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Gibt es eine Alternative zur Stromtrasse?


Autor: Günter Flegel

Schweinfurt, Mittwoch, 19. März 2014

München und Berlin zanken wegen neuer Leitungen, die in Franken keiner haben will. Ein Vorschlag lautet: Neue Kraftwerke braucht das Land. Aber die sind auch nicht gerade beliebt. Warum also nicht nutzen, was schon steht, zum Beispiel das Gemeinschaftskraftwerk in Schweinfurt?
Leuchtendes Vorbild: Das GKS im Schweinfurter Hafen erzeugt Wärme und Strom - dezentral, hocheffizient und unter kommunaler Regie. Als Lückenbüßer der Energiewende ist es aber wohl zu klein. Foto: GKS


"Wenn das so weiter geht, kann kann man die ganze Energiewende gleich in die Mülltonne werfen." Die Aufregung im Land ist groß, nicht nur bei Hans-Josef Fell in Hammelburg. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen war einer der Väter der Energiewende und sieht das Kind angesichts des Streits um Stromtrassen und Windräder fast schon in den Brunnen gefallen.

Pro und contra Stromtrassen

Energiewende in der Mülltonne? Könnte sogar funktionieren! Seit Horst Seehofer (CSU) vehement die von ihm einst vehement geforderten Stromtrassen bekämpft, brennt die Frage auf den Nägeln, woher in Bayern nach der Abschaltung des Kernkraftwerks in Grafenrheinfeld der Strom kommen soll. Keine Leitungen durch Ober-, Mittel- und Unterfranken, stattdessen mindestens ein neues Gaskraftwerk als Reserve, schlägt der Ministerpräsident vor.

Dieser bayerische Weg bei der Energiewende war erst am Dienstagabend wieder Thema beim GroKo-Gipfel in Berlin. Konkrete Ergebnisse hat es offenbar nicht gegeben, und Seehofers vorauseilender Ankündigung wurde auch nicht widersprochen: Die neuen Stromtrassen würden nicht gebaut, weil Bayern sie nicht braucht.
Wer will aber das Gaskraftwerk, das Bayern stattdessen haben möchte? In Schweinfurt formiert sich auch dagegen Widerstand, obwohl der Stadtrat erst 2013 ein Grundstück dafür reserviert und bereits einen möglichen Investor an der Angel hat.

Volllast statt Reserve?

Bei einem Reservekraftwerk geht Schweinfurt aber nur von wenigen Betriebsstunden im Jahr aus. Setzt sich aber Seehofer durch und landen die Pläne für die großen Stromleitungen von Nord nach Süd im Papierkorb, dann würde aus der Reserve ein rund um die Uhr laufendes Kraftwerk. Die Belastungen mit Abgasen, die wachsende Abhängigkeit von (russischem) Erdgas und die fragwürdige Ökobilanz wegen der nutzlos verpuffenden Abwärme sind nicht nur dem Sprecher der SPD-Fraktion im Schweinfurter Stadtrat, Herbert Wiener, ein Dorn im Auge.

Wiener hat ein anderes Kraftwerk im Auge, das seit 20 Jahren Jahren umsetzt, was die Väter der Energiewende-Wende jetzt mühsam neu erfinden wollen: dezentrale Versorgung in regionalen Händen mit hohem Wirkungsgrad durch Kraft-Wärme-Kopplung. Diese "Wundertüte" heißt GKS (Gemeinschaftskraftwerk Schweinfurt), steht am Main und erzeugt seit 1990 aus Kohle und seit 1994 auch aus dem unterfränkischen Müll Wärme und Strom für die Industriebetriebe der Stadt.

Nur ein kleiner Fisch

Wiener will prüfen lassen, ob das GKS als Lückenfüller der Energiewende in Frage kommt. Was sagen die Experten dazu? "Theoretisch ja", meint Otmar Walter, der Leiter der Müllverbrennung im GKS. Allerdings sei die Anlage im Hafen bei der Stromerzeugung aus Kohle und Müll mit maximal 29 Megawatt (MW), im Sommer sogar noch viel weniger, weil dann die Kohlekessel kalt bleiben, ein kleiner Fisch. Vergleich: Der Atommeiler in Grafenrheinfeld hat eine Leistung von 1300 MW!

"Bei uns steht die Wärmeerzeugung im Vordergrund, Strom ist quasi nur ein Abfallprodukt", sagt Walter. Als verlässliche Reserve im Stromnetz stünden allenfalls die Dieselmotoren zur Verfügung, die im GKS als Notstromaggregate dienen. Mit zweimal acht MW haben die laut Walter aber höchstens das Zeug, kurzzeitig lokale Stromlöcher zu stopfen, selbst wenn sie durch leistungsfähigere Gasturbinen ersetzt würden. Seehofer muss wohl weiter suchen, wo der Strom für Bayern abfällt ...

Das Konzept

Das Gemeinschaftskraftwerk Schweinfurt (GKS) wurde 1990 bis 1994 von den Kommunen der Region und den Schweinfurter Industriebetrieben, die eigene alte Kraftwerke stilllegten, realisiert. Das GKS produziert aus der Verbrennung von Kohle und Müll Fernwärme und Strom.

Die wichtigsten Daten

Im GKS werden jedes Jahr 175.000 Tonnen Müll und 40.000 Tonnen Steinkohle verheizt. Die beiden Kohlekessel haben eine Leistung von 63 Megawatt (MW), in den drei Müllheizstraßen sind es jeweils 21 Megawatt. Dazu kommt ein Spitzenlastheizwerk für Erdöl/ Erdgas mit 21 und 50 MW.