Druckartikel: Nürnbergs OB Maly plädiert für Normalität

Nürnbergs OB Maly plädiert für Normalität


Autor: Günter Flegel

Nürnberg, Dienstag, 07. März 2017

Im Umgang mit der Türkei wünscht sich der Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) eine Rückkehr zur Normalität.
Ulrich Maly Foto: Matthias Hoch


In aufgeregten Zeiten sehen sich Politiker in ungewöhnlichen Rollen. Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD), von dieser Zeitung um ein Gespräch über die aktuellen deutsch-türkischen Verstimmungen gebeten, scherzt erst einmal: "Das sind ja alles Fragen, die besser unser Außenminister beantworten sollte."
Ein bisschen Außenminister muss er schon sein, der Rathauschef der größten Stadt in Franken. Immerhin leben in Nürnberg, das zu den Städten mit dem höchsten Ausländeranteil in der Bundesrepublik zählt, knapp 30 000 Menschen, die ihre Wurzeln in der Türkei haben. Nürnberg hat eine Partnerstadt in der Türkei, den beliebten Badeort Antalya, und unterhält vielfältige Beziehungen mit dem Land an der Nahtstelle zwischen Morgenland und Abendland. Die Türkei, betont der OB, "war, ist und bleibt ein wichtiger Partner, für unsere Stadt, für das ganze Land". Deswegen liegt Maly sehr viel daran, auf der kommunalen Ebene alles zu tun, um eine "Rückkehr zur Normalität" zu erreichen, auch wenn der Weg dahin heute weit erscheint.


Die menschliche Nähe zählt

Der Nürnberger Politiker erinnert daran, dass es bei vielen Spannungen der Vergangenheit die menschlichen Begegnungen, der sportliche und kulturelle Austausch waren, die den Weg für politische Annäherung bereitet waren. Nürnberg war aus seiner historischen Verantwortung heraus vielfach der Vorreiter, etwa bei der Aussöhnung mit Frankreich und Polen. Bereits seit 1997 besteht die Partnerschaft mit Antalya. Es ist Maly sehr wichtig, dass man die große Politik so weit wie möglich aus dem direkten Kontakt heraushält. "Das hat natürlich Grenzen, aber es ist auch nichts Neues. In Nürnberg leben ja linke und konservative Türken, ganz unterschiedliche Gruppen, und da gibt es immer wieder auch Konflikte." Der OB hat die Befürchtung, dass die scharfen Töne, die jetzt in Ankara und in Berlin angeschlagen werden, Spannungen verschärfen.


Wahlkampfgetöse

Andererseits warnt Maly davor, das "Wahlkampfgetöse" Erdogans mit deutschen Maßstäben zu messen. "In der Türkei gibt es eine ganz andere politische Tradition, andere Empfindlichkeiten", sagt der OB. Und Erdogan habe ein zweites Gesicht, das in Deutschland kaum wahrgenommen werde: Er begann als durchaus erfolgreicher Innen- und Wirtschaftspolitiker, der viele Menschen in seinem Heimatland aus der Armut geführt habe. Deswegen sei er in der Türkei nach wie vor angesehen, trotz aller Kritik an seinem Machtanspruch und seinem Demokratieverständnis. Niemand in Deutschland habe den Putschversuch im Sommer 2016 gut geheißen, aber dass Erdogan ihn als "Geschenk Gottes" bezeichnet haben soll, mache deutlich, was auch jetzt hinter den schrillen Tönen steckt.


Der Schwarze Peter

Und wie steht Maly als stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Städtetags zu türkischen Wahlkampfauftritten in Deutschland? "Ich kenne kein Gesetz, das so etwas verbietet. In Deutschland gilt das Grundgesetz und die Meinungsfreiheit." Sehr "unglücklich" findet es Maly, dass die Bundespolitik den Schwarzen Peter den Kommunen zuschiebt, die Veranstaltungen wegen Sicherheitsbedenken verbieten und so neue Verstimmungen provozieren. "Das muss die Diplomatie lösen. Wir machen ja keine Außenpolitik."