Druckartikel: Volksmusik bei Bayern 1: Ein Aufstand tobt gegen den BR

Volksmusik bei Bayern 1: Ein Aufstand tobt gegen den BR


Autor: Nikolas Pelke

Nürnberg, Mittwoch, 03. Februar 2016

Bayern 1 will Volksmusik ins Digital-Radio verbannen. Die Kritik daran hat wohl nur oberflächlich etwas mit der Frage des Musikgeschmacks zu tun.
Die Gruppe Boxgalopp. Foto: PR


Den einen wird heiß, den anderen kalt beim Thema Volksmusik. Beinahe einhellig ist trotzdem der Aufschrei gewesen, als der Bayerische Rundfunk (BR) überraschend ankündigte, die traditionelle Blas- und Volksmusik vom Radiosender Bayern 1 komplett in den Digitalkanal BR Heimat verbannen zu wollen.

Auch auf infranken.de reißt die Kritik nicht ab. Ein User hat seine Haltung zu der Entscheidung auf Fränkisch kurz und bündig zusammengefasst: "Ihr hobd doch an Schlooch." Während das Volk also zürnt, verkauft Wellenchef Stefan Frühbeis die Entscheidung als Glücksfall: "Dass der BR der Volks- und Blasmusik eine eigene, neue Heimat gegeben hat, ist ein Geschenk für das wir sehr dankbar sind." Für die Freunde des Heimatsounds bereite der Entschluss den Weg in eine goldene Zukunft.



Rund um die Uhr

"Wir verabschieden uns von 50 Minuten Volksmusik pro Tag auf Bayern 1 und bekommen dafür 24 Stunden auf BR Heimat", freute sich Frühbeis von BR Heimat am Mittwoch. Unrecht hat er damit nicht. Die "g'scheite Musi" fristet zwischen all den Rockopas und Schlagerfuzzis aus dem Bayern1-Archiv derzeit ein ziemliches Schattendasein. Gut kann die Koexistenz dieser unterschiedlichen Geschmacksrichtungen auf einer Welle auf Dauer für niemand sein.

Wolfgang Schmich, der zukünftige Programmbereichsleiter von Bayern1, drückt es so aus: "Unsere Zielgruppe ist plus/minus 50." Wolfgang Stöckel, Rundfunkrat aus Mittelfranken und ehemaliger Vorsitzender des Bayerischen Journalistenverbande, bringt die Gründe noch pointierter auf einen Nenner. Die bayerische Politik fordere die Programmmacher des BR stetig dazu auf, die junge Zielgruppe nicht aus den Augen zu verlieren.

Der Altersdurchschnitt der BR-Fernsehzuschauer liege mittlerweile schon bei bedrohlichen 64 Jahren, mahnt Stöckel. Deswegen verfolge der BR aktuell eine doppelte Zukunftsstrategie. Technisch setze man auf die Digitalisierung. Das sei nur vernünftig. Trotz aktueller Probleme bei der Reichweite, die aber behoben werden könnten, ist sich Stöckel sicher.

Die zweite Komponente der Zukunftsstrategie sei wesentlich komplizierter umzusetzen. Die inhaltliche Verjüngung des Publikums, ohne das alte zu verlieren, gleiche einem Drahtseilakt.


Eine Geldfrage

Obendrein kosten Inhalte richtig Geld, das selbst dem Staatsfunk gerade in der aktuellen Debatte über Rundfunkgebühren und Einsparmöglichkeiten nicht unendlich zur Verfügung stehe. Stöckel glaubt trotzdem, dass der BR immer noch zu viel des guten Geldes falsch ausgibt.

"Die Öffentlich-Rechtlichen versuchen noch viel zu sehr, den Privatsendern nachzueifern", kritisiert der Insider aus dem Rundfunkrat die Programmpolitik. Noch zu häufig würden falsche, weil zu teure Verträge für Programminhalte abgeschlossen.

Kerner, Jauch und Will seien nur die Spitze des Eisbergs. Weil der BR viel Geld (beispielsweise für die Sportrechte der Bundesliga) jährlich an die ARD überweisen müsse, bleibe viel zu wenig Geld für das Programm im Freistaat übrig, moniert Stöckel. Außerdem habe der Rundfunkrat immer weniger zu melden. Die Rundfunkanstalten seien schwerfällige Tanker, die nur schwer auf neuen Kurs zu bringen seien.

Volksmusik und Digitalradio - aus den beiden scheinbar ungleichen Paaren kann trotzdem ein Schuh werden. Das hofft zumindest David Saam aus Bamberg, der seit Jahren eine Volksmusik-Sendung auf Bayern 1 aus dem Studio Franken in Nürnberg moderiert. "Das Studio Franken hat die Volksmusik immer unterstützt und hat auch die neuen Strömungen aufgegriffen", lobt der Musiker und Konzertveranstalter den Sender. Jetzt setze Saam darauf, dass der Wechsel ins Digitalradio neue Fans für die Volksmusik bringt.

Der 37-jährige Bamberger ist zuversichtlich, dass das gelingen kann. Schließlich sei die junge Volksmusik derzeit schwer in Mode. Mit seiner Volksmusik-Partyreihe "Anti-Stadl" beweist Saam, wie man frischen Wind in die fränkische Musikszene bringt und neue Fans für die Volksmusik gewinnt.

Erst am Wochenende hätten 600 Gäste beim "Anti-Stadl" im Erlanger E-Werk zur Volksmusik gefeiert. Ganz traditionell, ganz modern.