Frankens Wälder sterben nicht - aber sie leiden
Autor: Günter Flegel
Würzburg, Montag, 26. August 2013
Waldsterben und Ozonloch waren Schlagwörter, die vor 30 Jahren ein neues Bewusstsein für den Naturschutz geschaffen haben. Eine Generation später sind nur die Schlagzeilen kleiner, nicht aber die Probleme. Denn: es gibt kaum noch eine gesunde Eiche.
"Waldsterben": Das war vor einer Generation ein Thema, das so wichtig wurde, dass sogar das Wort aus dem Deutschen in andere Sprachen exportiert wurde. Nur noch fünf bis zehn Jahre gaben Experten dem deutschen Wald Anfang der 1980er Jahre. Das war ebenso übertrieben, wie jetzt die Sorglosigkeit alarmierend ist. Der Wald stirbt nicht, aber es geht ihm alles andere als gut.
Wer im Internet nach dem "Waldschadensbericht" sucht, tut sich schwer. Denn die Schwerpunkte der Forstfachleute haben sich verschoben, seit der drohende "Untergang" der Wälder vor 30 Jahren zu einem weit verzweigten Netz von Kontroll-, Schutz- und Stabilisierungsmaßnahmen geführt hat. Regelmäßig wird im Wald Inventur gemacht, ein Raster von Kontrollpunkten überzieht die Wälder auch in Franken.
Schlechter als vor 30 Jahren
Förster wie Hans Stark, der das Forstamt der Universität Würzburg im unterfränkischen Sailershausen leitet, kennen den Wald inzwischen besser als ihre Westentasche. Und sie beruhigen: "So schnell stirbt der Wald nicht." Diese Weisheit galt schon 1981, als der "Spiegel" die Nation mit der Schlagzeile "Der Wald stirbt" aufschreckte.
Sie gilt auch heute noch, auch wenn vom Waldsterben kaum noch die Rede ist. Kurioserweise. Denn dem deutschen Wald geht es heute schlechter als vor 30 Jahren, allen Beteuerungen der für den Forst zuständigen Minister zum Trotz. Sogar die damalige Landwirtschaftsministerin der Grünen, Renate Künast, jubelte 2003: "Dem Wald geht es wieder besser."
Das war noch vor dem Jahrhundertsommer, der für die Wälder zur Zäsur wurde, aber schon beim Blick in die Statistik aus dem eigenen Hause hätte sich Künast weniger euphorisch ausgedrückt. Denn die turnusmäßige "Waldzustandserhebung" des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz attestiert dem Wald seit Jahren zwar kein Sterben, aber ein Leiden auf anhaltend hohem Niveau.
Die Eiche ist das Sorgenkind
Die Fakten: 1983, auf dem Höhepunkt des "Waldsterbens", waren deutschlandweit 23 Prozent aller Bäume deutlich geschädigt und 44 Prozent der Bäume ohne erkennbare Krankheiten. Bei der letzten Inventur 2012 waren 25 Prozent der Bäume erkennbar leidend - und nur noch 39 Prozent kerngesund.
Dabei unterscheiden sich die Schadensbilder regional und je nach Baumart enorm, und die Ursachen für die Leiden der Bäume sind weitaus komplexer, als die Schlagzeilen vor 30 Jahren nahe legten: Luftverschmutzung = saurer Regen = toter Wald. Das gilt, wenn überhaupt, nur für Nadelbäume wie die Fichten. Beim aktuellen Sorgenkind im deutschen Wald, dem Urbild eines Baumes, kommt vieles zusammen: "In einigen Regionen Frankens findet man kaum noch eine gesunde Eiche", sagt Sven Kaps, der das Forstamt im unterfränkische Ebern leitet. Hitze, Trockenheit, neue und alte Schädlinge setzen der Eiche zu. So schnell stirbt eine Eiche nicht, der Wald in toto gleich gar nicht. Das ist die gute Nachricht. Aber: sie leiden.
Warum geht es dem Wald so schlecht?
Ursachen Auch wenn der Wald nicht stirbt: Es gibt viele Ursachen dafür, warum ein großer Teil der Bäume krank ist.
Klima Gerade auch in den fränkischen Wäldern werden die Folgen der auch vom Menschen mitverursachten Klimaveränderung immer deutlicher. Eine Reihe trockener und heißer Sommer, besonders extrem 2003, setzten vor allem den Eichen und Buchen zu, die bis dato als besonders robust galten.
Bewirtschaftung Der Klimawandel "korrigiert" auch die Fehler bei der Waldbewirtschaftung. In der Vergangenheit wurden an teils ungeeigneten Stellen (Bayerischer Wald) Fichten-Monokulturen angelegt, die schnellen Zuwachs und sichere Gewinne versprachen. Trockenheit, Hitze und in der Folge Schädlinge wie der Borkenkäfer, schließlich auch noch Orkane wie "Wiebke" haben für einen Kahlschlag gesorgt.