Nürnberger Suchthilfezentrum: Corona stellt für Suchtkranke große Gefahr dar
Autor: Nina Grimmeiß
Nürnberg, Freitag, 12. Juni 2020
Mehr als fünf Millionen Menschen sind laut Bundesgesundheitsministerium in Deutschland suchtkrank. Darunter Menschen mit Alkohol-, Medikamenten-, Drogen-, Glücksspiel- oder Onlinesucht. Wie sich eine Pandemie auf diese Menschen auswirkt, erklärt Erica Metzner vom Suchthilfezentrum Nürnberg.
Für viele Deutsche war und ist die Coronakrise ein Härtetest. Kurzarbeit, Ausgangsbeschränkungen, Angst vor einer Infektion. Mit der Krise kommen jede Menge Faktoren, die sich negativ auf die Psyche eines Menschen auswirken können. Doch wie wirkt sich die Pandemie auf Suchtkranke aus - Menschen, die ohnehin schon körperlich wie psychisch krank sind?
Stellt Corona für Menschen mit einer Suchtkrankheit eine Gefahr dar? Ja, meint Erica Metzner, Einrichtungsleiterin des Suchthilfezentrums Nürnberg. In einem Gespräch mit inFranken.de schildert sie, wie die letzten Monate für sie, ihre Kollegen und vor allem ihre Klienten war.
Corona: Für Suchtkranke eine schwere Zeit
„Viele sind wegen Corona auf sich zurückgeworfen. Sie sind isoliert. Eventuell droht ein Arbeitsplatzverlust. Die Struktur fällt weg. Es gibt insgesamt mehr Probleme“, schildert Metzner die Situation von Suchtkranken während der Pandemie.
Und dann ist da natürlich noch die Sache mit der Sucht. Metzner und ihre Kollegen des Suchthilfezentrums hätten alles getan, um ihren Klienten durch die schwere Zeit zu helfen und Rückfälle zu vermeiden.
Face-to-face-Therapien seien zuerst einmal Tabu gewesen. Stattdessen hätten Telefonate die Therapiestunden ersetzt: „Seit März mussten wir komplett auf Telefonberatung umsteigen. Das lief aber erstaunlich gut“, erklärt Metzner. „Durch intensiven Telefonkontakt konnten wir zu allen unseren Klienten auch trotz der Kontaktbeschränkungen im Dialog bleiben.“
Rückfälle stehen möglicherweise erst bevor
„Wir hatten mit weniger Rückfällen zu kämpfen als wir gerechnet hatten“, führt Metzner aus. „Die meisten sind gut durch den Lockdown gekommen. Viele berichteten sogar, dass zu Hause zu sein und nichts zu tun, ihnen Schutz geboten hat.“ Jetzt, da die Corona-Öffnungen in Bayern in vollem Gange sind, drohe die Situation allerdings zu kippen: „Viele fragen sich, wie sie mit ihrer neu erlangten Freiheit umgehen sollen. Anders als man vielleicht annimmt, kommt es eher jetzt bei der Öffnung zu Rückfällen.“
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Umso wichtiger sei es, wieder die Möglichkeit haben, face-to-face oder in Gruppen zu therapieren, denn auch Gruppensitzungen mussten seit dem Lockdown im März auf unbestimmte Zeit ausgesetzt werden. Dass der Austausch mit anderen Suchtkranken wegfallen musste, „das war eine große Umstellung und ist vielen Klienten schwergefallen“, so Metzner.