"Sind extrem geschockt": Polizei-Hundertschaft stürmt Club in Nürnberg - Betreiber erhebt schwere Vorwürfe

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Nürnberg: Rakete erhebt nach Razzia schwere Vorwürfen gegen Polizei - "extrem geschockt"
Der Geschäftsführer der Nürnberger "Rakete" übt nach der jüngsten Drogen-Razzia in seinem Club harsche Kritik an der Polizei ...
Nürnberg: Rakete erhebt nach Razzia schwere Vorwürfen gegen Polizei - "extrem geschockt"
Collage inFranken.de: Rakete

Nach einer Razzia mit mehr als 100 Polizisten erhebt der Nürnberger Club "Rakete" schwere Vorwürfe. "Wir sind immer noch geschockt von dem krassen Einsatz", erklären die Betreiber. Das Polizeipräsidium verteidigt derweil den Großeinsatz.

Im Nürnberger Elektro-Club "Rakete" ist es zu einem aufsehenerregenden Polizei-Großeinsatz gekommen. Mehr als 100 Beamten führten am vergangenen Sonntag (14. Mai 2023) in den frühen Morgenstunden des Sonntags  (14.05.2023) eine breit angelegte Drogen-Razzia in der Diskothek in der Südstadt durch. Die Club-Verantwortlichen erheben diesbezüglich schwere Vorwürfe gegen die beteiligten Polizisten.

"Wir sind immer noch geschockt von dem krassen Einsatz und hoffen, dass es allen zu diesem Zeitpunkt anwesenden Personen gut geht", hält das "Rakete"-Team am Tag darauf in einem Facebook-Post fest. Die "Rakete" sei "brutal von Polizeikräften übernommen" worden, heißt es darin wörtlich. Das Polizeipräsidium Mittelfranken bezieht gegenüber inFranken.de Stellung zu den Anschuldigungen. 

"Rakete" Nürnberg: Club-Betreiber wirft Polizisten bei Großrazzia unangemessenes Verhalten vor

Die "Rakete" zählt seit vielen Jahren zu den bekanntesten Elektro-Diskotheken in Franken. In seiner Anfangszeit eher ein Geheimtipp, stellt der Club in der Vogelweiherstraße heute einen populären Anlaufort für ein breites Publikum dar. Die jüngsten Geschehnisse stoßen bei den Rakete-Betreibern allerdings auf massives Unverständnis. "Um 4.45 Uhr am Sonntag hat eine Hundertschaft Polizisten die Räumlichkeiten der Rakete betreten und durchsucht", schildert Geschäftsführer Tom Zitzmann inFranken.de. "Sie sind dabei äußerst unangemessen und teilweise unprofessionell vorgegangen, wie mir meine Mitarbeiter und viele Gäste berichtet haben."

Die Beamten seien von zwei Seiten in den Laden gekommen und hätten mehrere Türen eingetreten und Schränke zerstört. "Dann wurden die Gäste, darunter viele Frauen gezwungen, sich öffentlich auszuziehen, manche direkt auf dem Flur, andere wurden zu Transportern und Zelten abgeführt", beklagt der Nürnberger Clubchef. "Als ich selbst um 9 Uhr in den Club kam, waren meine Mitarbeiter noch immer kreidebleich."

Der Betreiber berichtet davon, dass seit Monaten Kontrollen im näheren Umfeld der "Rakete" stattfänden, bei denen Besucher intensiv auf Drogenbesitz kontrolliert würden. "Wie mit unserem Club umgegangen wird, ist einfach inakzeptabel", erklärt Zitzmann. "Ich bin jetzt seit 30 Jahren im Clubgeschäft und ich habe das Gefühl, in Nürnberg sollen alle elektronischen Clubs einfach kaputtgemacht werden."

Polizeipräsidium tritt Anschuldigungen entgegen - und sieht Verdacht bestätigt 

Die Polizei weist diesen Vorwurf indes zurück. Die Maßnahmen fokussierten sich weder auf Betreiber bestimmter Gastronomiebetriebe noch Angehörige bestimmter Musik-Szenen. Das Präsidium verteidigt zudem das Vorgehen der Einsatzkräfte. Der Kontroll- und Durchsuchungsaktion vom 14. Mai lag demnach ein Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg zugrunde. "Dieser Beschluss basierte auf konkreten Erkenntnissen der Polizei", teilt Michael Konrad, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Mittelfranken inFranken.de am Freitag (19. Mai 2023) auf Anfrage schriftlich mit.

