Schweinfurt hat seine Vorzeigeposition bei den Corona-Zahlen längst verloren. Die Inzidenzen explodieren. Innerhalb der letzten 30 Tage stieg die Inzidenz in Schweinfurt von 11,2 auf 189. Wie kam es dazu?
Vor knapp einem Monat konnte ganz Franken über Schweinfurt staunen. Während die Infektionszahlen anderorts explodierten, konnte Schweinfurt im vergangenen Monat teilweise einstellige Inzidenzwerte aufweisen. Vom 10.02. bis zum 04.03. lag Schweinfurts Inzidenz unter 35, und war für eine kurze Zeit auch die sicherste Region in Deutschland. Doch nun sieht das Ganze anders aus: Die Inzidenz in der Stadt Schweinfurt liegt aktuell bei 189 (23.03.21 00.00 Uhr) und die Notbremse musste gezogen werden. Das bedeutet: Ausgangssperre, Schließungen und Kontaktbeschränkungen.
Noch vor wenigen Wochen hätte man sich diese Entwicklung wohl nicht vorstellen können. Schweinfurt wirkt wie der Klassenbeste, der in der Pubertät abgestürzt ist. Wie konnte das passieren?
Mangelhafte Kontaktnachverfolgung und Fahrlässigkeit
Mangelhafte Kontaktnachverfolgung und Verantwortungsbewusstsein könnten eine Antwort auf das Rätsel bieten. So erwähnt Schweinfurts Ordnungsreferent, Jan von Lackum, gegenüber dem Bayerischen Rundfunk (BR), dass es weder zu Ausbrüchen in Pflegeheimen gekommen sei, noch dass irgendwelche Hotspots benannt werden können. Er sieht die fehlerhafte Kontaktnachverfolgung als eine mögliche Ursache an. Wenn die Bürger ihre Kontakte nicht kennen, sich nicht an diese erinnern oder eine Begegnung sogar komplett verschweigen, dann können Infektionsketten nicht nachvollzogen werden.
Um dieses Problem zu lösen, könnten Kontaktnachverfolgungsapps zum Einsatz kommen. Dem BR zufolge werden Anwendungen wie Luca oder regy.me in Betracht gezogen. Auch hier räumt von Lackum allerdings ein, dass die Apps genutzt werden müssen, um einen Effekt zu zeigen.
Eine mögliche Erklärung könnte eine Art pandemischer Jojo-Effekt sein. Nachdem es Schweinfurt durch strikte Maßnahmen gelungen war, die Inzidenz für eine lange Zeit flach zu halten, sind die Bürgerinnen und Bürger der Stadt womöglich fahrlässig geworden. Die unvorsichtige, vermehrte Kontaktaufnahme, in der Annahme, dass durch die geringe Inzidenz sowieso nichts passieren könne, könnte zu einem raschen Anstieg der Infektionszahlen geführt haben.
Stadt und Landkreis Schweinfurt im Vergleich
Somit könnte auch erklärt werden, weshalb der Landkreis Schweinfurt verhältnismäßig geringe Inzidenzen aufweist. Seit dem 03.02. hat die Inzidenz im Landkreis Schweinfurt die 70 nicht mehr überschritten - ist allerdings auch nie unter 19 gerutscht. Womöglich führte das zu einer vorsichtigeren Handhabung der Pandemie durch die Bevölkerung.
Es stellt sich nun die Frage, wie Schweinfurt es überhaupt geschafft hat, so geringe Inzidenzwerte zu erzeugen. Wie der BR im Februar berichtete, verfügte die Stadt damals noch über eine gesicherte Kontaktnachverfolgung. Es wurden sogar zusätzliche Mitarbeiter eingestellt. Außerdem wurden damals Engpässe bei der Kontaktnachverfolgung ausgeschlossen. Es liegt also nahe zu vermuten, dass die mangelnde Kontaktnachverfolgung tatsächlich vonseiten der Bürgerinnen und Bürger und nicht des Gesundheitsamts ausgeht.