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Versteigerung in Nürnberg: Zweite Chance für Geschenke


Autor: Nikolas Pelke

Nürnberg, Dienstag, 29. Dezember 2015

Beim "Markt der langen G`sichter" in Nürnberg kommen ungeliebte Weihnachtsgeschenke unter den Hammer. Die Kultveranstaltung hat heuer nicht nur mit der Qualität der Fehleinkäufe zu kämpfen. Irgendwie war früher mehr Lametta.
Foto: Nikolas Pelke


Der Franke ist schon eine besondere Spezies. "Bassd scho" sagt er, wenn andere vor Freude an die Decke gehen. Wenn andere sich vor Wut in den Hintern beißen, trägt er den Fehleinkauf zum "Markt der langen G`sichter" nach Nürnberg. Dort kommt kurz nach Weihnachten alles unter den Hammer, was Frankenherzen am Heiligabend nicht vom Hocker hauen konnte. "Mei ist die schee", sagt die blonde Moderatorin mit der Weihnachtsmütze und heftet dem Bürgermeister auf der Bühne eine funkelnde Brosche ans Revers.

Während Christian Vogel mit dem "Schmuckstück" posiert, quieken die 200 Besucher im Publikum vor Freude. Besonders Gabriele Bräunlein in der ersten Reihe kann sich vor Lachen kaum halten. "Die hat mir mein Mann geschenkt", sagt die Frau über den missglückten Geschenkversuch des Gatten und zeigt auf das bunte Geschmeide an der Brust des Bürgermeisters. Der versucht derweil mit vollem Körpereinsatz das ungeliebte Geschenk unter das Volk zu bringen. "Wer bietet mehr als drei Euro?", fragt Vogel mit aufgerissenen Augen ins Publikum. Die Menge beim "Markt der langen G`sichter" hält sich vornehm zurück. Nur langsam steigt der Preis für die gefiederte Schmuckspange. "Da ist sogar eine Uhr dabei", preist Moderatorin Anja Seidel den edlen Papageien-Chronometer auf der Bühne an.


"Mehr so ein Teil für Omas"

Langsam bekommt Frau Bräunlein in der ersten Reihe wohl die ersten Gewissensbisse. "Die Brosche ist ja ganz schön. Aber halt nichts für mich. Das ist mehr so ein Teil für Omas", verteidigt die undankbare Ehefrau ihre Entscheidung, das Geschenk ihres Göttergatten beim "Markt der langen G`sichter" in aller Öffentlichkeit versteigern zu lassen. Freilich sei es nicht das erste Mal, dass sie bei der Auktion für weihnachtliche Fehleinkäufe teilnehme, verrät die Nürnbergerin. In den letzten Jahren habe nicht nur ihr Ehemann mit fragwürdigen Überraschungen unterm Christbaum geglänzt. Außerdem sei der Markt eine Riesengaudi. Das hat sich herumgesprochen. Wer einen Platz bekommen will, muss rechtzeitig aufstehen.

Mittlerweile genießt die Versteigerung kurz nach Weihnachten so etwas wie Kultstatus. Zum 19. Mal kommen an diesem Dienstag von 9 bis 17 Uhr die Enttäuschungen von der letzten Bescherung in Nürnberg unter den Hammer. Das Interesse der Öffentlichkeit ist dementsprechend groß. "Das Morgenmagazin von der ARD war heute früh schon da. RTL ist noch da. Und der Bayerische Rundfunk bringt gleich eine Live-Schalte", freut sich Diana Max vom Abfallwirtschaftsbetrieb der Stadt Nürnberg. "Verrückt" findet sie das große Medienecho. "Fragwürdig" findet sie, womit sich manche am Weihnachtsabend eine Freude machen wollen. Rund 200 mehr oder weniger gelungene Geschenke hätten die Nürnberger heuer zum "Markt der langen G`sichter" angeschleppt.

Am meisten haben sich die Macher heuer über eine Anti-Falten-Creme gewundert. "Das war wohl ein letzter Abschiedsgruß vor der Trennung", vermutet Max, die heuer die Veranstaltung organisiert hat. "Nachvollziehen" könne sie nicht, warum heutzutage so viel Schund unter dem Christbaum landet. "Reden die Leute nicht mehr miteinander über ihre Wünsche?", fragt sich Diana Max. "Außerdem gibt es doch Gutscheine", philosophiert Frau Max weiter. Überhaupt ärgere sie sich darüber, dass viele Besucher "nur noch zum Spaß" kommen. Schließlich lebe die Auktion vom Mitmachen. Außerdem stecke ein ernster Hintergedanke hinter der Versteigerung. Vor 20 Jahren sollten die Bürger der Frankenmetropole damit augenzwinkernd ermuntert werden, an den Festtagen weniger Müll zu produzieren. "Sie glauben nicht, wie viele Geschenke im Mülleimer landen", sagt die Fachfrau vom Abfallamt. Genaue Zahlen gibt es leider nicht.

Schnäppchen-Jäger werden in diesem Jahr wohl mal wieder leer ausgehen. Perlen oder Diamanten landen heuer jedenfalls nicht unter dem Hammer. "Die Qualität der Geschenke nimmt leider ab", ärgert sich Diana Max während Bürgermeister Vogel die bunte Papageien-Zwiebel immer wilder gestikulierend unter das Volk bringen will. Ein paar Schenkelklopfer und Slapstick-Einlagen später fällt das Hämmerchen bei zwölf Euro. Gabriele Bräunlein nickt zufrieden in der ersten Reihe und lacht. Zehn Prozent von den Aktionserlösen gehen an ein soziales Projekt in Nürnberg. "Wir hoffen, dass wir am Ende rund 800 Euro zusammen bekommen", sagt Diana Max leicht geknickt. Früher war halt irgendwie mehr Lametta.