in dieser Zeit.

"Wir Menschen können ganz viel von ihnen lernen"

Neben zahlreichen tierischen Aus- und Weiterbildungen ging es natürlich in erster Linie um das Eingewöhnen der "Glücksbringer", wie die Tiere oft genannt werden. Im Oktober 2018 zogen die vier Alpakas von Südtirol nach Unterfranken - und damit die Gemütlichkeit ins Leben der Familie Fischer. "Davon abgesehen, dass Alpakas einfach zum Verlieben süß sind, sind sie Experten der Entschleunigung", verrät Johanna. "Wir Menschen können ganz viel von ihnen lernen."

Eine Tatsache, die Johanna auch anderen zuteil werden lassen will. Bei geführten Spaziergängen und Wanderungen durch die Iphöfer Flur werden Alltagssorgen mal eben vergessen. Alvin, Monki, Reiki und Philli legen ein gemütliches Tempo an den Tag - das ist ansteckend. Es dauert nicht lang und die sanft wiegenden Schritte wirken entspannend auf Körper und Geist. "Perfekt zum Abschalten!", sagt Johanna und heißt Besucher willkommen, die mit ihr in kleiner Runde auf Tuchfühlung mit ihren Tieren gehen wollen.

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Dank einer kürzlich geschlossenen Kooperation mit einem Weingut plant sie als besondere Events jetzt sogar Weinwanderungen. Dann tragen die Alpakas in ihren kleinen Satteltaschen ein Fläschchen Wein für die eine oder andere Stärkung unterwegs. "Es gehen plötzlich so viele Türen auf, das ist verrückt", freut sich Johanna und sprudelt nur so vor Ideen, die von Seife aus Alpaka-Wolle bis zu Foto-Shootings mit den flauschigen Tieren reichen.

Alpakas eigentlich Distanztiere, keine Kuscheltiere

Auch wenn Alpakas aussehen als seien sie lebendig gewordene Kuscheltiere, sind sie eigentlich Distanztiere. Was nicht heißt, dass man als Mensch nicht ihr Vertrauen gewinnen kann. Im täglichen Training lernen Alvin, Monki, Reiki und Philli auf spielerische Weise, angeleint und angefasst zu werden - und beweisen schnell, dass sie sehr kluge Tiere sind. Wenn Johanna den Sandberg auf der Koppel nach oben rennt und Reiki in bezauberndem Alpaka-Galopp hinterher spurtet, weiß man als Betrachter nicht, wer von den beiden gerade mehr Spaß hat. Bis Johanna prustend gesteht: "Ich würd's am liebsten Stunden machen!"

Jeder Tag, den sie bei ihren Alpakas verbringt, bestätigt Johanna in ihrer getroffenen Entscheidung. Von Woche zu Woche wird es auf der Koppel ein wenig heimeliger. "Geld allein macht nicht glücklich", weiß sie. Das Gefühl, im Leben angekommen zu sein, hingegen schon.

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