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Public Viewing: Beim Feiern sind wir schon Weltmeister!


Autor: Günter Flegel

Nürnberg, Mittwoch, 11. Juni 2014

Seit der Weltmeisterschaft 2006 gucken die Fans gerne öffentlich. Zu den bundesweit zehn größten Public Viewing-Schauplätzen gehört der Nürnberger Flughafen. "Zamfeiern" kann man aber in fast allen Städten Frankens und in jedem Sportheim zwischen Fladungen und Langenaltheim.
Fußballfans schauen sich im Juni 2012 auf der Fanmeile am Brandenburger Tor in Berlin das EM-Halbfinale Deutschland gegen Italien an. Foto: Boris Roessler/dpa


Wer wird Weltmeister? Keine Frage! In der heißen Phase der Vorbereitung lassen die Fans der deutschen Nationalmannschaft keinen Zweifel daran, dass sie beim Feiern einmal mehr unschlagbar sein werden. Das "Public Viewing" wurde in Deutschland erfunden und ist sogar ein eingetragener Markenname. Nicht einmal die als Stimmungsmuffel verschrienen Franken können der kollektiven Freude (oder Trauer) widerstehen, wenn auf Brasiliens Rasen der Ball rollt.

Das "Rudelgucken", wie es heißt, wenn man sich dabei verkrampft, das englische Kunstwort ins Deutsche zu übertragen, oder "Zammschaun" auf gut Fränkisch ist eine junge Sportart. Es wurde bei der Fußball-WM 2006 in Deutschland zur Massenbewegung, als die ganze Welt, Deutschland selbst eingeschlossen, staunend auf ein bis dahin eher farbloses Volk blickte, das fröhlich schwarz-rot-goldene Fahnen schwenkte und mit hupenden Autokorsos die Nacht zum Tag machte.

Seit dem Mauerfall, so scheint es, sucht ein vereintes Land nur noch nach Anlässen, um zusammen zu feiern.

Kleine Stadien, große Schirme

2006 waren es zunächst einmal eher profane Gründe, die Deutschlands Marktplätze in Wohnzimmer verwandelten: Weil es für zu viele Fans zu wenige Plätze in den Stadien gab, erlaubte der Deutsche Fußballbund die Übertragung der Spiele auf öffentlichen Plätzen; just zu dieser Zeit stand auch erstmals die Technik für das Open-Air-Fernsehen zur Verfügung; die großen LED-Bildschirme sorgten dafür, dass der Fan neben dem einmaligen Erlebnis, einfach nur dabei zu sein, tatsächlich auch etwas zu sehen bekam. Dazu kam ein Wetter wie aus dem Bilderbuch: Das Sommermärchen war geboren.

Und wie jedes gute Märchen will es immer wieder neu erzählt werden, und da lassen sich die Weltmeister-Fans auch von lästigen Hindernissen wie der Zeitverschiebung zwischen Mitteleuropa und Brasilien nicht ins Abseits der heimischen Glotze schieben. Wegen der Zeitverschiebung beginnt für Deutsche knapp die Hälfte aller Spiele erst um 22 Uhr oder noch später. Die Bundesregierung, sprich der Bundesrat, hat deshalb eine Sonderregelung gebilligt, um den sonst üblichen Lärmschutz zu umgehen. Als oberster Fußballfan im Land kann somit die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) gelten.

Nach dem grundsätzlichen Okay aus Berlin ist es nun die Sache der Städte und Kommunen zu entscheiden, wann und wo man Public Viewing zu später Stunde duldet. Und da gibt es auch aus Franken nur gute Nachrichten für die Fans, auch wenn die erste Hitzewelle des Jahres mit dem Anpfiff des ersten Spieles abgeebbt sein dürfte. Die Aussichten für das Sommermärchen sind trotzdem heiter.

Allerorten Freizügigkeit im Freistaat beim Feiern: In Augsburg zum Beispiel gibt man sich locker. "Wir sehen das unproblematisch", sagt eine Sprecherin des Rathauses; alle Spiele mit deutscher Beteiligung dürfen ohne Sondergenehmigung gegebenenfalls auch nach 24 Uhr im Freien ausgestrahlt werden. Nur wenn ein Gastwirt alle Spiele der Weltmeisterschaft zeigen möchte, muss er das förmlich bei der Stadtverwaltung beantragen.

Wo die Bayern feiern

Auch in München, wo das Feiern dank FC Bayern schon zur Gewohnheit geworden ist, geht es unbürokratisch zu. Ganz nach dem Motto "leben und leben lassen" dürfen fast alle Gaststätten und Biergärten die Spiele im Freien übertragen. "Erst ab 1 Uhr gilt dann die nächtliche Ruhe", sagt Daniela Schlegel, die Pressesprecherin des Kreisverwaltungsreferats. Damit dürften auch die Spiele abgedeckt sein, die erst nach 22 Uhr beginnen.

Einzige Einschränkung: Betriebe, die aufgrund der Nähe zu Wohnvierteln ab 22 Uhr nicht mehr draußen ausschenken dürfen, müssen auch zur WM eine Sondergenehmigung beantragen. Für Fans gibt es wieder die Möglichkeit, im Olympiastadion gemeinsam König Fußball zu huldigen. Bis zu 32 000 Zuschauer haben dort zu den Vorrundenspielen Platz. Bei so viel Unterstützung dürfte die Stimmung fast so gut wie in Rio de Janeiros Stadion Maracana werden. Es gilt: Alle Spiele mit deutscher Beteiligung werden übertragen. Schafft es Deutschland ins Finale, dürfen noch mehr Fans im Stadion jubeln.

