Es geht aber nicht nur ums Trinken, sondern auch um die Landschaft, ums Leben in Franken an sich.
Natürlich. Meine heimliche Lieblingsstrophe ist die vom alten Häcker, der im Wengert aufm Bänkle sitzt, seinem Herrgott dankt und aufs Leben zurückblickt. Die ist schnulzig, aber das gefällt mir und es berührt mich.
Volksmusik steht auch bei der jungen Generation wieder hoch im Kurs. Warum?
Die Welt wird immer globalisierter. Da ist es schön, sich an etwas wie "Heimat" orientieren zu können. Handgemachte Musik, am besten live, reißt viele Menschen mit, auch junge. Die aktuelle Vielfalt ist faszinierend: traditionelle Volksmusikelemente kombiniert mit Beats, mit Rap, mit Balkanmusik, mit Jazz und vielem mehr. Das ist schon toll! Der Begriff "TradiMix" hat sich hier etabliert.
Für Sie ist Volksmusik also etwas, das sich stetig verändert und weiter entwickelt?
Genau so ist es. Volksmusik ist für weite Teile der Bevölkerung das, was Hansi Hinterseer oder Stefanie Hertel machen, was im "Frühlingsfest der Volksmusik" läuft oder viele Jahre im "Musikantenstadl" zu hören war. Ich differenziere und spreche auf der einen Seite von kommerzieller Volksmusik, volkstümlicher Unterhaltungsmusik oder auch von volkstümlichem Schlager. Und auf der anderen Seite von traditioneller Volksmusik. Manche nennen das auch "echte Volksmusik", wobei ich mit dem Begriff "echt" so meine Probleme habe: Wer darf festlegen, was echt ist und was nicht? Die selbsternannte Volksmusik-Polizei? (grinst)
Wie beurteilen Sie die Kommerzialisierung der Volksmusik?
Ich persönlich werte nicht zwischen kommerzieller und traditioneller Volksmusik. Beide haben ihre Berechtigung. Kommerzielle Volksmusik begeistert sehr viele Menschen. Die Macher verdienen zum Teil sehr viel Geld. Das ist okay! Dagegen kommt die "traditionelle Volksmusik" - oder sagen wir besser: die nicht komplett durch-kommerzialisierte Volksmusik - oft authentischer und uriger rüber. Live gespielt, beim Hüttenabend, im Weinkeller oder beim Wirtshaus-Singen, erreicht sie auch junge Leute, die sonst mit Volksmusik nichts am Hut haben.
Also alles super in Sachen Volksmusik?
Naja, wenn auf einem fränkischen Wein- oder Bierfest eine fränkische Kapelle Pseudo-Boarisch singt, finde ich das zum Davonlaufen. Es heißt bei uns Bubn oder Börschli, Börschlich oder Börschla, aber nicht Buam. Und ich mag keine Stimmungskapellen, die fast nur Playbacks abspielen.
Warum ist Volksmusik besonders in Bayern so verwurzelt?
Die Volksmusikpflege in Bayern ist insgesamt vorbildlich! Da engagieren sich der Bayerische Landesverein für Heimatpflege mit hauptberuflichen Volksmusikberatern, die Volksmusik-Forschungsstellen, der Bayerische Rundfunk und hier bei uns die Arbeitsgemeinschaft Fränkische Volksmusik. Diese ARGE ist eine segensreiche Einrichtung, begeht aber meines Erachtens einen grundlegenden Fehler: Sie fordert strikt bei allen ihren Veranstaltungen, dass nur "GEMA-freie Musik" gespielt werden darf.
Was ist GEMA-freie Musik?
Die GEMA ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und Vervielfältigungsrechte. Sie vertritt die Rechte der Komponisten. Erst 70 Jahre nach deren Tod dürfen die Werke kostenfrei gespielt werden. In Deutschland sind über 70.000 Komponisten und Texter in der GEMA. Praktisch alle relevanten Werke sind enthalten. GEMA-frei sind sehr alte, überlieferte Volkslieder. "Schmied, Schmied, Hammerschmied" oder "Jetzt spann ich die Rössla vor die Kutschn" locken meiner Meinung nach aber keine neuen Interessenten und schon gar keine jungen Musikanten.
Aber sie kosten keine Aufführungsgebühr.
Ich habe bei einer Versammlung mal den Satz gehört: "Wer mit Volksmusik Geld verdient, der is' a Sau!" Das ist uraltes Denken. Tolle fränkische Bands wie Gankino Circus, Häisd'n'däisd vom Mee oder Boxgalopp mit dem Bamberger David Saam machen originelle, neue Musik. Ohne GEMA wäre es ihnen unmöglich, an die angemessene Vergütung für die Nutzung ihrer Werke zu kommen, die ihnen das Urheberrechtsgesetz garantiert.
Sie selbst sind als Komponist und Texter auch GEMA-Mitglied. Was muss jemand zahlen, der "Schütt de Brüh noo" öffentlich aufführen will?
Der GEMA-Tarif richtet sich nach Faktoren wie der Höhe des Eintrittsgeldes und der Größe des Raumes und umfasst immer die komplette Veranstaltung. In einer Kneipe bis 100 Quadratmeter Fläche und bis zwei Euro Eintritt wird die GEMA-Mindestvergütung von 24,10 Euro fällig. Ist die Kneipe doppelt so groß, sind es 48,20 Euro. Bei einem Konzert sind es 5,75 Prozent des Karten-Nettoumsatzes. Ist der Veranstalter Mitglied in einem Verband, der einen Gesamtvertrag mit der GEMA hat, bekommt er 20 Prozent Nachlass. Die Blasmusikverbände etwa haben Pauschalverträge mit der GEMA und die Musikvereine müssen für Einzelveranstaltungen nichts extra zahlen. Grundsätzlich gilt: Wenn Musik den Umsatz ankurbelt, müssen die Komponisten und Texter ihren Anteil bekommen, die "angemessene Vergütung". Wenn im Wirtshaus eine Runde Sangesfreudiger spontan aus Spaß an der Freud schmettert ("zum eigenen Werkgenuss"), dann kostet das nix.
Zur Person: Prof. Kilian Moritz, LL.M. (Master of Laws), gebürtiger Rhöner, war Redakteur und Radiomoderator beim Bayerischen Rundfunk und Fernseh-Musikchef beim Hessischen Rundfunk. Seit 2012 hat er eine Professur für Journalismus und Medien an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt. Der 54-Jährige wohnt mit seiner Frau und den drei Kindern in Theilheim bei Würzburg.