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Ein Franke bringt Wasser in die Wüste


Autor: Natalie Schalk

Schweinfurt, Dienstag, 09. Juli 2013

Der Schweinfurter Tobias Burger hilft, ein Camp im jordanischen Nirgendwo aufzubauen. Es ist der Ort, an den Syriens Kinder fliehen.
Tobias Burger mit einem syrischen Flüchtlingsmädchen am Camp Zaatari Foto: privat


Manchmal haben Menschenrechte eine lange Leitung. Jeder soll Zugang zu sauberem Wasser haben. Das ist für die Vereinten Nationen beschlossene Sache, in der Realität aber nicht so einfach.

Nicht in der jordanischen Wüste. Nicht, wenn innerhalb eines Jahres eine Zeltstadt für 120 000 Menschen aus dem roten Sand gestampft wird. Dafür braucht's jede Menge Rohre, Tanks und Abwasserspeicher - Technik, die aus Deutschland kommt.

Und einen Spezialisten aus Schweinfurt. "Die Hitze ist unerträglich", schreibt Tobias Burger in einer Email aus Jordanien. "Zwischen 40 und 50 Grad, und das ist für den Körper kein Spaß." Vor allem nicht ohne Trinkwasser.
Der Schweinfurter ist einer von etwa 120 Mitarbeitern des Technischen Hilfswerkes THW, die im vergangenen Jahr geholfen haben, das Flüchtlingslager Zaatari nahe der syrischen Grenze zu errichten und die Wasserversorgung zu organisieren.

Jetzt arbeiten die Helfer knapp 100 Kilometer östlich der Hauptstadt Amman am noch größeren Camp al Azraq. Denn der Bürgerkrieg in Syrien treibt immer mehr Flüchtlinge in die Wüste des Grenzgebietes. Dort werden jede Nacht etwa 3000 Menschen von jordanischen Soldaten aufgesammelt, registriert und in Bussen nach Zaatari gebracht. Die Hälfte von ihnen sind Kinder und Jugendliche, oft ohne Eltern.

Exportschlager Ehrenamt

Neben dem Flüchtlingshilfswerk UNHCR engagiert sich auch das Kinderhilfswerk Unicef sehr stark. Das THW hat den Auftrag, in Jordanien zu helfen, vom Auswärtigen Amt beauftragt. Es ist die Einsatzorganisation des Bundes im Bevölkerungsschutz - und der ist ein Exportschlager. "Ich war schon in Haiti nach dem Erdbeben, in Äthiopien zur Dürrekatastrophe, Jordanien, usw.", schreibt Burger. Oft sei er auch mehr als einmal im gleichen Einsatzland gewesen. So wie in Jordanien.

Der gelernte Zimmermann ist beim THW unter anderem Campbau-Experte und gehört zur "Schnelleinsatzeinheit Wasser, Ausland". Er kümmerte sich um die Überwachung der Trinkwasserabgabe und der Arbeiten der lokalen Baufirmen, um die Ausbildung ortsansässiger Arbeiter in Baufragen und der Trinkwasseraufbereitung.
Während des einjährigen Einsatzes war meist etwa ein Dutzend THWler gleichzeitig vor Ort.

Burger verbrachte insgesamt mehr als vier Monate in Jordanien. Waschbecken, Toiletten und Abwasserentsorgung für 120.000 Menschen entstehen nicht über Nacht. "Mein Arbeitgeber stellt mich frei", schreibt Burger, der heute sein Geld als Kaufmann verdient. Dann betont er extra, die Kitzinger Firma Heinrich & Schleyer sei da "sehr groß zügig und verdiene dafür ein riesen Lob". Sein Ehrenamt ist dem 38-Jährigen wichtig. "Es gibt einem einfach ein gutes Gefühl, so vielen Menschen aus ihrer Not zu helfen, und das gibt einen auch die Kraft in solchen Einsätzen zu bestehen." Seit 1998 ist Burger beim THW, einer von 80 000 Männern und Frauen, die sich in der Bundesanstalt engagieren. Zur Zeit ist er Fachberater im Ortsverband Schweinfurt. Am Wochenende trat er die Rückreise nach Deutschland an, mit "gemischten Gefühlen", wie er in seiner letzten Email aus Jordanien schrieb.

"Man sieht auf ein sehr großes Camp zurück, wo man in einem Jahr eine richtige Stadt erbaut und zum Laufen gebracht hat." Seltsam sei es, das Projekt nun hinter sich zu lassen. "Und vor allem die Menschen, mit denen man eine sehr enge Verbindung hat und wie in einer Familie aufgenommen wurde."

Der Schweinfurter macht sich Gedanken, wie es mit den Flüchtlingen weitergeht, mit den vielen Kindern und Frauen. "Sie sind traurig und auch etwas verärgert, dass wir gehen müssen." Burger hofft, dass die Arbeit weitergeführt wird. "Im neuen Camp Azraq stehen wieder große Herausforderungen bevor - wenn man bedenkt, dass das Camp von der Fläche her zehn Mal so groß ist." Auch dieses Zeltlager wird sich wohl bald zu einer belebten Stadt entwickeln. Ein Ende der Krise, eine Lösung, ist nicht in Sicht.

Zahlen und Fakten:
500.000 Syrer suchten seit Beginn des Bürgerkriegs 2011 nur in Jordanien Zuflucht. Insgesamt haben 1,6 Millionen Menschen das Land verlassen, die Vereinten Nationen gehen außerdem von bis zu vier Millionen Binnenver triebenen aus, die innerhalb Syriens auf der Flucht sind. In Deutschland haben laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seit Beginn des Syrien-Konflikts gut 12 000 Syrer Asyl beantragt. Im Juli begann ein Sonderprogramm, mit dem 5000 weitere Flüchtlinge aufgenommen werden sollen.

6 Millionen Einwohner hat Jordanien, das Nachbarland Syrien hatte vor dem Bürgerkrieg etwas mehr als 20 Millionen.


120 000 Menschen können in Camp Zaatari in Zelten oder Containern aufgenommen werden. Das Camp ist mit 4 km 2 größer als 50 Fußballfelder. Das neue Lager, das jetzt in Azraq gebaut wird, soll zehn Mal so groß werden.

1000 Duschen und Toiletten gibt es in den gut 400 Sanitäreinheiten, die das THW in Camp Zaatari errichtet hat. Außerdem wurden knapp 150 Kücheneinheiten mit je zwei Gemeinschaftsküchen gebaut. Die Infrastrukturgebäude sind blau gekennzeichnet.

25 Millionen Euro kosten allein die Aufgaben, die das THW erledigt - vor allem die Wasser- und Sanitärversorgung in beiden Lagern und diverse Kleinprojekte. Die Kosten übernehmen anteilig das Auswärtige Amt und die UN.