Druckartikel: Jesuitenpater war acht Monate Gefangener der Taliban

Jesuitenpater war acht Monate Gefangener der Taliban


Autor: Marion Krüger-Hundrup

Nürnberg, Mittwoch, 10. Juni 2015

Pater Alexis Prem Kumar, bislang in Afghanistan Länderdirektor des Internationalen Jesuiten-Flüchtlingsdienstes, wurde von radikalen Islamisten entführt. Todesangst beherrschte ihn, aber auch eine verblüffende Erkenntnis.
Pater Alexis Prem Kumar berichtet in der Nürnberger Jesuitenmission von seiner Geiselhaft durch die Taliban. Foto: Marion Krüger-Hundrup


Rein äußerlich ist dem Jesuiten Alexis Prem Kumar nicht anzumerken, welche Spuren die Torturen hinterlassen haben: "Körperlich habe ich mich von den Strapazen erholt," sagt der 48-Jährige, der auf Einladung der Nürnberger Jesuitenmission eine Auszeit in Deutschland nimmt. Immerhin habe er in seiner Heimat Indien psychologische Betreuung erhalten, um das grausame Erlebte irgendwie verarbeiten zu können: "Acht Monate und 20 Tage war ich in der Gewalt der Taliban." Stets bedroht von Gewehren und Messern, gefesselt an Händen und Füßen, in einer Hundehütte oder Höhle als Behausung.

Pater Prem war bislang Länderdirektor des Internationalen Jesuiten-Flüchtlingsdienstes (JRS) in Afghanistan. Dieser begleitet zurückgekehrte Flüchtlinge, die viele Jahre im Exil im Iran und in Pakistan gelebt hatten.

Vor allem Bildung - gerade auch für Mädchen und Frauen - sowie Gesundheit gehören zu den Schwerpunkten der JRS-Projekte in Bamiyan, Daikundi. Kabul und Herat.

Immer wieder erreichten Pater Prem und seine Mitbrüder Warnungen, dass die Taliban ein Auge auf sie geworfen hätten. Dass die Gefahr einer Entführung greifbarsei. Und tatsächlich wurde der Besuch einer vom JRS unterstützten Schule im Dorf Sohadat 25 Kilometer von der Provinzhauptstadt Herat im westlichen Afghanistan entfernt Pater Prem im Sommer 2014 zum Verhängnis.

Erst in der Hand Krimineller, dann Gefangener der Taliban

"Auf einmal tauchte ein Fahrzeug mit vier bewaffneten Männern auf. Ich rannte um mein Leben, aber sie schossen und binnen zweier Minuten hatten sie mich in ihrer Gewalt." Die Entführer hätten ihm sofort sein Handy abgenommen, und seien dann mit ihm auf dem Rücksitz zwei Stunden bis zu einem Dorf gefahren. Nach acht Tagen wurde dem Jesuiten mitgeteilt, seine Regierung habe Lösegeld für ihn bezahlt - 20.000 US-Dollar, er sei jetzt ein freier Mann. Doch statt ihn freizulassen, lieferten die Kidnapper ihn einer anderen Gruppe aus.

Bei ihnen verbrachte der indische Pater die restliche Zeit seiner Geiselhaft. Ständig wechselte man den Ort: "In der ganzen Zeit habe ich weder Kinder noch Frauen gesehen." Die ersten Entführer seien wohl Kriminelle gewesen, die zweiten Taliban, die kein Geld wollten, aber auch nie direkt sagten, warum sie ihn gekidnappt hatten. "Sie wussten, dass ich Ausländer und Christ bin", vermutet Prem als möglichen Grund. Laut habe er zu Allah gebetet: "Dann haben sie mich in Ruhe gelassen." Der Jesuit erzählt sogar von einem "guten Taliban", der ihm besseres Essen zuschob oder seine Hände ungefesselt ließ. Gleichwohl habe ihn Todesangst beherrscht, und die Suche nach einer Fluchtgelegenheit.

Der Jesuit findet Halt im Glauben

Was ihn bei Verstand hielt, bringt der Jesuit auf den knappen Punkt: "Jesus, mein Retter!" Dieses Stoßgebet habe er ständig wiederholt, sich mit spirituellen Übungen über Wasser gehalten. "Ich fühlte mich als einziger Gefangener der Welt und wusste nie, was die nächste Minute bringt: Tod oder Leben", erschauert Pater Prem sichtlich. Doch bei allen erduldeten Qualen sei kein Hass auf die Taliban aufgekommen.

"Ich kann ihnen als Christ vergeben", bekennt er nachdrücklich eine Erkenntnis, die ihm nach seiner plötzlichen Freilassung nahe der pakistanischen Grenze gekommen ist. Die internationale Jesuitengemeinschaft und die indische Regierung hätten sich für ihn eingesetzt. Das sei alles, was er über dieses erstaunliche Faktum wisse.
Mit dem Ende des Jahrs 2014 lief das Mandat für die Nato-geführte ISAF-Truppe in Afghanistan aus. Allerdings bleiben die Nachfolgemission "Resolute Support (RS)" sowie eine gesonderte US-Mission unter der Bezeichnung "Freedom's Sentinel" vorerst im Land. Dennoch überziehen die Taliban weiterhin Afghanistan mit Terroranschlägen.

Das schreckt Pater Prem aber nicht: "Wenn meine Ordensoberen und Gottes Plan es wollen, kehre ich nach Afghanistan zurück", betont der Jesuit. Natürlich lehne er die fundamentalistische Ideologie der Taliban ab. Er könne nur für den Frieden in Afghanistan beten - wissend, dass ein Frieden auch von der Weltgemeinschaft abhänge.