Über die vergangenen Monate hinweg sei durch Streifen im direkten Umfeld der betroffenen Diskothek "eine signifikante Häufung" von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz festgestellt worden. "Zudem verfestigten sich Hinweise darauf, dass diese Delikte einen Bezug zur betroffenen Diskothek und deren Besucher aufwiesen." Mit Blick auf die Bilanz der jüngst durchgeführten Kontrolle sehe die Polizei ihren Verdacht bestätigt.

"Bislang wurden rund 40 Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Drogenbesitzes sowie in mehreren Fällen auch wegen des Verdachts des Handelns mit Betäubungsmitteln eingeleitet", erklärt der Sprecher des Präsidiums. Laut Polizeibericht wurde in mehr als drei Dutzend Fällen Betäubungsmittel sichergestellt - darunter mutmaßlich Amphetamin, Kokain, Ecstasy, Crystal und Marihuana. In einem Fall sei eine Person mit knapp 90 Tabletten Ecstasy angetroffen worden.

Mehr als 100 Polizisten an Aktion beteiligt - Clubbesucher müssen sich teils entkleiden

Laut Polizeiangaben waren an dem Einsatz am vergangenen Wochenende über 100 Kräfte der Polizeiinspektion Nürnberg-Süd, des Einsatzzugs Ansbach sowie der Bayerischen Bereitschaftspolizei (USK) beteiligt. Das Polizeipräsidium rechtfertigt diesbezüglich das von den "Rakete"-Verantwortlichen als "brutal" bewertete Erscheinen der Polizisten. "Die Durchsuchung der Diskothek fand während des Betriebs und in Anwesenheit von über 200 Besuchern statt." Eine zielgerichtete Durchsuchung sei nur zu erreichen, wenn die Räumlichkeiten so schnell wie möglich betreten werden könnten. So solle verhindert werden, dass etwaige mitgeführte Drogen weggeworfen werden.

"Im vorliegenden Einsatz war es in diesem Zusammenhang auch notwendig, mehrere verschlossene Türen im Inneren der Diskothek gewaltsam zu öffnen", konstatiert Konrad. Der Darstellung des "Rakete"-Chefs, wonach sich die Gäste teils öffentlich auszuziehen hatten, widerspricht das Präsidium. Zur Wahrung der Intimsphäre habe die Polizei Vorkehrungen getroffen. Für die Durchsuchung von Besuchern seien im Club abschließbare Räumlichkeiten genutzt worden - sowie von außen nicht einsehbare Fahrzeuge. "Feindurchsuchungen, die ein teilweises Entkleiden betroffener Personen notwendig machten, fanden zum einen ausschließlich nach dem Vorliegen eines konkreten Anfangsverdachts, zum anderen in abgeschlossenen Räumlichkeiten statt", hält der Polizeisprecher fest. 

Der "Rakete"-Geschäftsführer verweist derweil auf eigene Eingangskontrollen. "Seit 2018 haben wir die Auflage vom Ordnungsamt, jede einzelne Person vor dem Eintritt in die Rakete zu durchsuchen", berichtet Tom Zitzmann inFranken.de, "und das machen wir auch äußerst strikt." Die Gäste werden demzufolge abgetastet und müssen ihre Hosentaschen, Jacken und Taschen komplett leeren. "Wir können und dürfen natürlich nicht jeden Gast bis auf die Unterhose filzen, das ist auch klar." 

"Rakete"-Chef erwägt juristische Schritte - Polizei sieht Verhältnismäßigkeit von Durchsuchung gewahrt

"Wir haben jede Woche Top-DJs aus aller Welt zu Gast und genießen in ganz Deutschland hohes Ansehen, haben eine Menge Geld in den Umbau investiert und wollen uns dieses Modell sicher nicht gefährden", betont Zitzmann. Das Vorgehen bei Kontrollen in den Nürnberger Elektro-Clubs werde "immer problematischer" und sei "insgesamt unverhältnismäßig", kritisiert der Betreiber.

Der Polizeisprecher hält auch in diesem Punkt dagegen. In Betracht der Erkenntnisse zum Handel mit synthetischen Drogen in und um die betroffene Diskothek habe die Durchführung der Durchsuchung aus Sicht des Präsidiums "nicht außer Verhältnis" gestanden.

Zitzmann erwägt unterdessen aktuell juristische Schritte. "Insgesamt sind durch die Razzia rund 10.000 Euro Schaden entstanden", moniert der Geschäftsführer der Nürnberger "Rakete".