"Taste the Waste" und die Konsequenzen
Autor: Regina Vossenkaul
Bad Königshofen im Grabfeld, Donnerstag, 10. März 2016
Wenn der Kühlschrank Vorzimmer des Abfalleimers ist
Das evangelische Bildungswerk des Dekanatsbezirks Bad Neustadt hielt kürzlich seine erste Veranstaltung unter dem Jahresmotto "Du bist, was du isst" in Bad Königshofen ab und konnte sich über zahlreiche Teilnehmer freuen. Im Kino in Bad Königshofen wurde der Dokumentarfilm "Taste the Waste" von Valentin Thurn gezeigt, bei dem es um den Umgang mit Nahrungsmitteln, die Verschwendung und Vernichtung ging.
Zunächst begrüßte Pfarrer Lutz Mertten die Teilnehmer und lud zum anschließenden Imbiss ein mit Lebensmitteln, die bereits aussortiert waren. Die Gymnasiasten der Klasse 10b haben sie vom örtlichen "tegut" abgeholt, normalerweise wären sie an die Tafel weitergegeben worden.
In beeindruckenden Bildern, die hauptsächlich für sich selbst sprachen, geht der Film der Frage nach, warum und wie in der EU jährlich rund 90 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen werden.
Werden Lebensmittel auf einer Deponie entsorgt, entsteht klimaschädliches Methangas, das direkt in die Luft gelangt oder abgefackelt wird. Würde man den Lebensmittel-Müll nur halbieren, würde dies ungefähr so viele Klimagase verhindern, wie die Stilllegung von 50 Prozent aller Autos, hieß es im Film.
"Das tut mir als Landwirt richtig weh", sagte ein Bauer, der alle Kartoffeln, die zu klein, zu groß, leicht beschädigt oder unregelmäßig geformt sind schon auf dem Feld aussortieren muss. Sie sind nicht verkaufsfähig, denn sie halten die Normen des Handels nicht ein. Bananen, die mit viel Aufwand gezogen, behandelt, verpackt und verschifft wurden und für deren Züchtung arme Bauern in Kamerun enteignet wurden, wandern auf den Müll, sobald sie braune Flecken zeigen. Fische und andere Tiere sind umsonst gestorben, ihr Fleisch ist besonders schnell verderblich und wird entsprechend dem Haltbarkeitsdatum aussortiert, wobei es in Japan sogar stündliche Haltbarkeitsangaben gibt. Kommt eine neue Lieferung, werden die Waren mit dem vorletzten Haltbarkeitsdatum weggeworfen. Die Gurkenverordnung, bekannteste "Lachnummer" innerhalb der kritisierten Regulierungswut der EU, geht ebenfalls auf das Konto des Lebensmittelhandels. Er will gerade Gurken, die gut in eine Kiste passen.
Lösungsansätze zeigt der Film, zum Beispiel verkauft eine Lebensmittel-Kooperation in den USA für 50 Cent am Tag jedem Mitglied so viel Obst und Gemüse, wie es essen will, ein deutscher Bäcker mischt das restliche Brot mit Holzspänen und heizt damit die Backöfen, in Japan wird aus Lebensmittelabfällen Schweine- oder Rinder-Zusatzfutter hergestellt, in New York baut eine Frau auf dem Hochhausdach Gemüse an, damit Kinder sehen, wie so etwas in der Natur aussieht. "Sie halten Tomaten für Äpfel", wundert sich die Aktivistin.
Fünf Millionen Tonnen Getreide müssen in Deutschland für die Tierernährung angebaut werden, weil es in der EU verboten ist, Lebensmittelabfälle zu verfüttern. Gelächter gab es im Kinosaal, als ein Mädchen, die bei der Kooperative in den USA Früchte und Gemüse abholt, berichtete, dass sie diese vorher nicht gekannt hat und dass sie alte Kochbücher herausgesucht hat, um die Zubereitungsmöglichkeiten zu erforschen. "Die Leute verlernen das Kochen", war deshalb auch eine der Erkenntnisse des Filmemachers.
Lena Werner, Kilian Katzenberger, Leonie Umhöfer, Niklas Weis, Noah Uebelacker und Robert Schröder haben sich innerhalb eines Deutsch-Pluskurses Gedanken zum Thema Lebensmittelverschwendung gemacht und deshalb die Häppchen nach dem Kinobesuch bereitgestellt. Eine ihrer Erkenntnisse: Die Leute sind zu verwöhnt und sie sollten nur so viel einkaufen, wie sie auch essen können.
Pfarrer Mertten und Dekan Matthias Büttner diskutierten kurz mit den Anwesenden und riefen dazu auf, bei sich selbst anzufangen und das eigene Konsumverhalten kritisch zu hinterfragen.
Auf die Frage, wer dafür sei, ein Food-Sharing-System einzurichten, meldete sich allerdings niemand. Mehr Zuspruch fand die Idee, beim nächsten Gemeindefest nur Bio-Bratwürste zu verkaufen, auch wenn sie teurer sind, weil Kirchen und Schulen Vorreiter sein sollten.