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Nürnberg: Diskussion um umstrittene "Jesus liebt"-Ausstellung geht weiter nach Gottesdienst in Lorenzkirche


Autor: Agentur dpa

Nürnberg, Montag, 18. Sept. 2023

Nach nur wenigen Tagen ist im Juli die Ausstellung des queeren Künstlers Rosa von Praunheim in der Nürnberger Egidienkirche geschlossen worden. In einem Kommentargottesdienst in der Lorenzkirche sorgte das Thema am Sonntag aber erneut für Diskussionen.


Update vom 18.09.2023, 10.10 Uhr: Kommentargottesdienst sorgt für erneute Debatte um queere Ausstellung

Am vergangenen Sonntag hat in der Lorenzkirche ein Kommentargottesdienst stattgefunden. Das Thema: Die Schließung der Ausstellung "Jesus liebt" des queeren Künstlers Rosa von Praunheim. Wie der BR berichtet, äußerte sich der ehemalige Vorsitzende des Ethikrates der Bundesrepublik Deutschland, Peter Dabrock, äußerst kritisch über die Schließung.

Wie der Nürnberger Pfarrer und Mitinitiator Thomas Zeitler erklärte, sei es der Sinn und Zweck der Ausstellung gewesen, eine Debatte anzustoßen. Doch dazu sei es nie gekommen: Von Beginn der Ausstellung an seien die Veranstalter einem "erheblichen Maß an Hass, Hetze, Unterstellungen und unbelegten Vorwürfen" ausgesetzt gewesen.

Laut Dabrock sei ein "Shitstorm von rechts" über sie hereingebrochen, dennoch hätten die Verantwortlichen "Haltung bewahren" und  "sich klar positionieren" sollen. Stattdessen sei man eingeknickt, sagt er gegenüber dem BR. Nach der Schließung  der Ausstellung in der St. Egidienkirche wurden die Kunstwerke in der Nürnberger Kreisgalerie ausgestellt, laut Dabrock hätte die Kirche es aber versäumt "ein Zeichen zu setzen".

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Auch die Aussage der Nürnberger Regionalbischöfin Elisabeth Hann von Weyhern, die Schließung der Ausstellung sei "echt evangelisch" gewesen, kritisierte Dabrock. Er schlug vor, dass die Ausstellung "unter anderen Bedingungen" nochmal nach Nürnberg zurückgeholt werden solle. Denn durch die Schließung der Ausstellung sei der Kirche ein "nachhaltiger Schaden" entstanden.

Update vom 31.07.2023, 14.15 Uhr: "Jesus liebt"-Ausstellung zieht nach München und Hamburg

Die kontrovers diskutierte Ausstellung "Jesus liebt" des Künstlers Rosa von Praunheim soll in Nürnberg wieder gezeigt werden - aber nun in einer Galerie statt in einer Kirche. Die Bilder seien von Mittwoch (2. August 2023) an in der Kreisgalerie in Nürnberg zu sehen, teilte der Förderverein Christopher-Street-Day Nürnberg am Montag mit.

Die Schau zu Liebe, Sex und Homosexualität im Christentum war wegen negativer Reaktionen kurz nach ihrer Eröffnung in der Nürnberger Egidienkirche gestoppt worden. Danach seien aus der Nürnberger Kunstszene viele Angebote eingegangen, die Ausstellung aufzunehmen, hieß es.

Die Kirchengemeinde hatte zuvor von Reaktionen berichtet, die von ernstzunehmender Kritik bis Hass und Hetze reichten. "Zahlreiche Menschen fühlten sich in ihrem religiösen Empfinden verletzt", hieß es von der Gemeinde. Kurz darauf beschloss der Kirchenvorstand, die Schau nicht wieder zu öffnen.

Der schwule Künstler von Praunheim teilte mit, die Ausstellung solle fortan in Galerien und nicht wieder in einer Kirche gezeigt werden. Ab Anfang Oktober soll die Schau in München und im Dezember in Hamburg gezeigt werden.

Update vom 28.07.2023, 19.22 Uhr: "Jesus liebt"-Ausstellung zieht nach München und Hamburg

Die Nürnberger Egidiengemeinde wird nach heftigen Anfeindungen die "Jesus liebt"-Ausstellung des schwulen Künstlers Rosa von Praunheim nicht wieder öffnen. Das hat der Kirchenvorstand von St. Egidien und St. Sebald einstimmig beschlossen, wie die evangelische Kirchengemeinde mitteilte.

Die Ausstellung zu Liebe, Sex und Homosexualität im Christentum war am 20. Juli eröffnet und nach wenigen Tagen wegen der erregten Reaktionen wieder geschlossen worden, die laut Gemeinde von ernstzunehmender Kritik bis Hass und Hetze reichten. "Zahlreiche Menschen fühlten sich in ihrem religiösen Empfinden verletzt", hieß es in der Mitteilung. Das bedauere der Kirchenvorstand sehr. Aus der vorläufigen Schließung ist mit dem Beschluss des Kirchenvorstands nun eine endgültige geworden.

