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"Rocketman" Andreas Kümmert ist im Voice-Finale


Autor: Verena Pohl

Berlin, Freitag, 13. Dezember 2013

Andreas Kümmert, der Ausnahme-Sänger aus Gemünden am Main (Kreis Main-Spessart) steht im Finale der Castingshow "The Voice of Germany". Und das, obwohl es in seinem Duell mit Caro Trischler eigentlich zwei Verlierer gab.
Andreas Kümmert ist auf der Showbühne voll in seinem Element. Foto: SAT.1/ProSieben/Richard Huebner


Seit seinem ersten Auftritt in den Blind Auditions bei "The Voice of Germany" wird Andreas Kümmert schon als Favorit auf den Sieg gehandelt. Er hat die meisten Fans bei Facebook, er singt wie ein Weltstar. Und vor allem sieht er überhaupt nicht danach aus. Und genau das ist es, was ProSieben und Sat.1 ständig in den Vordergrund stellen: Dass Andreas bei anderen Casting-Formaten wie "Deutschland sucht den Superstar" ja von vornherein keine Chance gehabt hätte, weil er eben kein perfekt gestylter Teenager ist, der kleine Mädchen zum Kreischen bringt.

Das ist richtig. Allerdings war das auch nie Andreas' Ziel. Der 27-Jährige ist seit sieben Jahren Berufsmusiker, spielt rund 170 Konzerte im Jahr, meist in kleineren Clubs in ganz Deutschland. Die Leute, die da kamen, um ihm zuzuhören, kamen, weil er einfach ein toller Sänger ist. Und eben nicht, um ihn anzuschauen.

Zu "The Voice of Germany" kam der Unterfranke nicht aus einer Laune heraus, die Teilnahme war vielmehr gezielt geplant. Wie Andreas gegenüber unserer Redaktion erzählt hat, hatte der 27-Jährige das Casting als gezielte Marketing-Aktion geplant: Er wollte dort hingehen, singen, im besten Fall eine Runde weiterkommen und noch einmal im Fernsehen auftreten können. Einfach zweimal seine Musik einem Millionenpublikum vorstellen. Und dann ausscheiden, um weiter sein Ding machen zu können - mit ein bisschen mehr Konzertanfragen vielleicht.

Gründlich gescheitert

Dieser Plan ist gründlich gescheitert. Andreas Kümmert, den alle seit seinem ersten Auftritt nur den "Rocketman" nennen (wegen des Songs von Elton John, den er in den Blind Auditions gesungen hatte), hat nicht nur in der zweiten Casting-Runde sein "Battle" grandios gewonnen, sondern auch die nächste k.o.-Runde, den "Showdown". Und konnte damit erstmals live im Fernsehen auftreten.

Im Viertelfinale wurde dann auch erstmals deutlich, wie sehr sich Andreas von seinen Mitstreitern unterscheidet. Natürlich stimmlich: Andreas war so ziemlich der einzige Kandidat, der live genauso klang, wie vorher in der Aufzeichnung. Aber auch sonst: Andreas ist ein sehr schüchterner Typ, dem jede Art von Aufmerksamkeit, die sich nicht seiner Musik widmet, zutiefst zuwider zu sein scheint. Im Interview ist er sehr zurückhaltend, gibt oft nur einsilbige Antworten. Oder sagt schlicht, dass er darüber mit der Presse lieber nicht reden wolle.

Wenn Andreas gerade nicht dran ist, sitzt er in der Kandidaten-Lounge auf dem Sofa, abseits von den anderen. Während die anderen Kandidaten sich vor der Kamera als beste Freunde präsentieren, bleibt Andreas für sich. Das dürfte zum einen daran liegen, dass der Unterfranke seinen eigenen Kopf hat und nach Möglichkeit auch versucht, den gegen die Produktionsfirma durchzusetzen. So hat er während der Aufzeichnung der ersten Runden viel Zeit, in der sich die anderen Kandidaten kennen gelernt haben, damit verbracht, durchs Land zu tingeln und Konzerte zu geben. Eben sein Ding zu machen. Zum anderen ist er eben nach eigenen Angaben "nicht der Typ, der gut auf Menschen zugehen kann." Und dann eben auch schon mal als arrogant eingestuft wird.

Lieber nichts sagen

Also sagt Andreas lieber mal nichts. Die Moderatoren Thore Schölermann und Doris Golpashin geben sich alle Mühe, dass das nicht auffällt, stellen Andreas, wenn überhaupt, bei der Liveübertragung nur Fragen, auf die er kurz und klar antworten kann. Also nur "Wie heißt deine eigene Single?" und nicht "Warum möchtest du ins Finale?". Denn auf diese Frage hätte Andreas vielleicht selbst keine Antwort.

