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Nürnberg: Stadt stoppt private Unterkunftsvermittlung an Ukraine-Flüchtlinge - "können wir so nicht leisten"


Autor: Isabel Schaffner

Nürnberg, Freitag, 11. März 2022

Die Stadt Nürnberg hat bisher Kontakte zwischen Menschen, die private Unterkünfte bereitstellen, und ukrainischen Flüchtlingen hergestellt. Doch diese Verantwortung will sie nun nicht weiter tragen müssen.
Die Stadt Nürnberg schätzt die Hilfsbereitschaft der Menschen, Flüchtlinge bei sich aufzunehmen. Doch hat damit auch negative Erfahrungen gemacht.


  • Nürnberg stoppt Vermittlung von Privatunterkünften an ukrainische Flüchtlinge
  • "Löst das Unterkunftsproblem nicht": Stadt berichtet von Risiken bei Unterbringung
  • Verwaltung hält andere Maßnahme für sinnvoller
  • Dennoch: "Menschliche Beziehungen sind höchst erstrebenswert"

Seit dem sechsten Tag des Ukraine-Kriegs führt die Stadt Nürnberg eine Liste mit Kontaktdaten Freiwilliger, die Unterkünfte verschiedenster Art für ukrainische Flüchtlinge zur Verfügung stellen. Doch aus mehreren Gründen ziehe man nun den Schluss, dass dies keine vielversprechende Lösung sei.

In Zukunft wolle sich die Stadt auf einen anderen Weg konzentrieren. Die berufsmäßige Stadträtin Elisabeth Ries (SPD) betont zwar, dass bürgerschaftliche Hilfe "ganz wertvoll" sei, doch die "private Unterbringung löst das Unterkunftsproblem nicht".

Stadt Nürnberg zu privaten Unterkünften für Ukraine-Flüchtlinge: Oft nur Lösung auf Zeit

"Wir bekommen viele Angebote hilfsbereiter Menschen. Von Mietangeboten größerer Objekte bis hin zu Gästezimmern für wenige Tage", erklärt Ries. In den ersten Tagen der Anlaufstelle habe die Stadt ausprobieren wollen, ob sie diese Angebote direkt an Hilfesuchende weitergeben könne. "So haben wir in der Liste geschaut, ob wir für sie jemanden finden können, der sie aufnimmt. Das hat sich aber als sehr aufwendig herausgestellt." Denn es erfordere viele Telefonate und Versuche, die Betroffenen zu erreichen. 

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"Zugleich haben wir festgestellt, dass es für die Geflüchteten oft erstmal eine gute Hilfe war, aber nur für wenige Tage", fügt Ries hinzu. Sehr kurzfristig danach hätten sie die Stadt erneut gefragt, wo sie längerfristig bleiben können. Zwar sei es sicher ein schöneres Gefühl, privat wohnen zu können, anstatt in einer staatlichen Unterkunft, doch es bringe auch Risiken mit sich. 

Die psychische Verfassung vieler Kriegsflüchtlinge sei oft sensibel. "Wenn man beide Seiten einfach in einen privaten Haushalt vermittelt, kann man sowohl die traumatisierten Ankömmlinge als auch die Helfer ganz schön überfordern." Es könne zu Schwierigkeiten kommen, wenn dann auch noch Verletzungen und Krankheitssymptome auftauchten, wenn das Adrenalin der Geflüchteten nachlasse. "Die Menschen sollen nicht die Erwartung haben, die Stadt vermittelt mir jemanden, der zu mir passt. Denn wir können ja nicht in die Gästezimmer hineinschauen. Das können wir als Stadt so nicht leisten."

Nürnberger Stadträtin erklärt Vermittlungsstopp - und präsentiert Alternative

"Daher wollen wir uns darauf konzentrieren, in großer Zahl offizielle Unterkünfte bereitzustellen, in denen die Menschen länger als wenige Tage bleiben können", so Ries. Ein wichtiger Aspekt hierbei sei die "Anbindung an Hilfe- und finanzielle Leistungssysteme sowie Beratung". Es stünden Sanitäter zur Verfügung und es gebe Notrufnummern von Sozialdiensten. "Alle Hilfen sind wichtig, aber die wichtigsten im Moment sind die zahlreichen Dolmetscherinnen und Dolmetscher. Ein riesiges und wertvolles ehrenamtliches Potenzial."

Der Stadt sei es wichtig, wo es geht, ehrenamtliche Unterstützung anzubinden: "Denn menschliche Beziehungen sind höchst erstrebenswert." Wenn sich darüber ergebe, dass Menschen zusammenfinden, sei das eine bessere Voraussetzung als die anonyme Verteilung durch die Stadt. 

Die Stadt wolle die Unterbringungsangebote Privater weiter registrieren, doch mit dem Unterschied, "dass es klar ist, dass es eine 1:1-Beziehung zwischen den Gebenden und Nehmenden ist. Wir sind gerade dabei, alle zu fragen, ob sie mit einer Kontaktweitergabe einverstanden sind". Es stehe noch im Raum, ob die Vermittlung über eine soziale Plattform, Formulare oder Ähnliches geregelt werde. Doch bereichernd könnten entstehende private Bindungen auch jenseits des Zusammenwohnens sein, so die Nürnberger Stadträtin.

Mehr zum Thema: In einem Ticker halten wir euch bei inFranken.de zu allen Ereignissen des Ukraine-Kriegs auf dem Laufenden.