Nürnberg: Rotes Kreuz warnt vor neuer Corona-Welle - "Kollaps des Systems nicht ausgeschlossen"
Autor: Isabel Schaffner
Nürnberg, Freitag, 15. Juli 2022
Das Nürnberger Bayerische Rote Kreuz (BRK) bekommt mit vielen kurzfristigen Personalausfällen die Corona-Sommerwelle hart zu spüren. Und das hat Auswirkungen auf die Patient*innen. Das BRK blickt "mit großer Sorge auf den Herbst".
- Nürnberger BRK leidet unter akuten Personalausfällen
- "Zwei bis drei Mitarbeitende pro Woche positiv"
- Ausfälle von Wägen und "extrem lange Wartezeiten" als Folge
- Stellvertretender Rettungsdienstleiter mit Appell an Politik und Bevölkerung
Die Nürnberger BRK-Mitarbeitenden "arbeiten über das vorgeschriebene Maß hinaus", um allen Einsätzen gerecht zu werden. Das sagt der stellvertretende Rettungsdienstleiter Julian Lohse im Gespräch mit inFranken.de. Die Corona-Sommerwelle führe zu zwei bis drei Ausfällen pro Woche, während das BRK ohnehin mit beständigem Personalnotstand kämpft. Für Patient*innen könne das unangenehme Folgen haben.
Nürnberger BRK an Belastungsgrenze - gleiches Problem in Kliniken führt zu Kettenreaktion
"Der Juni 2022 war unser härtester Monat. 49 von 172 hauptamtliche Mitarbeitende waren im Krankenstand", sagt Lohse. Viele würden ohne Symptome von einem positiven Test überrascht. Diese Ausfälle müsse das BRK dann kurzfristig nachbesetzen. "Das passiert zu 20 Prozent mit Ehrenamtlichen und zu 80 Prozent mit Hauptamtlichen." Durch seine Größe habe das Nürnberger BRK seit Pandemiebeginn noch alle Notfälle bedienen können. "Doch wir sind an der Belastungsgrenze", betont Lohse und erklärt den Prozess vom Notruf bis zum Einsatz:
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Alle Notrufe über die 112 nehme die Integrierte Leitstelle der Feuerwehr in Nürnberg an. "Diese alarmiert den Rettungsdienst und koordiniert die Fahrten." Dabei müsse man zwischen Notfallrettung und Krankentransport unterscheiden. Die Notfallrettung komme bei akut lebensbedrohlichen Situationen mit Blaulicht und Notarzt zum Einsatz, zum Beispiel bei einem Herzinfarkt. "Im schlimmsten Fall kann mal ein Auto wegen des Personalnotstands nicht besetzt werden. Dann kann auch ein Feuerwehrauto oder ein Krankenwagen, der für geplante Transporte vorgesehen ist, die Erstversorgung übernehmen", erklärt er.
Geplante Krankentransporte kämen etwa bei Entlassungen aus der Klinik oder Dialyseterminen zum Einsatz. Bei diesen Fahrten springe kein Feuerwehrfahrzeug ein, sondern es könne stattdessen "zu extrem langen Wartezeiten kommen. Damit verwoben ist die angespannte Personalsituation in den Kliniken. Der Krankentransport und inzwischen auch die Notfallrettung muss immer häufiger auf das Umland ausweichen, da Nürnberger Kliniken oft keine Patienten mehr aufnehmen können". Durch die längeren Transportzeiten fehlten die Wägen wiederum bei neuen Einsätzen.
Längere Wartezeiten bei Notfällen möglich
Als Konsequenz könnten die Wartezeiten auch bei Notfällen steigen. "Unser Anspruch ist, lebensbedrohliche Fälle immer zu bedienen. Wir schauen aber mit großer Besorgnis auf den Herbst", so Lohse. Er rechnet mit einer neuen Welle. "Ein Kollaps des Systems ist nicht ausgeschlossen." Das BRK könne so zeitnah nicht genügend Ersatz gewinnen.
"Es gibt bei unserem Dienst eben auch Grenzen, wie die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen, welche immer häufiger nicht genommen werden können und somit eine Regenerationsphase für unsere Mitarbeitenden ausbleibt. Weil unser Personal permanent an der Belastungsgrenze arbeitet, drohen Ausfälle wegen Erschöpfung." Die Notfallsanitäter*innen mit einer höheren medizinischen Verantwortung als die Rettungssanitäter*innen seien besonders stark betroffen.