Politiker fordert Tollwood für Nürnberg
Autor: Nikolas Pelke
Nürnberg, Montag, 15. Januar 2018
Ein Stadtrat aus Nürnberg will das "Winter-Tollwood-Festival" von München in die Frankenmetropole holen.
Mit seiner Idee für ein "nachhaltiges Winterfestival" hat Stadtrat Thomas Schrollinger (ÖDP) die Nürnberger Kulturszene zum Jahreswechsel aufgerüttelt. Vorbild seines Vorschlages ist das "Tollwood"-Festival, das in der Landeshauptstadt jeden Winter zahlreiche Besucher mit Musik, Theater und Zirkuskunst anlockt.
Schrollinger ist sich sicher, dass die "Kombination aus einem bunten Markt nachhaltiger Produkte und Geschenkideen und einem herausragenden Programm kultureller Veranstaltungen" der fränkischen Lebkuchenstadt derzeit fehlen würde. "Unserer international etablierten Weihnachtsstadt stünde es gut, den traditionellen Christkindlesmarkt mit einem nachhaltig orientierten Winterfestival zu bereichern", begründet der Nürnberger Stadtrat seinen kulturpolitischen Vorstoß.
"Spiegelbild einer multikulturellen Gesellschaft"
Das Winter-Festival in Nürnberg solle laut Schrollinger als "Spiegelbild einer multikulturellen Gesellschaft" sowie als "zeitgemäßes Pendant zum Christkindlesmarkt" fungieren. "Tradition und Moderne" könnten laut Schrollinger so miteinander verbunden werden. Das neue "Winter-Festival" könne ein echter Gewinn für Nürnberg im Hinblick auf die Bewerbung der Frankenmetropole zur europäischen Kulturhauptstadt werden, ist sich der Stadtrat sicher.
Als Standort für das "Franken-Tollwood" hat Schrollinger besonders die Wöhrder Wiese vor der Toren der Altstadt im Auge. "Die Wöhrder Wiese hätte den Charme, dass das Festival auch für die Christkindlesmarktbesucher fussläufig erreichbar wäre. Beide vorweihnachtlichen Veranstaltungsorte könnten sich gegenseitig bereichern," findet Schrollinger. Als Alternative hat er den Festplatz bei der Kongresshalle am Dutzendteich im Visier.
Der ÖDP-Stadtrat möchte laut einer Pressemitteilung mit seinem Vorstoß nicht die Attraktivität des Christkindlesmarktes anzweifeln. Vielmehr sehe er in der "Kombination aus prominenter Tradition und multikultureller Nachhaltigkeit" die Chance eines Alleinstellungsmerkmals für Nürnberg. "Es gibt ja mit dem zweitägigen Format des ,Winterkiosk´ im Künstlerhaus schon das zarte Pflänzchen eines alternativen Pendants. Ich gehe aber davon aus, dass Nürnberg auch das Potential hätte für ein mehrwöchiges Winterfestival", begründet Schrollinger seinen aktuellen Stadtratsantrag, in dem er das Gremium auffordert, seinem Vorschlag zu folgen, und die Realisierung eines ersten Nürnberger "Winter-Festivals" mit Schwerpunkten wie "Nachhaltigkeit, Toleranz und Internationalität" zu prüfen.
Die Euphorie im Rathaus über den Vorstoß des Stadtrates scheint sich derzeit in Grenzen zu halten. Die städtische Kulturreferentin, Julia Lehner (CSU), hat eine entsprechende Presseanfrage bis Redaktionsschluss unbeantwortet gelassen. Im Rathaus hat man wohl genug mit den Vorbereitungen zur Kulturhauptstadt-Bewerbung zu tun. Gut möglich, dass sich die Stadt auf diese Bewerbung konzentrieren und keine neuen Kulturbaustellen aufmachen will. Zumal die städtische Kulturlandschaft mit der anstehenden Sanierung der Oper und dem geplanten Bau der Konzerthalle (nur um die beiden größten Dauerbaustellen in Nürnberg zu nennen) schon gut beschäftigt ist.
