Nürnberg: Leiterin von russisch-deutschem Kulturzentrum will "Krieg nicht auf unserem Territorium diskutieren"
Autor: Ralf Welz
Nürnberg, Mittwoch, 16. März 2022
Auf dem Gelände des Russisch-Deutschen Kulturzentrums Nürnberg soll das "Thema Krieg" nicht diskutiert werden. Der Grund: Niemand soll versehentlich mit einem unbedachten Wort provoziert werden. Der Appell sorgt teils für Irritation.
Im Internet stößt der ungewöhnliche Appell einer Einrichtungsleiterin teilweise auf Verwunderung. In einem Beitrag auf der Facebook-Seite des Russisch-Deutschen Kulturzentrums Nürnberg bittet dessen Vereinsvorsitzende Irina Fixel darum, nicht über den Krieg in der Ukraine zu sprechen. "Um diese schreckliche Zeit ruhig und freundschaftlich zu verbringen, um die warme und freundliche Atmosphäre zu bewahren, für die wir immer berühmt waren, bitten wir Sie, das Thema Krieg auf unserem Territorium nicht zu diskutieren, um niemanden versehentlich mit einem unbedachten Wort zu provozieren."
Fixel appelliert zudem: "Versuchen Sie auch, solche Gespräche nicht vor Kindern zu führen, denn sie erschrecken und erschüttern ihre zerbrechliche Psyche. Die psychische Gesundheit von Kindern ist jetzt besonders wichtig!" Die Ansage der Vorsitzenden trifft im Kommentarbereich des Posts mitunter auf Unverständnis.
Russisch-Deutsches Kulturzentrum Nürnberg: Aufruf löst Diskussion über Meinungsfreiheit aus
So gibt beispielsweise ein Nutzer merklich irritiert zu bedenken: "Sie verbieten Gespräche über das wichtigste Thema unserer Zeit? Sie haben die Meinungsfreiheit noch nicht verstanden." Sein Vorschlag: "Sie sollten sich klar vom Angriffskrieg aus Russland distanzieren und Gespräche anbieten." Jemand anderes betont, dass es hierbei nicht zwingend um erwachsene Gesprächspartner gehe. Zum Thema Diskutieren fragt er rhetorisch: "Mit wem? Mit Kids über den Krieg? Echt jetzt?"
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Die Leiterin des russisch-deutschen Zentrums in der Röthenbacher Hauptstraße spricht sich in ihrem Beitrag indes zugleich für das gemeinsame Miteinander aus. "Unsere Kurse, Lektionen, Veranstaltungen, Ferien, Aktionen werden seit Jahren von Kindern und Erwachsenen aus vielen Ländern der Welt besucht." Die Mitarbeiter der Einrichtung stammen demnach aus neun verschiedenen Nationen. "Wir sind ein multinationales Kollektiv", betont die Vereinsvorsitzende. Aktuell arbeiteten in dem Verein 15 Menschen aus Russland, 13 aus der Ukraine, vier aus Weißrussland, vier aus Deutschland, drei aus Moldawien, zwei aus Aserbaidschan, zwei aus Lettland und eine Person aus Tadschikistan.
"Wir waren schon immer stolz auf unsere Multinationalität", hält Fixel fest. Infolge des Russland-Ukraine-Konflikts durchlebe man gemeinsam mit der ganzen Welt eine sehr schwierige Zeit. "Was vor Kurzem noch wie ein Albtraum aussah, wurde plötzlich Wirklichkeit. Unsere Herzen erfüllt ein Schmerz wegen dem, was passiert. Wir beten, dass dies alles so schnell wie möglich vorbei ist!"
Vereinsvorsitzende verhängt "absolute Friedenspflicht"
Trotz der gegenwärtigen Situation glaube der deutsch-russische Verein "aufrichtig an unsere Mission und an unsere Professionalität". Die Kindererziehung solle - wie in den vergangenen 25 Jahren - auch weiterhin "ohne Propaganda und mit Liebe" erfolgen, schreibt Fixel. Auf dem Areal des Russisch-Deutschen Kulturzentrums sei kein Platz für Hass, Hetze und Propaganda. Auch Schikanen gegeneinander könne es nicht geben. Ihr Facebook-Post endet mit den vergleichsweise pathetischen Worten: "Hiermit verhänge ich auf dem Territorium des Zentrums im Namen und zum Wohle unserer Kinder die absolute Friedenspflicht!"
Hinweis: Eine Anfrage von inFranken.de an die Vorsitzende des Russisch-Deutschen Kulturzentrums Nürnberg zum Thema Ukraine-Krieg blieb bislang unbeantwortet.