Fortschritt an Uni Würzburg: Entschlüsselung antiker Schriftrollen durch KI
Autor: Redaktion
Würzburg, Montag, 19. Mai 2025
Zwei Informatikstudenten der Julius-Maximilians-Universität Würzburg haben einen bedeutenden Fortschritt bei der Entzifferung antiker Schriftrollen aus Herculaneum erzielt.
"Über die Laster" lautet sowohl der Titel eines Werkes des griechischen Philosophen Philodemus als auch der Titel einer mehr als 2000 Jahre alten verkohlten Schriftrolle aus Herculaneum. Diesen bedeutenden Fund konnten Marcel Roth und Micha Nowak jetzt nachweisen. Die beiden Studenten der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) haben als Erste überhaupt den "First Title"-Preis der Vesuvius Challenge gewonnen.
"Wir sind stolz darauf, eine Schlüsselrolle bei der Enthüllung des ersten Titels aus den gescannten Schriftrollen von Herculaneum gespielt zu haben", sagen die beiden im Interview. Micha Nowak hat an der Universität Würzburg Informatik auf Bachelor studiert und anschließend den Master "Artificial Intelligence & XR" absolviert. Seit seinem Abschluss Ende 2024 arbeitet er nun für Gray Swan AI, ein Unternehmen für KI-Sicherheit in den USA. Marcel Roth wird in wenigen Wochen seinen Master in Informatik mit dem Schwerpunkt Maschinelles Lernen abschließen.
Eine Rundmail gab den Anstoß
Was treibt zwei Informatikstudenten an, sich mit verkohlten antiken Schriftrollen zu beschäftigen? "Eine Rundmail von Dr. Kilian Fleischer über den Wettbewerb 2023 war der Auslöser", erklärt Marcel Roth. "Wir waren nach nur einer Woche völlig fasziniert und haben die nächsten zwei Monate pausenlos daran gearbeitet", ergänzt Micha Nowak.
Kilian Fleischer ist Klassischer Philologe/Papyrologe und arbeitet mittlerweile an der Universität Tübingen. Zuvor hatte er an der JMU das DFG-Forschungsprojekt "Philodems Geschichte der Akademie" geleitet, in dessen Mittelpunkt die Schriftrollen aus Herculaneum standen. "Ich habe die beiden Studenten gelegentlich papyrologisch beraten und motiviert", erinnert er sich. "Das komplexe mathematische IT-Problem haben sie im Rahmen der Vesuvius Challenge aber selbständig gelöst", so Fleischer, der in Tübingen auch ein Projekt zur Bildgebung der Rollen und zum Virtual Unrolling leitet.
Schrittweise zum Durchbruch
Ursprünglich hatten Micha Nowak und Marcel Roth den mit 850.000 Dollar dotierten "Grand Prize 2023" im Visier, bei dem es galt, vier Passagen in den Schriftrollen zu entziffern. Knapp eine Woche vor der Deadline sicherten sie sich für ihren vielversprechenden Ansatz einen der fünf "Progress Prizes". Als dann später Preise für die ersten Titel ausgeschrieben wurden, nutzten die beiden ihre gewonnene Expertise: "Wir hatten inzwischen reichlich Erfahrung darin, die Tinte in den Scans der Schriftrollen zu identifizieren", erklärt Marcel Roth.
"Graues Flimmern vor schwarzem Hintergrund": So würde ein Laie vermutlich den Scan einer Schriftrolle aus dem Computer-Tomographen beschreiben. Den beiden Forschern gelingt mit geschultem Blick, was Laien verborgen bleibt: die Unterscheidung zwischen Papyrus und Tinte im verkohlten Material – trotz erheblicher Unsicherheiten. Auf dieser Grundlage trainierten Roth und Nowak ein eigenes KI-Modell, das in ähnlicher Form bei der Interpretation medizinischer Röntgenbilder eingesetzt wird.
Intensive Trainingsrunden für die KI
Nach akribischer Annotation der Tintenspuren von Hand konnte ihr Modell nach mehreren Trainingszyklen Tinte selbst dort identifizieren, wo das menschliche Auge scheitert. Der Fortschritt der von ihnen entwickelten Methodik in Kombination mit zunehmend besseren Scans verbesserte die Tintenerkennung erheblich.