Er ist der Underdog, der Nerd-Freak, dem nach einem Leben im Schatten der großen Stars endlich mal jemand die Chance gibt, selbst groß rauszukommen. Das ist die Botschaft, die ProSieben und Sat.1 ihren Zuschauern seit Wochen zu vermitteln versuchen. Dumm ist nur, dass Andreas selbst so gar keine Lust auf die Favoritenrolle zu haben scheint. Oder auch auf den Sieg. Vor dem Halbfinale am Freitagabend noch blockte der 27-Jährige jede Frage ab, die sich auf eine mögliche Finalteilnahme bezog. Über das Halbfinale selbst sagte er: "Ich will es eigentlich nur möglichst schnell hinter mich bringen." Wenn ihn das Publikum im Finale sehen wolle, sei ihm das zwar eine Ehre. Andererseits fände er es auch gut, rauszufliegen - "damit ich mit der ganzen Sache abschließen kann." Eine Haltung, die man ihm auch am Freitag im Halbfinale deutlich angemerkt hat.

Andreas' Gegnerin Caro Trischler ist erst einmal in Tränen ausgebrochen, nachdem ihre Coaches Alec Völkel und Sascha Vollmer von The BossHoss ihr verkündet haben, dass sie gegen den "Rocketman" antreten muss. Und trägt es schließlich mit Fassung: "Ich will einfach nochmal alles zeigen, was ich kann." Die hübsche 18-Jährige strahlt mit ihrem goldenen Kleid um die Wette und singt "Your Song" von Elton John. Und schlägt sich damit deutlich besser als etwa Teamkollegin Debbie Schippers, die kurz zuvor mit einer weit weniger überzeugenden Darbietung ins Finale eingezogen war. Caro betont noch einmal extra, dass sie für alle ihre Fans singt, bittet die Zuschauer, für sie anzurufen.

Nicht Teil der Show sein

Andreas bittet nicht um Anrufe. Stattdessen betont er, was für eine tolle Sängerin Caro sei. Im Interview nach einer Botschaft an seine Fans in der Heimat gefragt, sagt Andreas immer nur: "Danke für die Unterstützung, ich hoffe, dass ein paar Fans auch für die Zeit nach The Voice erhalten bleiben." Denn wenn es eines gibt, was der 27-Jährige durch diese Show nicht erreichen wollte, dann ist es, mit den Worten "Du bist doch der von The Voice" auf der Straße erkannt zu werden. Andreas will eben nur Andreas sein. Nicht der Nerd-Freak. Und nicht ein Teil der Show.

Diese Rolle wird er nun aber noch länger spielen müssen, als ihm lieb ist: Nach dem Finale am kommenden Freitag steht noch eine große Konzerttour der acht Halbfinalisten durch Deutschland an. Ob ihm das in den Kram, und vor allem in den Terminkalender passt? Schließlich hat Andreas seit Beginn der Show bereits genug Konzertanfragen für die nächsten zwei bis drei Jahre bekommen. "Muss ja wohl", antwortet der Unterfranke. Echte Begeisterung klingt anders.

Nach Andreas' Darbietung von Joe Cockers "With a little Help from my Friends" fordert das Studiopublikum lauthals eine Zugabe. Als Moderator Thore Schölermann die fünf Juroren Nena, Samu Haber (Sunrise Avenue), The BossHoss und Max Herre (Freundeskreis) nach ihrer Meinung zu den beiden Darbietungen fragt, scheinen die Coaches selbst ein bisschen ratlos zu sein. Caro bekommt Mitleid von allen Seiten, lange, bevor die Entscheidung des Publikums verkündet wird. Weil es ohnehin klar ist, dass Andreas gewinnt. Der Mann mit dem Bart, der ein bisschen an den Zwerg Gimli aus der Herr der Ringe-Trilogie erinnert, und der beim Singen immer die Augen schließt. Als ob er sich an einen Ort weit weg von all den Kameras träumen würde.

Und natürlich gewinnt Andreas auch - mit überragenden 78,9 Prozent der Zuschaueranrufe. Und während für Caro Trischler endgültig der Traum vom Voice-Finale zerplatzt, steht Andreas ein bisschen bedröppelt daneben und kann es nicht fassen. Seine versteinerten Gesichtszüge verziehen sich erst zu einem schüchternen Lächeln, als Coach Max Herre Andreas umarmt und ihm etwas ins Ohr flüstert. Als einziger Finalist an diesem Abend wird Andreas nicht gefragt, was das für ihn bedeutet. Vielleicht ist das auch besser so. Die Antwort hätte ProSieben und Sat.1 am Ende nicht gefallen.