Geht der Windkraft in Franken jetzt die Puste aus?

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Symbolbild: Archiv
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Beim Koalitionspoker in Berlin hat sich die CSU durchgesetzt: Große Windräder müssen künftig zwei Kilometer Abstand zu den Wohngebieten haben. Damit stehen in Franken faktisch fast keine Flächen mehr für solche Kraftwerke zur Verfügung.

Wird die Windkraft auf dem Altar der großen Koalition geopfert? Es sieht ganz so aus, und das Messer setzt ausgerechnet die SPD mit an, die in der rot-grünen Regierungszeit die Energiewende auf den Weg gebracht hat. Jetzt duckt sich die SPD vor dem Gegenwind, der vor allem aus Bayern bläst.

Das wahrscheinliche Ende des Windenergie-Booms im Freistaat besiegelt ein Halbsatz im Protokoll aus der Arbeitsgemeinschaft Energie bei den Koalitionsverhandlungen. Laut dem Papier, das unserer Redaktion vorliegt, haben sich CDU/CSU und SPD auf eine "Öffnungsklausel" im Baugesetz geeinigt. Die erlaubt es den Bundesländern, die Abstände von Windrädern zur Wohnbebauung individuell festzulegen.

2000 statt 800 Meter

Das ist eine Forderung aus Bayern. CSU-Chef Horst Seehofer hatte mit dem Argument "keine Verspargelung unserer Landschaft" im Wahlkampf bei den Windkraftskeptikern gepunktet. Seehofer will, dass die heute geltende 800-Meter-Regel gekippt wird. Windräder sollen einen Abstand zu Wohngebieten haben, der ihrer Gesamthöhe mal zehn entspricht (10H-Regelung). Das wären bei großen Windkraftanlagen 2000 Meter. Die meisten Windräder, die in Franken schon stehen, hätten nach der 10H-Regel gar nicht gebaut werden dürfen.

"Die größten Potenziale"

Was das heißt, zeigt sich im Landkreis Schweinfurt, der mit großen Lorbeeren der damaligen Umwelt-Staatssekretärin Melanie Huml (CSU) aus Bamberg zu einem der vier "Windstützpunkte" in Bayern ernannt wurde: "Die Windkraft hat in Bayern die größten Potenziale", sagte Huml - damals. Heute: "Die 10H-Regel hätte für den Landkreis weitreichende Folgen", sagt der Landrat Florian Töpper, der in Sachen Energiewende derzeit aber auf seine eigene Partei, die SPD, gar nicht gut zu sprechen ist.

Nach der aktuellen Rechtslage gibt es im Landkreis Schweinfurt 25 Flächen für Windräder. Bei zwei Kilometern Mindestabstand zu den nächsten Wohnhäusern bleiben wohl nur noch drei übrig; es sei denn, der Freistaat lässt im Gegenzug andere Tabus fallen und lockert die Bestimmungen für den Bau von Windrädern in Landschaftsschutzgebieten und Wäldern.

Nur noch ein Windrad von 19

Wie tiefgreifend die 10H-Regelung wirkt, zeigen weitere Beispiele: Von den 19 Windrädern, die im Kreis Schweinfurt schon laufen oder gerade im Bau sind, dürfte nach der 10H-Regel nur ein einziges stehen. Der Regionalplan für die Region Oberfranken-West sieht in den Landkreisen Bamberg, Coburg, Lichtenfels, Kronach und Forchheim fast 60 Flächen für Windkraftwerke vor. Nur ein halbes Dutzend hält mehr als 2000 Meter Abstand zur Wohnbebauung.

Auch hier herrscht also künftig Flaute bei der Windkraft, gelinde ausgedrückt. Klarer sind die Worte von Landrat Rudolf Handwerker im unterfränkischen Landkreis Haßberge. Der CSU-Mann erkannte schnell das Potenzial der Energiewende für die regionale Wertschöpfung. Unter seiner Federführung stampfte der Landkreis eine eigene Gesellschaft aus dem Boden, die unter anderem einen Windpark errichten will.

Hier wähnte man sich mit knapp 1000 Metern Abstand zum nächsten Haus sicher, auch gegen den Widerstand einer Bürgerinitiative. Jetzt? "Wenn diese Regelung kommt, können wir die Windkraft im Landkreis Haßberge komplett vergessen", fürchtet Handwerker.

Der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen, Hans-Josef Fell aus Hammelburg, der die Energiewende mit auf den Weg gebracht hat, spricht gar vom "Todesstoß", nicht nur für die Windmühlen, sondern für die ganze Energiewende. "Diese Koalition kappt nicht nur die Fördersätze, sie blockiert auch die Nutzung der Biomasse und den Ausbau der Wasserkraft."

"Ausreichend Flächen"

Bei der Bürgerinitiative "Gegenwind Unterfranken", unter deren Dach sich die Gegner von Windkraftprojekten in mehreren Orten formiert haben, hört man die Botschaften aus Berlin mit Freude, doch die Weltuntergangsszenarien will man nicht teilen. "Es stehen auch mit der 10H-Regel ausreichend Flächen für die Windkraft zur Verfügung", sagt die Sprecherin der Initiative, Katharina Quabius.

Alle Befragten sind sich einig in einem Punkt: Sie können sich nicht vorstellen, dass die 10H-Regel so radikal umgesetzt wird. Aber daran gibt es wohl keinen Zweifel, wie ein Teilnehmer der Koalitionsgespräche sagt, Thomas Breustedt, der Sprecher der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD): "Das Paket ist so durch die große Runde durch und wird nicht noch mal aufgeschnürt."


Kommentar von Günter Flegel: Die verkohlte Energiewende


Auf dem Weg zur großen Koalition haben Rot und Schwarz entdeckt, dass am Haus der Energiewende ein paar Türen quietschen.

Für die CSU saß ein Vertreter des Wirtschaftsministeriums in der "AG Energie", für die SPD Hannelore Kraft aus dem Kohle-Land Rheinland-Pfalz. Dass ein Kompromiss zwischen Tür ölen und neuer Tür dann Haus abreißen heißt, überrascht nicht. Dem verdatterten Bürger wird man die Kehrtwende bei der Energiewende mit dem Versprechen nahe bringen, dass der Strompreis nicht mehr steigt und ein Blackout ausgeschlossen ist. Aber große Koalitionen versprechen (sich) gerne ...