Druckartikel: Terror-Schock, Unwetter, Party und Rammstein: Das war Rock im Park 2017

Terror-Schock, Unwetter, Party und Rammstein: Das war Rock im Park 2017


Autor: Redaktion

Nürnberg, Dienstag, 06. Juni 2017

Der Terror-Schreckmoment vom Freitag war schnell überwunden: 88 500 Fans feiern drei Tage Rock im Park.
Catwoman, als Crowdsurferin bei RIP. Foto: Daniel Karmann/dpa


Rock im Park 2018: Die ersten Bands sind bestätigt

 

Wo Rammstein spielen wird's laut, heiß und voll. Die Berliner Brachial-Rocker hauen bei ihren Auftritten schon mal 80 Kilo Lycopodium raus. Bärlappsporen. Sauteuer ist diese Pyrotechnik, doch für die sind Rammstein berühmt, die sind sie ihren Fans schuldig.

Die drängeln sich dicht an dicht am letzten Festival-Tag: 88 500 sind zum Rock im Park gekommen - restlos ausverkauft. Rammstein sind der Höhepunkt in Nürnberg und werden auf dem Zeppelinfeld ihrem Ruf gerecht: Der spektakulärste deutsche Show-Act.

 

Natürlich ist alles dabei, wenn der Park ruft: Hitze, Gewitter, Starkregen - aber auch jede Menge erstklassige Bands und nicht weniger Geheimtipps. Rock im Park - da werden die Genres gemixt wie kaum anderswo. Discobeats, Rap, Pop, Elektro, Punk, Rock und Heavy Metal, von allem ein bisschen, immer nah am Mainstream, selten im Grenzbereich.

Dass die Musik für einen kurzen Moment an diesem Freitag nur noch die zweite Geige spielen soll, weiß zu diesem Zeitpunkt noch keiner.


Kein Video zu sehen? Hier geht´s zum Tanzfilm

Ein paar Stündchen später erreicht auch die Park-Rocker die Terrorangst - wenngleich, Gott sei Dank, nur am Rande. Via Durchsagen. Beim Zwillingsfestival Rock am Ring in der Eifel sind die Ordnungskräfte gerade damit beschäftigt, 90 000 überwiegend verständnisvolle Fans vom Konzertgelände zu eskortieren. Es sickert durch: akute Gefährdungslage mit terroristischem Hintergrund.


Rock im Park: Mittelfinger gegen den Terror

Bei Rock im Park tritt derweil zwischen den Auftritten der Beatsteaks und der Toten Hosen ein Mitarbeiter ans Mikrofon: Für Nürnberg bestehe keine Gefahr. Hosen-Sänger Campino nimmt den Ball auf: "Zeigen wir denen, die uns irritieren wollen, den Mittelfinger. Diese Wichser haben erst ihr Ziel erreicht, wenn wir aufhören, zusammen Spaß zu haben."

Was die Toten Hosen danach zwei Stunden lang abliefern, gehört zu ihren engagiertesten Auftritten der letzten Jahre. Überhaupt ist der Freitag ein gelungener Auftakt: Donots und Sum 41 bedienen die Punk-Fraktion, Straßenbande 187 und Beginner die Hip-Hopper, Suicide Silence und Sleeping with Sirens die Metaller.

Das Gros der Fans reagiert gelassen auf das Verbot von Rucksäcken und großen Taschen. Drinnen gibt es ausreichend kostenlose Leitungswasserstellen sowie Stände, an denen für einen Euro ein halber Liter Mineralwasser verkauft wird. Durst steht dem Spaß also nicht im Weg.

Reichlich davon haben am Nachmittag die australischen Hardrocker Airbourne, Sänger und Gitarrist Joel O'Keefe turnt wie besessen durchs Publikum und spritzt mit Büchsenbier um sich. Da wartet der Regen doch gerne das Konzertende ab, ehe er sich danach umso stärker aufs Zeppelinfeld ergießt.


Die Kombi der Supergroups

Vom Nass, das mittags schon mal für eine kurze Abkühlung gesorgt hat, verschont bleiben die Haupt-Acts auf der großen Bühne: Prophets of Rage nutzen's zu höllisch heißem Rock-Rap - die Supergroup-Kombi aus Rage against the Machine, Public Enemy und Cypress Hill haut mächtig auf den Putz. Da will selbst System-of-a-Down-Sänger Serj Tankian mal mit ans Mikro - obwohl er anschließend noch 120 Headliner-Minuten mit seiner eigenen Kapelle vor sich hat. Die füllen die kalifornischen Alternative-Metaller mit ihrer ureigenen Mixtur aus harten Riffs, einfühlsamen Melodien und der bisweilen hektischen Gesangskunst Tankians - hie und da mit einem Schuss armenischer Folklore.

Die Wetter-Überraschung am Sonntag: Starkregen in der Nacht, Niesel am Vormittag - dann plötzlich Sonne und steigende Temperaturen zum Abend hin. Da lächelt dann auch der Miesepeter und Ex-Oasis-Rüpel Liam Gallagher, darf Rag'n'Bone Man Rory Graham zeigen, dass er mehr als nur eine Eintagsfliege ist, ballern die elegant vom Death Metal zum massenkonformeren Modern Metal konvertierten Schweden In Flames ein beeindruckendes Set raus.


Kein Video zu sehen? Hier geht´s zum Video "Was man bei RIP gemacht haben muss"

Die Düsseldorfer Ex-Oi- und jetzt Punk-Rocker Broilers dürfen den Teppich ausrollen für Rammstein, die britische Indie-Formation Bastille muss jene Fans bedienen, die mit der NDH-Legende nichts anfangen können oder nicht mehr aufs Hauptfeld gepasst haben. Beide erledigen ihren Job mit maximalem Engagement.


Magenwummern bis ganz hinten

Maximale Professionalität indes gibt's von Rammstein. Dafür stehen Till Lindemann und Co. Das ist weit mehr als stumpfer Neue-Deutsche-Härte-Sound. Das ist auch Poesie. Und vor allem Show.

Da zündet sich Lindemann in seinem Asbestmantel auch mal beinahe selbst an, stapft später bei "Engel" aber putzmunter mit einem 50-Kilo-Flügel-Konstrukt die Treppe hoch. Höhepunkt: "Ich tu dir weh" - da fliegen die Pyrogeschosse sogar über die Köpfe des Publikums hinweg.

Da sitzt jeder Ton, und der Sound ist so druckvoll, dass es auch den letzten Reihen im Magen wummert. Es wäre ein grandioses Finale, wenn nicht noch ein weiterer Deutscher seinen Punkt setzen würde: Der Rostocker Rapper Marteria liebt ebenfalls die Selbstinszenierung, nimmt seine Fans aber auch gerne mit auf die Reise. In Nürnberg schon das zweite Mal an diesem Tag - denn am Nachmittag hat Marteria bereits seinen freitags ausgefallenen Ring-Gig nachgeholt.

Und dann sind die drei Tage Rock im Park auch schon wieder vorbei. Auf dem Campingplatz bleiben neben tonnenweise Müll auch wunderbare Fundstücke wie die Reste skurriler Verkleidungen zurück.