In Nürnberg wandert das Public Viewing aus Lärmschutzgründen von der Wöhrder Wiese zum Flughafen. Mit bis zum 30.000 Fans gehört die fränkische Fußballparty zu den größten im Bundesgebiet.

Platz für 5000 Gäste bietet die Fürther Freiheit; hier wird ab dem Viertelfinale (4. Juli bis 13. Juli) jedes WM-Spiel übertragen, kostenlos natürlich. Fürth integriert die Weltmeisterschaft in das jährlich stattfindende Fürth-Festival. Die Bühne in der Comödie wird zur Public-Viewing-Leinwand umfunktioniert und überträgt die Halbfinals live. Und auch für Gaststätten soll es zwanglos zugehen. Laut einer Sprecherin der Stadtverwaltung will man - wo immer es geht - die Zeiten verlängern.

Jubel oder Trauer?

Fan-seitig kann also nichts mehr schiefgehen beim Sommermärchen 2014. Jetzt können nur noch Jogis Kicker beziehungsweise die Gegner der deutschen Mannschaft dafür sorgen, dass die Jubelstimmung ins Gegenteil umschlägt. Dann hätte das Kunstwort Public Viewing ansatzweise die Bedeutung, die es im Englischen eigentlich hat: öffentliche Trauer im Sinne einer Leichen-Aufbahrung..



Public Viewing - das Wichtigste im Überblick


Zeitverschiebung Brasilien ist zeitlich fünf oder sechs Stunden der deutschen Zeit hinterher. Die Spiele beginnen zwischen 18 Uhr und 3 Uhr nachts deutscher Zeit. Keine schlechte Zeit für eine Fußballübertragung, doch wenn es zur Verlängerung oder zum Elfmeterschießen kommt, wird es schon nach Mitternacht werden. Deutschland spielt in Gruppe G zu angenehmen Zeiten. Gegen Portugal am 16. Juni um 18 Uhr, gegen Ghana am 21. Juni um 21 Uhr, das dritte Vorrundenspiel gegen die USA beginnt um 18 Uhr.

Finale Knapp die Hälfte der Spiele beginnt erst um 22 Uhr abends oder später, um 3 Uhr nachts findet lediglich das Spiel zwischen Japan und der Elfenbeinküste statt. Das Finale in Rio de Janeiro findet um 21 Uhr deutscher Zeit statt - dann ist es in Brasilien erst 16 Uhr.

Fanmeilen Die berühmteste unter den Fanmeilen ist jene am Brandenburger Tor in Berlin, die erstmals bei der WM 2006 in Deutschland zur Verfügung gestellt wurde. Auch zur WM 2014 wird das sogenannte "FIFA Fan Fest Berlin" wieder auf der Straße des 17. Juni abgehalten - allerdings unter anderem Namen, dem Hauptsponsor sei Dank (oder auch nicht ...): "Hyundai Fan Park". Gezeigt werden hier vor bis zu einer Million Fans zunächst die Spiele der Deutschen Mannschaft der Vorrunde und wenn nötig auch die der K.o.-Runde bis zum Finale.

Rechtslage Der Bundesrat billigte am 23. Mai eine Verordnung, mit der der Lärmschutz vorübergehend gelockert wird. Erlaubt ist nun Party-Lärm bis tief in die Nacht: Durch die "Sonderregelung für seltene Ereignisse” darf auch nach 22 Uhr auf öffentlichen Plätzen eine Übertragung der Spiele auf Großleinwänden erfolgen, wenn dies zuvor durch die Kommunen genehmigt worden ist.

Nachtschwärmer Für die Dauer des Turniers in Brasilien vom 12. Juni bis zum 13. Juli werden somit im Normalfall Ausnahmen von den normalen Lärmschutz-Regeln genehmigt. Denn ab dem Achtelfinale finden die WM-Spiele erst ab 22 Uhr statt. Das bedeutet, dass die Spiele normalerweise bis 23.45 Uhr dauern, wenn es keine Verlängerung gibt. In diesem Fall wird ein WM-Spiel mindestens bis 0.30 Uhr dauern.

Nürnberg In Nürnberg findet das große Public-Viewing dieses Jahr nicht auf der Wöhrder Wiese statt. Aufgrund der späten Übertragungszeiten und dem damit entsprechenden Geräuschpegel wurde das Event, das als eines der zehn größten im Bundesgebiet gilt, an den Flughafenverlegt. Hier bieten eine 71 Quadratmeter große LED-Wand beste Bildqualität und das Drumherum weltmeisterliche Stimmung bei freiem Eintritt, verspricht der Veranstalter in Nürnberg.

Fürth Die Stadt bietet ein öffentliches Fußballfest an der Fürther Freiheit an. Alle Spiele werden ab dem Viertelfinale (4.Juli - 13.Juli) übertragen, kostenlos für bis zu 5000 Gäste vor einer 35 Quadratmeter großen Leinwand. Wer die wichtigste Nebensache gemeinsam mit anderen ernst nehmen will, kann das ab dem Halbfinale auch in der Comödie tun.

Erlangen Das E-Werk in Erlangen überträgt die WM live. Der Eintritt ist hier für jeden Besucher frei; die Kellerbühne und der Garten sind für die Spiele
geöffnet, bei den Deutschland-Spielen wird der große Saal zur Fanmeile für 2000 Zuschauer. Geöffnet wird immer zwei Stunden vor Anpfiff.

Informationen In allen größeren fränkischen Städten gibt es Freiluftveranstaltungen, die in der Regel gratis sind (Bamberg, Coburg, Kulmbach, Bayreuth ...) Die großen Veranstaltungen im Bundesgebiet finden Sie hier.