Billiges Öl: Bofinger hebt den Zeigefinger
Autor: Günter Flegel
Würzburg, Freitag, 16. Januar 2015
Das billige Öl heizt die Ökonomie an. Für den Würzburger Wirtschaftsweisen Peter Bofinger hängt der Aufschwung aber am seidenen Faden. Der Professor fürchtet Risiken und Nebenwirkungen.
Die Schwarze Null und das Schwarze Gold: Zu diesen beiden Schlagwörtern vertritt der Würzburger Wirtschaftsprofessor Peter Bofinger Ansichten, mit denen er sowohl bei seinen Kollegen als auch bei der Politik immer wieder aneckt. Mit Absicht. Bofinger gehört dem Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Beurteilung der Konjunkturaussichten an. Er ist einer der fünf "Wirtschaftsweisen".
Als solcher spart er nicht mit Kritik: Bofinger hält anders als viele andere Ökonomen nichts von übergroßer staatlicher Sparsamkeit. Bofinger war einer der wenigen deutschen Ökonomen, die sich gegen die Kernforderungen der Agenda 2010 und die Hartz-Reformen ausgesprochen haben, da er hierdurch eine weitere Schwächung der Binnennachfrage sah.
Falsch finanziert
Bofinger vertritt den Standpunkt, dass der Staat in Deutschland seine Sozialsysteme zu wenig über Steuern, sondern zu sehr über die Lohnnebenkosten (Sozialabgaben) finanziere, womit sich der Produktionsfaktor Arbeit verteuere. Laut Bofinger ist die hohe Abgabenbelastung ein Grund für die hohe Arbeitslosigkeit von gering Qualifizierten.
Auch die "Schwarze Null", für die sich die große Koalition mit ihrem Finanzminister Schäuble (CDU) feiern lässt, ist für den Würzburger Wirtschaftsweisen eine Nullnummer: Gespart werde vornehmlich durch die Streichung von Investitionen; fehlende Investitionen der öffentlichen Hand, so die Logik des Wirtschaftsweisen, würgen die Konjunktur im Binnenmarkt ab, am Ende haben die Arbeitnehmer weniger Geld (zum Ausgeben) in der Tasche und der Staat weniger Steuern im Säckel. Die Sparschraube wird angezogen.
Die Folgen zeigen sich laut Bofinger schon jetzt: "Die Investitionstätigkeit der deutschen Wirtschaft ist so gering wie noch nie, ausgerechnet jetzt, im großen Zinstief", sagte der Professor am Freitag vor Wirtschaftsvertretern in Würzburg. Er mahnte mehr Mut und Innovation an: "Machen Sie es nicht wie die schwäbische Hausfrau." Bei Nullzinsen lohne sich das Sparen nicht, umgekehrt seien Kredite günstig wie selten zuvor.
Konjunktur wie geschmiert
Aktuell allerdings ist Bofinger weniger Kassandra als eher zuversichtlich gestimmt: Die Abwertung des Euro und die sinkenden Ölpreise hält er für ein durchaus wirksames "Konjunkturpaket". Der schwache Euro ist gut für die deutsche Wirtschaft, die bei lahmender Nachfrage im eigenen Land vor allem am Export gut verdient.
Und der fallende Ölpreis tut nach Bofingers Ansicht zumindest vorübergehend das, was die Bundesregierung versäumt: Er kurbelt die private Nachfrage an, weil die Bundesbürger weniger Geld für Kraftstoffe und Heizung ausgeben müssen. "2014 war ein gutes Wirtschaftsjahr, und 2015 kann unter diesen Vorzeichen sogar noch besser werden", meint der Professor an der Julius-Maximilian-Universität am Main.
Doch Bofinger wäre nicht Bofinger, gäbe es bei so viel Zuversicht nicht auch ein Aber: Der fallende Preis für das "Schwarze Gold" trifft mit Russland einen der wichtigsten Handelspartner der Europäischen Union, allen voran Deutschlands; Öl und Gas sind für Putins Riesenreich die bedeutendsten Handelsgüter und eine sichere Devisenquelle. Durch die Sanktionen wegen der Ukraine-Krise ist die russische Wirtschaft ohnehin schon in eine bedenkliche Schieflage geraten, und die deutsche Wirtschaft beklagt die ausbleibenden Aufträge aus Russland.
Risiko Rußland und China
Der fallende Ölpreis entzieht der russischen Konjunktur weiteren Boden. Bofinger befürchtet eine gefährliche Abwärtsspirale: Das aktuell größte Risiko für die Konjunktur in Europa sei eine "unkontrollierte wirtschaftliche Implosion Russlands. Sie würde zu einer gefährlichen politischen Instabilität des Landes führen, die sich sehr nachteilig auf die Investitionstätigkeit in Deutschland und in Europa auswirken könnte", sagt der Fachmann.
Als weitere Unsicherheitsfaktoren nennt er den möglichen Euro-Austritt Griechenlands und damit eine Destabilisierung des Euro-Raumes; mehr Fragezeichen als Klarheit sieht Bofinger auch bei der Entwicklung in China, einem weiteren wichtigen europäischen Handelspartner. "Das Land tut sich sehr schwer, nach den Boomjahren ein neues Wachstumsmodell zu finden."