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Großraum Nürnberg: Auf der Schiene herrscht Chaos


Autor: Klaus Angerstein, Nikolas Pelke

Nürnberg, Dienstag, 08. Juli 2014

Nach den Autofahrern lernen nun auch Zugpendler immer öfter die Rushhour in ihrer ganzen Grausamkeit kennen. Die Ausfälle am Montag auf der Strecke zwischen Bamberg und Nürnberg dürften erst der Anfang gewesen sein.
Zwischen Nürnberg und Bamberg bzw. umgekehrt ging am Montag auf der Schiene zeitweise nichts mehr. Foto: Nikolas Pelke


Ines hat sich schon einen Tag vorher in den Zug gesetzt, um bloß nicht zu spät zu kommen. "Ich bin schon am Sonntagabend von Nürnberg mit dem Regionalexpress nach Erlangen gefahren, damit ich bei meiner Klausur am Montagmorgen auf jeden Fall pünktlich bin", erzählt die 21-jährige Französisch-Studentin auf dem Bahnsteig am Nürnberger Hauptbahnhof. Zur Zeit sei es wirklich schlimm mit den Zug-ausfällen und Verspätungen, sagt die Studentin und steigt in die Regionalbahn, die an diesem Dienstag pünktlich und planmäßig von der Frankenmetropole über Fürth, Erlangen und Bamberg nach Schweinfurt fährt.

Viele Pendler hatten diese dunkle Vorahnung nicht und saßen am Montagmorgen stundenlang auf dem Weg zur Uni oder zur Arbeit fest. Insgesamt 119 Züge zwischen Bamberg und Nürnberg waren am Montag betroffen.

Bei der Fahrt eines Schienenschleifzuges, der in der Nacht zum Montag für planmäßige Instandhaltungsarbeiten auf der stark frequentierten Strecke zwischen Bamberg und Nürnberg unterwegs war, wurden fünf Signalkabel mit insgesamt 140 Adern bei Fürth beschädigt. Gegen 7.15 Uhr fiel zudem das Stellwerk in Erlangen aus. Tausende Pendler standen sich zum Auftakt der Arbeitswoche auf Bahnhöfen entlang der Strecke die Beine in den Bauch.

Inzwischen hat die Bahn herausgefunden, dass der Stellwerksausfall in Erlangen eine Folge des Kabelschadens zwischen Vach und Fürth war. Die meisten Pendler wussten am Montagmorgen freilich nicht, warum die Züge nicht fahren. "Alles steht!", schrieb Stefan F. um 7. 55 Uhr genervt auf Facebook im Internet. Verspätungen bis zu drei Stunden mussten die Bahnreisenden im Nahverkehr am Montag teilweise in Kauf nehmen. Trotz eines schnell eingerichteten Schienenersatzverkehrs kamen viele zu spät am Montagmorgen. "Mittlerweile ist ein Ersatzverkehr eingerichtet. Für mich und meine Prüfung in diesem Fall zu spät", schreibt der Student Jens W. auf der Facebook-Seite von infranken.de, als viele schon an die Mittagspause denken. "Die Unannehmlichkeiten für die Reisenden bedauern wir", beteuert ein Sprecher der Bahn am Dienstag. Bis zu 14 Busse seien am Montag zwischen Fürth und Forchheim zeitweise im Einsatz gewesen. Zu Schulbeginn und -ende seien es freilich weniger gewesen, weil die Busse im Schülerverkehr gebraucht worden seien.


Bahn-Sprecher ist guten Mutes

Indes könnte das "Bahn-Chaos" am Montag nur ein Vorgeschmack auf weitere "Chaos-Tage" im regionalen Zugverkehr sein. Hintergrund ist der viergleisige Ausbau der Strecke zwischen Nürnberg und Ebensfeld im Rahmen des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit. Der Bahn-Sprecher ist dagegen guten Mutes, dass die erheblichen Schwierigkeiten trotz der regen Bautätigkeit auf der Strecke nicht die Regel werden. "In unserem eigenem Interesse bemühen wir uns sehr, dass der Bahnbetrieb durch die Bauarbeiten so wenig wie möglich beeinträchtigt wird", sagt der Sprecher der Bahn. Man sei zuversichtlich, dass ein Vorfall wie am Montag die "absolute Ausnahme" bleibe.

Viele Pendler glauben freilich, dass unabhängig von den Bemühungen der Bahnverantwortlichen um die Aufrechterhaltung eines halbwegs funktionierenden schienengebundenen öffentlichen Personennahverkehrs in den nächsten Jahren auf der Strecke zwischen Ebensfeld und Nürnberg, Baustellen, Vollsperrungen und Ersatzbusse den Bahnverkehr auf dieser Strecke in den nächsten Jahren immer wieder beeinträchtigen oder sogar vollständig zum Erliegen bringen könnten.


34 Wochen Vollsperrung

So wird beispielsweise die Strecke zwischen Ebensfeld und Bamberg im Jahr 2016 allein 34 Wochen wegen der ICE-Ausbauarbeiten vollständig gesperrt sein. Teilsperrungen werden wohl auch auf der Strecke zwischen Bamberg und Forchheim für die zahlreichen Pendler aus Oberfranken, die ihren Arbeitsplätze in Erlangen oder Nürnberg erreichen wollen, eine ständige Herausforderung bleiben. Der Fortschritt von morgen muss wohl nicht nur auf der Straße mit dem Stau von heute bezahlt werden.

Der Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Martin Burkert (SPD) aus Nürnberg, weist darauf hin, dass der viergleisige Ausbau der Strecke einen "positiven Einfluss auf den Regionalverkehr und durch die gesonderte Führung der S-Bahn auch auf den örtlichen ÖPNV" haben wird. Eine wesentliche Entlastung und eine Vermeidung von Störungen dürfte seiner Meinung nach vor allem auch durch den Bau der Güterzugtunnels in Fürth erreicht werden.

Freilich weiß auch Burkert, dass der Ausblick auf die rosige Zukunft die genervten Bahn-Pendler von heute nur wenig besänftigen wird. Deshalb sagt Burkert: "Pünktlichkeit ist und bleibt das ,Butter- und Brotgeschäft` der Bahn."