Sektenähnlich und mit kollektiver Psychose: AfD-Aussteigerin hält Partei für "unwiderruflich verloren"
Autor: Benjamin Stahl
Schweinfurt, Dienstag, 25. Sept. 2018
Während sich in der Ufra-Messehalle in Schweinfurt die Unterstützer der AfD trafen, sprach nur 2000 Meter weiter Franziska Schreiber ihren ehemaligen Parteikollegen ein vernichtendes Urteil aus.
Franziska Schreiber trat 2013 in die AfD ein. Die Dresdnerin war damals 23 Jahre alt und die AfD unter dem wirtschaftsliberalen Hochschulprofessor Bernd Lucke noch eine europakritische Gruppierung; fünf Jahre später geben in der AfD völkische Nationalisten den Ton an. So sieht es jedenfalls Schreiber, die einst Vorsitzende der Jungen Alternative in Sachsen und im Bundesvorstand des AfD-Nachwuchses war und kurz vor der Bundestagswahl 2017 der AfD wegen der innerparteilichen Entwicklung den Rücken kehrte. Nun gewährte sie in Schweinfurt Einblicke in das Innenleben der AfD, die aus ihrer Sicht "unwiderruflich verloren" ist.
Rund 70 Interessierte folgten der Einladung des Bündnisses "Schweinfurt ist bunt" ins Pfarrzentrum St. Kilian, wo Schreiber aus ihrem Enthüllungsbuch "Inside AfD" las. Ihre ehemaligen Parteifreunde trafen sich zeitgleich keine 2000 Meter entfernt. In der Ufra-Messehalle fand eine Wahlkampfveranstaltung der Unterfranken-AfD mit Jörg Meuthen statt.
Der Einfluss der Höcke-Getreuen
Über zwei Stunden warteten die rund 200 Besucher im Festzelt auf den Co-Parteichef. Bevor Meuthen ans Mikrofon trat, durften erst Kandidaten aus der Region, der bayerische AfD-Chef Martin Sichert sowie Andreas Kalbitz, Fraktionsvorsitzender in Brandenburg, Reden halten. Letzterer wurde von zwei jungen Frauen unterbrochen, die "Nazis raus" riefen. Ein Ordner brachte die beiden aus dem Zelt, wütende Pfiffe und "Verpisst euch"-Rufe begleiteten sie.
Mit ihrem Enthüllungsbuch zur AfD will Schreiber aufwecken.
Nein, als "Nazis" wollen AfDler auf keinen Fall bezeichnet werden. In seiner Partei seien keine Nazis, sollte Meuthen später sagen. Für Schreiber besteht die AfD dagegen "zu 15 Prozent aus Neonazis, 20 Prozent Nationalromantischen mit Kaiserreichsaffinität und 15 Prozent Mitläufern". Dem stehe ein zerstrittenes gemäßigtes Lager gegenüber. Der rechtsnationale Flügel um Björn Höcke, den Schreiber als "überzeugten Nationalsozialisten" bezeichnet, stelle "in absoluten Zahlen den stärksten zusammenhängenden Teil der Anhängerschaft". Mit entsprechend großem Einfluss: "Wer in der AfD was werden will, braucht den Segen von Höcke."
Meuthen schimpft auf Markus Söder
Im Gegensatz zu Höcke sei Meuthen "kein Überzeugungstäter", so Schreiber. "Die Partei ersetzt seinen Hörsaal." Der Professor wolle, dass man ihm applaudiert. Bei ihm habe sie "immer das Gefühl gehabt", er erkundige sich ständig, "wie er sprechen muss, damit ihn alle gern haben. Leider hat er es jetzt herausgefunden."
"Wir brauchen eine Festung Europa", rief Meuthen einen Katzensprung entfernt ins Mikrofon. Aufbrandender Applaus. Und er teilte gegen alle etablierten Parteien aus. Merkel habe das Land verraten, die SPD sei nur am Machterhalt interessiert. "Ein Intelligenzquotient von 150 ist eine super Sache, nur blöd wenn ihn sich eine ganze Partei teilen muss", polterte Meuthen über die Grünen. Die Grenzpolitik der CSU kritisierte er scharf und heizte damit die Stimmung auf. "Blöd, blöder, Söder", schimpfte Meuthen und sorgte so für "AfD"-Sprechchöre.