Druckartikel: In Giebelstadt sitzt die fränkische Handyspiel-Schmiede

In Giebelstadt sitzt die fränkische Handyspiel-Schmiede


Autor: Matthias Litzlfelder

Giebelstadt, Mittwoch, 08. Oktober 2014

Die Zielgruppe für Handyspiele ist dank Smartphones und Tablets größer geworden, der Markt boomt. Davon profitiert auch die unterfränkische Firma HandyGames aus Giebelstadt. Sie ist seit 1999 im Geschäft und bedient Millionen von Kunden.
Gründer und Geschäftsführer Christopher Kassulke zeigt ein Smartphone mit einem von HandyGames entwickelten Spiel, das zuletzt besonders erfolgreich war. Foto: Matthias Litzlfelder


Die Technik macht es möglich: Wenn die 65 Beschäftigten der Firma Handy Games in Giebelstadt (Landkreis Würzburg) ein Spiel auf den Markt bringen, können es Interessenten überall auf der Welt herunterladen und mit ihren Smartphones oder Tablets ausprobieren. Millionen Menschen machen dies, denn die Downloads im Google-Play-Store oder im App-Store sind in der Regel kostenlos.

"Unsere Spiele werden weltweit genutzt. Es gibt wohl kein Land, wo das nicht so ist - auch im Iran oder auf den polynesischen Inseln", sagt Christopher Kassulke selbstbewusst. Der Geschäftsführer der Firma HandyGames spricht von mehreren hundert Millionen Kunden und davon, bald die Eine-Milliarde-Downloads-Marke zu knacken.

"Wir hoffen, dass wir das im nächsten Jahr erreichen."

Die Masse macht's

Das Geschäftsmodell der unterfränkischen Software-Entwickler funktioniert über die Masse an Kunden. Zunächst können diese die heruntergeladenen Spiele kostenlos spielen. Die Gratis-Games werden allerdings durch Werbung unterbrochen. "Im Unterschied zum Spielfilm im Fernsehen kann man bei uns das Spiel aber mit wenig Geld komplett werbefrei machen", erklärt Kassulke. 1,99 Euro kostet derzeit die werbefreie Spielvariante.
Womit verdient das Unternehmen nun sein Geld? Mit den Kunden, die dafür zahlen, beim Spielen von Werbung verschont zu werden, oder mehr mit der Werbung selbst? Kassulke will dazu nichts sagen. Überhaupt hält sich der Firmengründer sehr bedeckt, wenn es um Zahlen und Marktanteile geht. "Wir gehören zur Weltspitze mit dazu", sagt er nur.

Wenig Chancen mit PC-Spielen

1999 hatte der gebürtige Bamberger, der in zwei Wochen 35 Jahre alt wird, mit seinem Bruder Markus und einem dritten Gesellschafter die Firma gegründet. Damals waren die Handys "noch schwarze Knochen". Schon in Jugendjahren hatten die Kassulke-Brüder PC-Spiele entwickelt. "Wir haben uns das selbst beigebracht. Das ging damals noch recht einfach", erzählt er. Denn Spiele-Entwicklung sei eine Berufung. "Entweder man hat den Drang, etwas Neues zu machen, oder man hat ihn nicht."

Die Idee, sich selbstständig zu machen, kam Christopher Kassulke und seinen Gründerkollegen Ende 1998. Sie analysierten den Markt und kamen schnell zu der Erkenntnis: Bei PC-Spielen wimmelt es von amerikanischen Herstellern, die sich die Entwicklung viel Geld kosten lassen. Kassulke überlegte Alternativen und erinnerte sich an seine langen Zugfahrten als Schüler vom Wohnort Haßfurt zur Wirtschafts- und zur Fachoberschule nach Bamberg. Damals hatte er auf seinem alten Nokia-Handy mit schwarzen Strichen schwarze Punkte gejagt. "Snake" hieß dieses einfache Spiel. Die Technik war ähnlich wie in alten Gameboys, die Qualität schlecht. "Von Technikern gemacht, nicht von Spieleherstellern", sagt Kassulke.

"Ihr habt keine Ahnung"

Zu Beginn hatten die Firmengründer einen Großauftrag des damaligen Handyherstellers Siemens. "Wir sind einfach zu Siemens gegangen und haben gesagt, ihr habt keine Ahnung von Games." Daraufhin legten die Gründer in Haßfurt los, gleich mit 20 bis 30 Mitarbeitern. "Viele davon kannten wir", erzählt Kassulke. Schnell kam ein zusätzlicher Standort in Würzburg dazu. Heute hat HandyGames seine Geschäftstätigkeit südlich von Würzburg gebündelt und sich im Industriepark der ehemaligen Bundeswehrkaserne Giebelstadt angesiedelt. Die Mitarbeiter, die aus ganz Deutschland kommen, schätzen laut Kassulke die Parkmöglichkeit vor dem Firmengebäude.

Spiele für verschiedene Zielgruppen

Inzwischen bringt es Handy Games auf rund 250 Spiele, die am Markt existieren. Fünf bis sechs neue kommen jährlich dazu. "Früher waren es mehr, aber jetzt wollen die Kunden immer mehr Updates." Das Unternehmen spreche dabei verschiedene Zielgruppen an. "Das ist wie beim Fernsehprogramm. Auch da muss für verschiedene Zielgruppen etwas geboten sein", sagt der 34-Jährige. So gebe es bei Handy Games Spiele wie "1941 Frozen Front" für Strategie-Liebhaber ebenso wie Familienspiele wie "Clouds & Sheep". Die Firma sei mitten in der Gesellschaft angekommen und man erreiche gerade "eine richtig gute Boomphase".

Was die Werbekunden angeht, wirbt Kassulke damit, die junge Zielgruppe der 14- bis 24-Jährigen zu erreichen. Mit Erfolg. "Bei uns schalten zum Beispiel Audi oder Allianz Werbeanzeigen", erzählt er. Auch Edeka gehöre regional zu den Werbekunden. Da erscheine dann mitten im Spiel ein Banner mit "Wir lieben Lebensmittel".
Profitabel sei ein Handyspiel erst ab einer Million Downloads. Alles, was darunter liege, rentiert sich laut Kassulke nicht. Schließlich entstehe mit dem bloßen Herunterladen kein Umsatz. Höchstens noch mit zusätzlichen Spielinhalten zur Gratisversion, einem Panzer oder Schäfchen mehr.

Von Finanzinvestoren unabhängig

Innovativ müsse man ständig sein. "Wir arbeiten daran, unsere Spiele auf anderen Plattformen rauszubringen", berichtet der HandyGames-Chef. Die Smartwatch am Handgelenk sei so ein Beispiel.
In ihrer Entscheidung, auf neue Produkte zu setzen, sind die Gründer dabei nach wie vor frei. "Wir haben keinen Finanzinvestor hinter uns", sagt Kassulke. "Wir verstehen unser Business besser als ein Investor."