"Die Aufgabe der Kirche ist es, in der Kraft des Evangeliums zu einen, zu heilen und zu versöhnen", erklärte der geschäftsführende Pfarrer Martin Brons. "Wir bedauern sehr, dass die Ausstellung das Gegenteil bewirkt hat."

Daneben habe es ein "erhebliches Maß an Hass, Hetze, Unterstellungen und unbelegten Vorwürfen" gegeben. "Der Kirchenvorstand sieht in dieser Atmosphäre von Verunsicherung, Verletzung und Wut aktuell keine Möglichkeit mehr, einen zielführenden und versöhnenden Diskurs zu führen."

Leitende Köpfe der evangelischen Kirche in Bayern begrüßen unterdessen das vorzeitige Ende der umstrittenen Ausstellung. Die Nürnberger Regionalbischöfin Elisabeth Hann von Weyhern nannte die Entscheidung der Kulturkirche St. Egidien am Freitag (28. Juli 2023) "echt evangelisch". Allen Beteiligten sei bewusst, dass jedwede Entscheidung "irgendeine Gruppe vor den Kopf stoße", teilte der Kirchenkreis Nürnberg mit.

Die Ausstellung mit provokanten Bildern werde "dem Auftrag der Kirche nicht gerecht", teilte Hann von Weyhern mit. In einer "aufgeheizten Stimmung" könne die Debatte nicht konstruktiv geführt werden. Der Nürnberger Stadtdekan Jürgen Körnlein erklärte, "in einer Atmosphäre von Wut und Hass" könne die Ausstellung ihr Ziel nicht erreichen. Er plädierte, die evangelische Landeskirche solle ihr Verhalten gegenüber Homosexuellen aufarbeiten.

Filmemacher und Künstler Rosa von Praunheim hatte seine Ausstellung trotz Schließung als Erfolg gesehen. "Ich war begeistert natürlich, dass da eine Reaktion ist. Ist doch schön, wenn Leute sich aufregen", sagte der 80-Jährige dem Bayerischen Rundfunk. Ab Anfang Oktober werde die Ausstellung in der bayerischen Landeshauptstadt, im Dezember dann in Hamburg zu sehen sein, so der Künstler zu der Deutschen Presse-Agentur.

Von Praunheim teilte mit, "Jesus liebt" werde fortan in Galerien und nicht wieder in einer Kirche zu sehen sein. Die Schließung sei zu erwarten gewesen. Er sei "begeistert", dass durch das Aus Aufmerksamkeit für das Thema entstand. Der Kurator, Pfarrer Thomas Zeitler von der Nürnberger Egidiengemeinde, sei sehr mutig gewesen. Nun sei es "Zeit, dass sich die Kirche allgemein verändert".

Die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche kritisierte, die Kirche sei angesichts öffentlicher Entrüstung eingeknickt. Allen Modernisierungen der vergangenen Jahrzehnte zum Trotz sei die evangelische Kirche "kein sicherer Ort" für Homosexuelle, erklärte der Sprecher der Gruppe, Thomas Pöschl.

Update vom 27.07.2023, 18.26 Uhr: Ausstellung soll in anderen Städten weitergehen

Der Filmemacher und Künstler Rosa von Praunheim sieht seine wegen Protesten nach nur wenigen Tagen geschlossene Ausstellung in einer Nürnberger Kirche trotzdem als Erfolg. "Ich war begeistert natürlich, dass da eine Reaktion ist. Ist doch schön, wenn Leute sich aufregen", sagte der 80-Jährige dem Bayerischen Rundfunk. Er freue sich über die regen Diskussionen, die seine Bilder ausgelöst haben. Nach Nürnberg soll die Schau weiter nach München und Hamburg gehen, kündigte er an. "Die wird dann auch außerhalb der Kirche weiter bestehen."

Die Ausstellung in der Egidienkirche thematisiert den Umgang mit Liebe, Sex und Homosexualität im Christentum - zum Teil mit recht provokanten Motiven. Eins zeigt zum Beispiel den früheren Papst Benedikt XVI. umgeben von homosexuellen Männern, ein anderes eine Jesus-Figur, die diese beim Sex zu segnen scheint. Nur fünf Tage nach der Eröffnung entschied der Kirchenvorstand wegen vieler kritischer und empörter Stimmen, die Ausstellung vorerst geschlossen zu lassen. Eine endgültige Entscheidung steht noch aus.

