Nürnberg: Mutter (39) hat chronisches Erschöpfungssyndrom - "immer auf Mama Rücksicht nehmen"
Autor: Isabel Schaffner
Nürnberg, Mittwoch, 03. November 2021
Ein gewöhnliches Herpesvirus veränderte ihr Leben. Juliane aus Nürnberg leidet am chronischen Erschöpfungssyndrom ME/CFS. Was sie besonders schmerzt: Ihr fehlt oft die Energie für ihren kleinen Jungen.
- Juliane aus Nürnberg leidet nach Herpes-Infektion (Epstein-Barr-Virus) unter chronischem Erschöpfungssyndrom
- Nach zehnminütigem Spaziergang völlig erschöpft - 39-Jährige kann nicht mehr arbeiten
- Mutter: "Energie, die ich noch habe, hebe ich mir für meinen Sohn auf"
- Andere Symptome als bei Burnout oder Depression: So äußert sich das chronische Erschöpfungssyndrom
Das chronische Erschöpfungssyndrom (CFS) oder Myalgische Enzephalomyelitis (ME) ist eine einschneidende - oder in Julianes Worten - "ekelhafte" Krankheit, die die Lebensqualität der Betroffenen drastisch einschränkt. Juliane muss seit drei Jahren damit zurechtkommen, dass sie nicht mehr an dem Leben teilnehmen kann, das sie so liebte. Mit ihrem Sohn auf dem Spielplatz toben, ist inzwischen undenkbar. Traurig macht sie auch, dass die Krankheit jedes Jahr schlimmer wird. Und das Tückische ist: Weit verbreitete Infektionen tragen offenbar maßgeblich zu einem Ausbruch bei.
Chronisches Erschöpfungssyndrom: Alles begann mit einem einfachen Infekt
"Was mich besonders belastet: Ich habe einen kleinen sechsjährigen Sohn und er muss immer Rücksicht auf seine Mama nehmen", sagt Juliane. "Er ist sehr aktiv, geht gerne auf den Spielplatz und bei vielen Sachen kann ich einfach nicht mitgehen. Da ist dann mein Mann im Vordergrund." Kindergeburtstage sind für Juliane "extremer Stress", denn durch die Krankheit ist sie sehr reizempfindlich gegen Helligkeit und Lärm. Nur mit Ohrenstöpseln kann sie solche Events kurz aushalten. "Die Kontakte schlafen natürlich ein und die Freunde ziehen sich zurück, weil man einfach nicht mehr so aktiv sein kann. Die meiste Energie, die ich noch habe, hebe ich mir für meinen Sohn auf, wenn er nachmittags vom Kindergarten kommt."
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Alles begann 2018 mit einer EBV-Infektion. Dies ist ein Herpes-Virus, das sich durch Tröpfcheninfektion überträgt. Das Virus löste bei der Nürnbergerin Erkältungssymptome wie Halsschmerzen aus. Die Infektion klang irgendwann ab, doch die Folgen blieben: "Ich bin nicht mehr gesund geworden. Ich habe mich immer noch lange krank und schlapp gefühlt", berichtet sie. Viele Ärzte besuchte sie, doch keiner wusste, was sie hatte. Nach einem Jahr bekam sie die Diagnose "Chronisches Fatigue Syndrom" von ihrem Hausarzt.
Das chronische Erschöpfungssyndrom betrifft den ganzen Körper, erklärt Juliane. Mal sind Schmerzen im Vordergrund, mal die Verdauung, mal Schlafstörungen. Die Erschöpfung ist leider immer da und das Schlimmste für sie. Jede kleine Tätigkeit des Alltags, wie Duschen oder Essen zubereiten, erschöpft sie so, dass sie sich danach wieder hinlegen muss. Zehn Minuten kann sie spazieren, dadurch erhöht sich ihr Puls jedoch stark. Ein Rollstuhl ist aus diesem Grund ihr regelmäßiger Begleiter. Ein weiteres Phänomen ist, dass es ihr nach einer Überbelastung - etwa nach einem halbstündigen Spaziergang - besonders schlecht geht. "Da lieg' ich dann wirklich eine ganze Woche komplett flach."
Mit Ende 30 in Rente: Keine Hoffnung auf Besserung
Arbeiten kann sie auch nicht mehr. Früher war sie Personalsachbearbeiterin bei einer großen Firma. Ein Job, der sie erfüllte. Das chronische Erschöpfungssyndrom brach während ihrer Elternzeit aus. "Das hat auch einige Monate gedauert, bis ich es psychisch verkraftet habe, dass ich meinen tollen Job aufgeben musste." Finanziell ist sie glücklicherweise durch ihren Vollzeit-arbeitenden Mann abgesichert. Einen Job zu finden, den sie von zu Hause aus machen könnte, ist für sie eine Herausforderung. Denn sie kann nicht vorhersehen, an welchen Tagen in der Woche sie genug Energie hat. Diese Flexibilität könne kaum ein Arbeitgeber berücksichtigen.
Das ständige Ausruhen empfindet Juliane als sehr nervig. Fernsehen kann sie beispielsweise durch die hohe Reizempfindlichkeit nicht lange. "Und hören Sie mal über drei, vier Jahre Hörbücher", sagt sie lachend. "Und nachdem ich das hundertste Stofftier gehäkelt habe, hat es dann auch gereicht. Im Moment hab ich Phasen, wo ich einfach ein bisschen durchhänge und sage, ich kann einfach nicht mehr." Pläne für die Zukunft machen, kann sie keine, denn sie hat keine Hoffnung auf Besserung. "Ich werde in den letzten Monaten wirklich sehr viel trauriger über das Ganze."