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Wie kann die Wirtschaft den Bio-Trend für sich nutzen?


Autor: Nikolas Pelke

Nürnberg, Sonntag, 29. Juni 2014

Gesundheit ist derzeit überall der Renner. Die Wirtschaft will aus dem Trend noch mehr Kapital schlagen. Der Frage, wie das gehen könnte, sind Fachleute auf einer Tagung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) am Freitag in Nürnberg nachgegangen.
Professor Hubert Weiler. Vorsitzender des GfK-Vereins Foto: Nikolas Pelke


Alle wollen aufspringen, wenn ein Thema rollt und rollt. Wellness ist so ein Mega-Trend, den keiner verpassen will. Ein Kennzeichen von Mega-Trends ist ihre Ausdauer. Weltweit geht ihnen lange nicht die Puste aus. Da reicht ein Blick in den Reisekatalog: Wir sind ein Land der Sauna- und Wellness-Oasen. Um dabei sein und mitverdienen zu können, muss die Wirtschaft wissen, wie die Anhänger dieses Trends ticken. Denn der Glaube kann nicht nur Berge versetzen sondern auch die Kassen klingeln lassen. Ein gläubiger Verbraucher ist ein guter Verbraucher. Der Gläubige rückt praktisch freiwillig sein Geld heraus. Dieser Glaubens-Grundsatz gilt nicht nur für die Jünger von exklusiven Marken-Brillen und die Anbeter von schicken Marken-Computern. Dieses Credo gilt auch für vergleichsweise banale Alltagsprodukte wie Butter, Milch und Ziegenkäse aus dem Kühlregal. Auch an "Bio" muss man glauben.



Selbst einen kleinen Katechismus gibt es für die Anhänger von Bio-Produkten. Umso besser die Konsumenten die Formel "Bio ist gleich gut für mich" nachbeten können, umso besser läuft das Geschäft zwischen laktosefreien Sojasprossen und Schnitzeln von glücklichen Kühen. Die Marktforscher sprechen vom Kaufmotiv. Je stärker der Käufer von den eigenen Beweggründen beim Einkaufen im Bio-Markt überzeugt ist, desto weniger muss mit aufwendiger Werbung nachgeholfen werden. Ein Marktforscher wie Helmut Hübsch von der GfK untersucht deshalb die Bedeutung von gesundheitsbezogenen Motiven beim Kauf von Bio-Produkten haargenau. Das Kalkül: Je mehr Menschen den Glaubensgrundsatz "Bio = Gesund" unterschreiben, desto besser bringt man die teureren Bio-Produkte an den Mann. Auf seiner Spurensuche im Bio-Dschungel hat der Forscher vieles entdeckt. Die wichtigste Botschaft lautet: Wir kaufen alle Bio. Nur acht Prozent sind totale Bio-Verweigerer, hat der Marktforscher herausgefunden.

Frauen stehen auf Bio
Die meisten Bio-Käufer sind freilich Mitläufer. Richtig überzeugt von Vollwertkost und Naturkosmetik sind nur ein Drittel. Wobei eine ganze Gruppe vorab unter den Tisch gekehrt wird: die Männer. Die Herren der Schöpfung scheren sich einfach zu wenig darum, ob die Möhre gut oder böse, konventionell oder biologisch ist, um es in die Statistik der Marktforscher zu schaffen. Die Frauen eignen sich dafür viel besser. Das Mantra der überzeugten Bio-Kosumentinnen lautet: Gesund durch gesunde Ernährung. Viele Frauen glauben: Bio ist besser.

Aber nicht alle kaufen Bio. Eine große Zahl achtet zwar darauf, dass die Möhre aus der Region kommt. Allerdings, hat der Marktforscher festgestellt, gibt es noch zu viele Streuverluste in der Argumentationskette. Will sagen, um im Bild zu bleiben: Von der schrumpeligen Karotte bis zur eigenen Gesundheit ist es für viele Konsumenten noch ein weiter Weg.

Genau hier liegt der Hase im Pfeffer: Der Forscher rät dazu, noch mehr Menschen den Glaubensgrundsatz "Bio = Gesund" einzutrichtern, um die Nachfrage zu steigern. Denn der Marktanteil für Bio-Lebensmittel hat sich von 2005 zu 2013 gerade einmal auf vier Prozent verdoppelt. Angesichts des Mega-Trends Gesundheit ist dieser Anstieg für viele Beobachter trotzdem enttäuschend. Marktforscher wie Helmut Hübsch raten dazu, den Themen Bio und Gesundheit eine hedonistische Komponente einzuimpfen. Körner und Co. sollen noch mehr Spaß machen. Denn die meisten Konsumenten gehen immer noch nicht ganz freiwillig in den Bio-Laden. Sie müssen sich in Verzicht üben, dürfen zum Beispiel nicht zu viel Salz, Zucker oder Fett zu sich nehmen, um auf ihre Gesundheit zu achten.

Auch wenn diese Gruppe der gesundheitsbewussten 60plus-Generation dank des demographischen Wandels zunehmen wird: Bio muss in den Augen der Marktforscher mehr Sexappeal ausstrahlen, damit noch mehr Konsumenten auf den Mega-Trend aufspringen. Denn Askese heißt bekanntlich Verzicht. Und der ist schlecht fürs Geschäft.