"Der Pfarrer ist sehr mutig, dass er das überhaupt gemacht hat, dass er mich eingeladen hat", sagte von Praunheim. Er könne nachvollziehen, dass sich Leute in ihrem religiösen Empfinden verletzt fühlten, sagte von Praunheim. Er selbst sei streng katholisch und autoritär erzogen worden. "Ich bin erzogen worden, dass ich als Schwuler eben Höllenstrafen leiden muss." Davon habe er sich langsam befreien und zu seinem Schwulsein stehen können. Der in Berlin lebende Künstler gilt als einer der Wegbereiter der politischen Schwulen- und Lesbenbewegung in Deutschland.

Für die Bildserie habe er religiöse Kitschmotive aus dem Internet verarbeitet, sagte von Praunheim. "Wir sind seit Jahrhunderten beschallt worden mit diesen Kitschbildern der Kirche, mit den Helden, den Maria- und Jesus-Kitschbildern und so weiter. Das ist ja eine größere Beleidigung als meine Bilder." Es sei wichtig, dass diese nun Aufmerksamkeit erregten und zu Diskussionen führten. "Wir sind ja in einer Zeit, die wieder ins konservative, reaktionäre, rechte Lager schlittert und müssen aufpassen, dass die Schwulen nicht wieder eins auf den Deckel kriegen."

Die deutsche Sektion der Internationalen Kunstkritikervereinigung AICA kritisierte die vorläufige Schließung der Ausstellung scharf. "Die Freiheit der Kunst hängt ab vom kritischen Streit über sie. Dieser muss sich auf Fakten stützen, also auf die konkrete Machart von Bildern und Bilddetails", teilte deren Präsident Kolja Reichert mit. "In Nürnberg haben dagegen unbegründete Meinungen, Ressentiments und die Berufung auf Gefühle zur Schließung einer Kunstausstellung geführt."

Originalmeldung vom 26.07.2023, 12.10 Uhr: "Ficken für den Frieden": Ausstellung nach heftiger Kritik geschlossen - Queere Bilder bei "Jesus liebt"

Nach Kritik an teils expliziten sexuellen Darstellungen hat die Nürnberger Egidienkirche die Ausstellung "Jesus liebt" mit Bildern des Regisseurs Rosa von Praunheim vorübergehend geschlossen. Das habe der Kirchenvorstand bei einem Treffen am Dienstag beschlossen, heißt es auf der Homepage der Gemeinde. Es habe eine "Vielzahl an Rückmeldungen" auf die Ausstellung gegeben. Die Ausstellung war seit dem 21. Juli zu sehen. Davor hatten die Nürnberger Nachrichten und andere Medien über die Schließung berichtet.

Der geschäftsführende Pfarrer des Kirchenvorstands, Martin Brons, erklärte: "Wir stellen uns der Aufgabe, die entstandenen Verletzungen, die einzelne Bilder ausgelöst haben, ernst zu nehmen. Zugleich ist es auch unsere Aufgabe, in der weltoffenen Kulturkirche St. Egidien gesellschaftspolitisch und religiös herausfordernden künstlerischen Positionen Raum zu geben."

Zusammenarbeit mit Nürnberger CSD: Kritik an sexueller Darstellung

Rosa von Praunheim (80) gilt als einer der Wegbereiter der politischen Schwulen- und Lesbenbewegung in Deutschland. Dem Flyer zur Ausstellung zufolge enthielt die Ausstellung unter anderem "Männerpaare, die in großer Selbstverständlichkeit Leib, Liebe und Sexualität als lebens- und lustspendende Daseinskräfte 'zurückerobert' oder nie verloren haben". Drei Werke wurden dabei aufgrund "der explizit gezeigten sexuellen Aktivitäten, in einen geschützten Bereich hinter den Paravent platziert". Sie haben unter anderem die Titel "Der Papst träumt von der Liebe" und "Ficken für den Frieden".

Die Ausstellung war im Zusammenhang mit dem Nürnberger Christopher Street Day gestartet. Dessen Förderverein betonte am Mittwoch: "Wir halten diese Ausstellung für eine großartige Möglichkeit, um mit Menschen in Austausch zu treten, auch wenn wir nicht einer Meinung sind." Schon vor der Vernissage sei Verein und Kulturpfarrer klar gewesen, "dass die gezeigten Bilder in einer Kirche für manche Personen eine Provokation darstellen. Jedoch wollen wir lediglich die Auseinandersetzung mit Sexualität, und in diesem Fall der Homosexualität, fördern."

Man respektiere den Entschluss der Kirche, "nach kritischen Kommentaren die Ausstellung vorübergehend zu schließen", man wünsche sich aber, dass sie bald wieder öffne. "Denn eine dauerhafte Schließung würde ein ernsthaftes Bekenntnis zu einer Kulturkirche und der Öffnung der evangelischen Kirche infrage queerer Lebensentwürfe infrage stellen."