Zum Flirten ins Museum: "Art Date" in der Kunsthalle Nürnberg
Autor: Nikolas Pelke
Nürnberg, Mittwoch, 07. Oktober 2015
Auf ein Rendezvous mit der Kunst: Die Kunsthalle Nürnberg lockt junges Publikum mit einem "Art Date" in den zeitgenössischen Kulturtempel. Das funktioniert erstaunlich gut. Nur an der Romantik kann das Haus noch arbeiten.
Kerzen hat Ellen Seifermann nicht angezündet. Eine romantische Platte hat die Chefin der Kunsthalle Nürnberg auch nicht aufgelegt. Aufgeregt ist sie trotzdem ein bisschen. Schließlich hat sie heute zum Rendezvous geladen. Genau genommen zu einem "Blind Date". Wer ihrer Einladung tatsächlich folgt, weiß Seifermann nicht."Jetzt bin ich wirklich gespannt, wer und ob überhaupt jemand kommt", sagt die Kuratorin und wirft einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr.
Um 17 Uhr soll der Flirt mit der Kunst beginnen. Zehn Minuten davor ist das Foyer noch leer. Seifermann ist auf die Idee mit dem "Art Date" gekommen, um junges Publikum für die Kunsthalle zu gewinnen. "Ich habe einfach einen kurzen und knackigen Begriff gesucht und bin auf den Titel mit dem Date gekommen", erinnert sich die Leiterin der Kunsthalle.
Das Dating-Angebot richtet sich vor allem an Studenten
Das Angebot richtet sich insbesondere an Studenten. In einer kostenlosen Führung durch die Ausstellung sollen sie zeitgenössische Kunst unkompliziert und unverbindlich kennenlernen dürfen. "Nach dem ,Art Date` gehen die jungen Besucher meistens begeisterter hinaus als sie herein gekommen sind", erzählt Seifermann während eine junge Frau mit blonden Haaren und einer großen Brille durch die Tür kommt. "Hallo! Ich bin Janina! Läuft hier das Art Date?", fragt die Studentin. Keine Minute später gesellen sich Elisabeth, Franziska und Sarah dazu. "Ich studiere Lehramt in Nürnberg und will die Stadt einfach besser kennenlernen", erzählt die Studentin und folgt Ellen Seifermann in die heiligen Hallen der Kunst. Charmant berichtet sie über die Arbeiten von Martin Dammann. Die Gäste folgen den Worten und lassen die Blicke schweifen.
Wie bei einem richtigen Date erfahren sie langsam immer mehr über ihr Gegenüber. Der in Berlin lebende Künstler sei bekannt für seine großformatigen Aquarelle. Inspiration findet er in Amateurfotografien von Soldaten aus Kriegsgebieten. Martin Dammann habe während seiner langjährigen Tätigkeit für das Londoner "Archive of Modern Conflict" eine eigene Sammlung von diesen privaten Kriegsfotos zusammengetragen.
Durch die Übertragung in die oft als Hausfrauenkunst verschriene Aquarellmalerei werden die ursprünglichen Bildmotive teilweise abstrahiert. Dammann verwendet großformatige, weiß beschichtete Hartfaserplatten als Untergrund für seine eher aggressive als liebliche Aquarellkunst. Die Konturen verschwimmen, weil die Oberflächen der Platten die Wasserfarben abstoßen. Die Motive, die aus der Ferne meist gut zu erkennen sind, löse sich bei näherer Betrachtung mehr und mehr auf. Die Übertragung der Erinnerung, hier von der Fotografie in ein Aquarell, wirft viele Fragen auf. Was erzählen mir eigentlich die Bilder? Wie gehe ich mit Erinnerung um? Genau um diese Ungewissheit gehe es, erklärt Seifermann. Wie wird Erinnerung in Gang gesetzt?
Nach einer Stunde wissen die Teilnehmer des "Art Date" eine ganze Menge über die Schau und den Künstler. Wie nach einem richtigen Rendezvous schwirrt den Besuchern der Kopf. "Das Date hat mir gefallen. Ich werde auf jeden Fall wiederkommen", sagt Franziska zum Abschied. Nur an der Romantik kann die Kunsthalle vielleicht noch etwas arbeiten. Nach dem verheißungsvollen Treffen schließt das Haus und schickt seine Flirtgäste ohne Abschiedsdrink ganz nüchtern nach Hause. "Dafür haben die Bars direkt gegenüber schon auf", sagt Ellen Seifermann und lacht. Das nächste "Art Date" findet am 3. November um 17 Uhr in der Kunsthalle Nürnberg statt.