Die Festivalmacher aus München versichern auf Anfrage, dass man derzeit nirgendwo im Freistaat einen "Tollwood"-Ableger plane. "Es gibt keinerlei Expansionspläne nach Nürnberg oder in eine andere Stadt zu gehen", erklärt die Sprecherin des "Tollwood-"Festivals, Christiane Stenzel, auf Anfrage. Freilich freue man sich, wenn andere Städte dem Beispiel aus der Landeshauptstadt folgen möchten. "Wir unterstützen und beraten gerne bei der Ausrichtung von nachhaltigen Veranstaltungen und freuen uns, wenn die Stadt Nürnberg mit uns Kontakt aufnimmt", betont Stenzel. Gleichzeitig hat die Festival-Sprecherin einen Tipp für die kleinere Bayernmetropole parat: "Nürnberg ist eine engagierte und kreative Stadt. Im Grunde braucht es nicht mehr als einen einzigen Leitsatz: Geht nicht gibt's nicht!"
Ins gleiche Horn stößt Katharina Winter, die gemeinsam mit ihrer Schwester Joana den beliebten "Winterkiosk" als Markt für nachhaltige Geschenke im Nürnberger Künstlerhaus veranstaltet. Grundsätzlich sei der Ansatz von Stadtrat Thomas Schrollinger gut. "Ich weiß nur, dass die Finanzierung nicht ganz einfach ist", ist sich Katharina Winter sicher. Die "Winterkiosk"-Veranstalterin würde sich daher eher wünschen, dass die Stadt Nürnberg die freie Kulturszene in Nürnberg besser unterstützt. Das sei nicht nur nachhaltiger sondern auch authentischer. Anstatt fremde Vorbilder kopieren und von wie in diesem Fall von München nach Nürnberg holen zu wollen. Dabei könne die Stadt, ohne viel Geld auszugeben, viel tun. Dafür müsse Nürnberg einfach nur ein bisschen großstädtischer denken und die Verwaltung dazu bringen, beispielsweise bei Genehmigungen von Veranstaltungen in öffentlichen Parks und auf öffentlichen Plätzen etwas großstädtischer zu denken.
Vorschlag "Unserer international etablierten Weihnachtsstadt stünde es gut, den traditionellen Christkindlesmarkt mit einem nachhaltig orientierten Winterfestival zu bereichern. Gerade im Blick auf die Bewerbung zur europäischen Kulturhauptstadt könnte ein ,Winter-Tollwood´ in Nürnberg ein echter Gewinn werden. Ein Festival mit dem Anspruch, Spiegelbild einer multikulturellen Gesellschaft zu sein, wäre ein zeitgemäßes Pendant zum Christkindlesmarkt. Tradition und Moderne könnten so miteinander verbunden werden", begründete ÖDP-Stadtrat Thomas Schrollinger seinen aktuellen Vorschlag an den Nürnberger Stadtrat.
Münchner Vorbild 1992 wurde in München das "Tollwood"-Winterfestival ins Leben gerufen, das mittlerweile auf der Theresienwiese stattfindet. Neben Toleranz, Internationalität und Offenheit fühlt sich das Festival dem sozialen Kulturverständnis verpflichtet. Nach dem Motto "Kultur ist für alle da" sind laut Veranstaltern über 70 Prozent der Veranstaltungen kostenlos. Viele weitere Informationen gibt es im Internet unter www.tollwood.de.
Nürnberger Original Klein aber fein: Seit 2009 veranstalten Katharina und Joana Winter den "Winterkiosk" in Nürnberg. Auf dem nachhaltigen Geschenkemarkt bieten zahlreiche Künstler und Handwerker in stimmungsvoller Atmosphäre ihre meist selbstgemachten Produkte an. Viele weitere Informationen gibt es im Internet unter www.winterkiosk.de.