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Frankenschnellweg: "Es ist ein Drama" - Nürnberger Professorin fordert Alternativen


Autor: Nikolas Pelke

Nürnberg, Donnerstag, 18. Januar 2018

Die aktuell verfahrene Situation ist für die Nürnberger Städtebau-Professorin Ingrid Burgstaller ein guter Anlass, den Frankenschnellweg neu zu überdenken.
Die aktuell verfahrene Situation ist für die Nürnberger Städtebau-Professorin Ingrid Burgstaller ein guter Anlass, den  Frankenschnellweg neu zu überdenken. Foto: Christian Höhn


Ingrid Burgstaller, Professorin für Städtebau und Stadtplanung an der TH-Nürnberg, hat sich intensiv mit dem Frankenschnellweg beschäftigt. Gemeinsam mit ihren Studenten hat die renommierte Architekten im letzten Wintersemester nach Alternative für den kreuzungsfreien Ausbau gesucht. Die neuerlichen Verzögerungen wären für Burgstaller eine gute Gelegenheit, die strittigen Pläne erneut zu diskutieren.

Was ist der Ausbau in Ihren Augen: ein Drama, ein Trauerspiel oder eine Komödie?
Ingrid Burgstaller: Es ist ein Drama, weil der Ausbau ein altes Rezept nach dem Muster der autogerechten Stadt verfolgt. Natürlich brennt uns noch der Verkehr unter den Nägeln. Wir haben aber gleichzeitig das Problem, Wohnraum in der Stadt schaffen zu müssen. Für mich liegt das Drama darin, dass man den Frankenschnellweg nicht als Stadtstraße sondern als Autobahn denkt. Der Vorteil einer Stadtstraße wären die geringer Abstände für eine Wohnbebauung. Ich plädiere für eine großstädtische Magistrale. Mir schwebt ein Boulevard mit Bäumen, Gehwegen, Parkplätzen und Wohnbebauung an den Straßenrändern mit Geschäften im Erdgeschoss und Wohnungen darüber vor. Die Arbeiten der Studierenden haben gezeigt, dass intelligente Konzepte auch das Lärmproblem in den Griff bekommen können.


Wie würden Sie einem Außerirdischen die verfahrene Situation in drei Sätzen schildern?
Ingrid Burgstaller: Das Problem ist, dass eine Autobahn in der Stadt mündet. Der Grundfehler ist, dass die autogerechte Stadt mit einer menschengerechten Stadt nicht kompatibel ist. Autogerechte Städte wie Kassel oder Hannover haben das inzwischen eingesehen, und bauen ihre autogerechten Verkehrsinfrastrukturen wieder mühselig in urbane Straßendimensionen zurück. Ein Außerirdischer würde das Problem wahrscheinlich nur schwer verstehen. Diesem müsste man die europäische Stadt erklären, die nicht mono- sondern multifunktional ist. Die nur auf den Autoverkehr ausgerichtete Motorstadt verträgt sich nicht mit dem Modell der europäischen Stadt. Eine der Grundideen dieser europäischen Stadt ist, dass alle Menschen - egal ob Fußgänger, Rad- oder Autofahrer - gleichberechtigt sind.

Wo liegt der Denkfehler in Nürnberg?
Ingrid Burgstaller: Interessant ist, dass der Streit sich daran entzündet, ob es sich um eine Kreis- oder Schnellstraße handelt. Das ist genau die Ursache des Konflikts. Man hat keine Stadtstraße geplant. Sondern man will eine anbaufreie Stadtautobahn durch Nürnberg bauen. Damit hängt man die westlichen Stadtteile St. Leonhard oder Schweinau ab - die Potentiale einer lebendigen Stadt wären dauerhaft verbaut, denn diese Stadtteile sind nicht integriert. Die Stadt endet mental am Frankenschnellweg. Schauen Sie sich Gostenhof auf der stadtnahen Seite des sogenannten Frankenschnellwegs an: Dieser Stadtteil brummt seit Jahren.

Was würden Sie sich wünschen?
Ingrid Burgstaller: Für die Zukunft von Nürnberg würde ich mir wirklich wünschen, dass über eine städtische Umsetzung des Frankenschnellwegs noch einmal intensiv und ernsthaft nachgedacht wird. Auch weil wir Probleme wie fehlenden Wohnraum und Luftverschmutzung lösen müssen. Wir brauchen eine städtische Auffassung des Frankenschnellwegs. Ich würde für einen Frankenboulevard plädieren, bei dem die Stadt das Wörtchen "schnell" aus dem Straßennamen streicht. Der kreuzungsfreie Ausbau mit all seinen Rampen, Fahrspuren und Schallschutzwänden in der jetzigen Form wäre eine eindeutige Bevorzugung des motorisierten Verkehrs. Der Motor für urbane Entwicklung ist aber der öffentliche Nahverkehr. Hier brauchen wir in Nürnberg einen Paradigmenwechsel. Der Wahnsinn ist ja, dass wir beim Frankenschnellweg rund um die Rothenburger Straße schon den kompletten Nahverkehr haben. Sogar eine U-Bahn, mit der man in zwei Stationen im Zentrum ist. Nur will keiner dort aussteigen. Das ist das ganze Drama.

Der Nürnberger Bürgermeister Christian Vogel (SPD) hat sich ihre Visionen, die Sie mit Studenten entwickelt haben, im letzten Jahr angesehen. Wie optimistisch sind Sie, dass die Politik die Kraft findet, den Vorschlägen der Wissenschaft doch noch zu folgen?
Ingrid Burgstaller: Die Hoffnung stirbt zuletzt (lacht). Ich weiß, dass das für die Politiker nicht einfach ist. Die aktuell verfahrene Situation wäre ein super Anlass, den Ausbau des Frankenschnellwegs neu zu denken. Meine Bitte wäre, das offenen Herzens zu tun. Die Stadt muss sich die Alternativen anschauen und alle Argumente in die Waagschale werfen. Ich bin überzeugt, dass die Stadt dann zu einem anderen Konzept kommt. Ein anderer Ausbau, besser Umbau könnte ein richtiger Befreiungsschlag für Nürnberg werden.