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Relegation: Würzburger Märchen oder Duisburger Wunder?


Autor: Redaktion

Würzburg, Dienstag, 24. Mai 2016

Die Würzburger Kickers stehen am Dienstag in Duisburg vor der Vollendung ihres nächsten Kapitels und können in die 2. Bundesliga aufsteigen.
Daniel Nagy von Kickers jubelt nach seinem Treffer zum 2:0 Endstand. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa


Kingsley Onuegbu trat im Hinspiel Peter Kurzweg nicht nur elfmeterreif an den Kopf und einigen seiner Kollegen anschließend noch kräftig verbal vors Schienbein - der 30-jährige nigerianische Stürmer in Diensten des MSV Duisburg traf vor dem entscheidenden Rückspiel in der Relegation zur Zweiten Fußball-Bundesliga am Dienstag (19.10 Uhr, live in der ARD) gegen die Würzburger Kickers auch den Nagel auf den Kopf, jedenfalls aus Duisburger Sicht auf den Stand der Dinge: "Mit der Einstellung haben wir keine Chance. Wir müssen aufstehen und zeigen, dass wir Eier haben und Männer sind."

Das leicht vulgäre Bild von den Eiern hatte einst der ehemalige Nationaltorwart Oliver Kahn medial salonfähig gemacht, und auch wenn man es sicherlich gewählter formulieren könnte als Onuegbu: Nach dem 0:2 im Hinspiel könnten die Duisburger sich schon die Frage nach dem Henne-Ei-Problem stellen, also die Frage nach Ursache und Wirkung. Was war zuerst da? Oder etwas präziser: Was führte mehr zum ungefährdeten und deshalb hochverdienten Sieg des Drittligadritten über den Zweitliga-16.? Die leidenschaftliche Vorstellung der Kickers, oder der doch erstaunlich uninspirierte Auftritt der Duisburger, nach dem man im Ruhrpott sinnierte, ob die Mannschaft den Ernst der Lage erkannt hat?


81,5 Prozent glauben an Kickers

Duisburgs Präsident Ingo Wald musste hernach feststellen: "Bei allen Beteiligten ist Entsetzen und Lähmung festzustellen." Nicht bei allen. Duisburgs Anhänger hatte die Darbietung ihrer Lieblinge derart auf die Palme gebracht, dass sie ihrem Unmut dadurch Luft verschafften, die Zäune des Gästeblocks einem Belastungstest zu unterziehen. MSV-Trainer Ilja Gruev und ein paar Spieler versuchten sich an der Deeskalation, wenngleich die Körpersprache Gruevs nur bedingt beruhigend wirkte.

Vollenden die Kickers also am Dienstag das nächste Kapitel ihres Fußball-Märchens und marschieren durch von der Regionalliga ins Unterhaus? Oder kommt es zu einem neuen Wunder an der Wedau? Der nicht nur wegen seines Schusses an den Außenpfosten auffälligste Duisburger am Freitagabend, Kevin Wolze, gestand im "kicker": "Sie haben uns den Schneid abgekauft. Die Kickers haben verdient gewonnen." Das Sportblatt fragte auf seiner Internetseite, wer sich durchsetzen wird. 8427 Menschen nahmen an der Umfrage teil, 81,5 Prozent glauben: die Kickers.

Duisburg droht also nach 1986 und der verweigerten Zweitliga-Lizenz 2013 zum dritten Mal der Sturz in die Drittklassigkeit. Im Endspurt der Zweitligasaison haben die Zebras vier ihrer jüngsten fünf Partien vor eigener Kulisse gewonnen, darunter am letzten Spieltag auch Erstligaaufsteiger Leipzig 1:0 bezwungen. Sie müssen nun allerdings mindestens drei Tore schießen, um ihre fulminante Aufholjagd mit dem Klassenerhalt im Nachsitzen zu krönen. "Wir kennen diese Situation. Wir standen in der Rückrunde mehrfach mit dem Rücken zur Wand und konnten das lösen", sagte Gruev.

Er baut dabei nicht zuletzt aufs Publikum. In der ausverkauften Schauinsland-Reisen-Arena werden um die 2500 Kickers-Fans versuchen, sich Gehör zu verschaffen - 27 500 Zuschauer werden Duisburg nach vorne brüllen wollen. "In Duisburg wird die Hölle los sein", ahnt Kickers-Trainer Bernd Hollerbach vor der Zugfahrt in den Pott am Montag.

Die Zuversicht der Kickers speist sich auch aus der jüngsten Vergangenheit: In den letzten 15 Partien sind sie unbesiegt, drei Tore in einem Pflichtspiel kassierten sie zuletzt vor zwei Jahren in der Regionalliga. Dennoch warnt Hollerbach: "Es ist noch nicht vorbei. Wir müssen noch einmal richtig leidensfähig sein."

Taktisch will er nicht viel ändern, warum auch? Er fordert von seinen Spielern die Tugenden, die im Hinspiel sich als siegbringend erwiesen: "Mut, Einsatz und Moral." Kurz: Leidenschaft, die in Duisburg dann Leiden schafft.