Schaeffler streicht "nur" 400 Stellen in Schweinfurt
Autor: Günter Flegel
Schweinfurt, Mittwoch, 16. Oktober 2013
Beim Schweinfurter Ableger des Schaeffler-Konzerns FAG ist die schlechte Nachricht eine gute: Zeitweise standen bis zu 1000 Arbeitsplätze auf der Kippe, jetzt werden doch nur 400 Stellen gestrichen. "Ein Erfolg", sagt die IG Metall.
Geißinger weg, Einigung da? Nein, es ist nur ein zufälliges Zusammentreffen, dass der Abgang des Schaeffler-Chefs und der Abschluss einer Betriebsvereinbarung bei FAG in Schweinfurt so
dicht aufeinander folgen. In jedem Fall trägt der Sparkurs beim unterfränkischen Kugellagerhersteller eine mittelfränkische Handschrift.
400 der knapp 6000 Arbeitsplätze werden bei FAG wegfallen. Die Konzernmutter in Herzogenaurach hat entschieden, dass die Produktion der Radlager aus Schweinfurt in osteuropäische Werke verlagert wird. "In Deutschland ist die Fertigung zu teuer, wir schreiben seit Jahren rote Zahlen", sagt ein Sprecher von Schaeffler.
Nun ist man in Schweinfurt seit dem Ende der Ära "Kufi" (Kugelfischer) und der feindlichen Übernahme durch Schaeffler 2001 Kummer gewöhnt, man weiß sich inzwischen aber auch zu wehren. Wenn Schaeffler große Geschütze auffährt, wie Anfang des Jahres geschehen, als die Streichung von bis zu 1000 Arbeitsplätzen im Raum stand, kontert der Betriebsrat: kein Kahlschlag, sonst mobilisieren die Arbeitnehmervertreter die ganze Region. So verhinderten die FAGler 2004 die in Herzogenaurach beschlossene Schließung des Werkes in Eltmann (Landkreis Haßberge).
Hinter verschlossenen Türen
Zum "Straßenkampf" ist es diesmal nicht gekommen. Die Unternehmensleitung und der Betriebsrat haben sich erstaunlich unaufgeregt und hinter verschlossenen Türen auf einen Weg geeinigt, der beiden Seiten das Gesicht wahrt. Dass der Betriebsrat die Streichung von 400 Stellen als Erfolg ausgibt, mag erstaunen. Es ist besser als 1000 oder, wie zuletzt angekündigt, 576 Arbeitsplätze. Außerdem wird der Stellenabau zeitlich gestreckt, bis Ende 2016.
Der entscheidende Erfolg ist für den Betriebsratsvorsitzenden Norbert Lenhard aber, dass Schaeffler nicht die gesamte Automotive-Sparte aus Schweinfurt abzieht, sondern nur die Radlager-Fertigung. "Damit ist bei dem Kostendruck der Branche einfach kein Geschäft mehr zu machen", gibt Lenhard zu, dass die von Schaeffler vorgelegten Zahlen richtig sind. "Wir haben das prüfen lassen. In der Tat sind die Produktionskosten bei weitem zu hoch."
Fast unisono klingt es aus dem Mund des Schweinfurter IG Metall-Chefs Peter Kippes und von Wolfgang Dangel, Mitglied des Vorstands der Schaeffler AG für die Automitive-Sparte.
Schaeffler bietet den FAGlern, denen in Schweinfurt die Arbeit ausgeht, Stellen in anderen Werken des Konzerns an, Schulungen , Abfindungen und Altersteilzeitplätze. "Wenn das alles so funktioniert, muss kein einziger Mitarbeiter entlassen werden", sagt Lenhard. "Sozial verträglich" nennt Dangel diesen Kompromiss, und Kippes spricht von einem "fairen Interessensausgleich", der die Arbeitsplätze bei FAG in Schweinfurt sicherer mache.
Ein neues Produkt bei FAG
Das werden zwar nie wieder 30.000 sein wie zu den Blütezeiten des Wälzlagergiganten, aber in von Krisen wiederholt gebeutelten Schweinfurt ist man für jeden Arbeitsplatz dankbar.
Zumal Schaeffler verspricht, den Automotive-Zug seiner unterfränkischen Tochter mit neuen Produkten zu tunen. Dadurch würden kurzfristig 85 neue Stellen geschaffen. Das Produkt, das Schaeffler in Schweinfurt bauen lassen will, hat den passenden Namen: ein Wankstabilisator für Autos.