Franken wird aufgemöbelt: Einrichtungsbranche boomt
Autor: Günter Flegel
Nürnberg, Freitag, 31. Januar 2014
Das Wort Krise kennt die Einrichtungsbranche offenbar nicht. Die großen Unternehmen expandieren weiter und locken die Kunden mit Rabatten wie noch nie. Franken ist ein wahres Paradies für Möbelkäufer.
Wer soll das alles kaufen? Wann immer ein Möbelriese wie zuletzt Höffner in Fürth einen neuen Einkaufstempel aus dem Boden stampft, schwirren die gleichen Fragen durch den Raum. Die Kundschaft staunt - und steht im nächsten Moment in der Schlange vor dem Eingang. Schnäppchenjagd.
Der Möbelhandel definiert sich vor allem in Deutschland über zwei Faktoren: Größe und Preis. Der Laden muss groß, die Auswahl riesig sein, die Preise umgekehrt so klein wie möglich.Wohin das führt? Beim Verband der deutschen Möbelindustrie sieht man die Rabattschlacht der Handelsriesen sehr kritisch, obgleich, man kann es kaum glauben mehr als zwei Drittel der in Deutschland verkauften Möbel noch immer aus deutscher Produktion stammen, wie Andre Kunz vom Verband der Möbelhändler betont.
Doch der Präsident der Möbelhersteller, Elmar Duffner, spricht von einer "Verramschung". Kleinere Häuser hätten gegen die übermächtige Konkurrenz kaum noch eine Chance, und auch für die Hersteller wird das Geschäft immer schwieriger. In der Möbelbranche, so Duffner, gilt sogar China schon als Hochpreisland. Viele Billig-Möbel, die in den Mitnahmemärkten landen, werden aus Thailand und Indien importiert.
Mit dem Preis verfällt auch die Wertschätzung, so der Verbandssprecher. Möbel sind zu Verbrauchsgütern geworden, beinahe Wegwerfartikeln. "Prestigeträchtige Produkte sind heute nicht mehr so sehr Wohnwände oder Küchen, sondern Elektronik, Autos und Reisen."
Die Umsätze bleiben stabil
Trotzdem: Die Umsätze der Möbelbranche sind vergleichsweise stabil. 30 Milliarden Euro waren es 2013, ein gutes Prozent weniger als 2012, aber das sieht eine Branche gelassen, in der die zehn Großen fast die Hälfte des Umsatzes erwirtschaften. Für 2014 erwarten die Möbelhändler wieder ein sattes Plus. Die Konjunkturerwartungen insgesamt sind positiv, der Wohnungsbau floriert, "und neue Wohnungen wollen eingerichtet werden", sagt Thomas Grothkopp, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Wohnen und Büro. "Die Deutschen genießen ihr individuelles Ambiente zuhause."
In dieser Aussage findet man auch eine Erklärung, warum das vergleichsweise dünn besiedelte ländliche Franken in den letzten Jahren zu einem Dorado der Möbelriesen geworden ist: Höffner, Neubert/Lutz, Ikea, Schulze, Segmüller, Pilipp ... buhlen um die Käufergunst. "Das Eigenheim steht in Franken hoch im Kurs. Die knallharte Konkurrenz der Möbelhäuser lässt die Preise sinken, und das macht den Tapetenwechsel für die Kunden erschwinglich", erklärt ein Branchenkenner, warum die Abwärtsspirale bei den Preisen die Expansion der Branchen-Krösusse weniger bremst als beflügelt.
Die Wohnungseinrichtung ist heute keine Anschaffung mehr fürs Leben, wie noch vor einer Generation. Selbst für die neue Küche muss der Kunde keinen Bausparvertrag mehr auflösen. Den Bevölkerungsrückgang kompensiert aus Händler-Sicht der Trend zum Ein-Personen-Haushalt: Immer mehr Singles leisten sich, freiwillig oder gezwungen, eine eigene Wohnung. Die im Beruf geforderte Mobilität kommt noch hinzu: Die eigenen vier Wände sollen, auch wenn sie nur vorübergehend das Zuhause sind, gemütlich sein.
300 Euro für Möbel
Das alles stimmt die Händler erwartungsfroh, auch und gerade in der Möbelbranche: Weit mehr als 300 Euro gibt jeder Deutsche jedes Jahr für Möbel aus, ein Spitzenwert in Europa, dem bislang keine Konjunkturkrise etwas anhaben konnte. Die Kauflaune ist derzeit so groß wie schon lange nicht mehr, auch wegen der niedrigen Zinsen: Sparen ist nicht mehr attraktiv, das Geld wird ausgegeben. Die Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) belegen das: "Die Anschaffungsneigung legt noch einmal zu und übertrifft ihr Sieben-Jahres-Hoch aus dem Vormonat. Der deutliche Anstieg des Konsumklimas wird durch ein neuerliches Abrutschen der Sparneigung gestützt", sagt Jan Säger von der GfK.
Die Eingangsfrage "Wer soll das alles kaufen" ließe sich also umdrehen: "Wo soll man das viele Geld ausgeben?" Der Möbelhandel verfügt in Deutschland über eine Verkaufsfläche von 23 Millionen Quadratmetern, 3300 Fußballplätze. In Franken sind es knapp eine Million Quadratmeter. Die größeren Häuser kommen auf 623 000 Quadratmeter mit dem Schwerpunkt Unterfranken (252 000 Quadratmeter). Den Franken stehen umgerechnet etwa 0,20 Quadratmeter Möbel-Verkaufsfläche pro Kopf zur Verfügung, etwas weniger als im Bundesdurchschnitt (0,29 Quadratmeter). Da ist noch Luft nach oben.
Kommentar von Günter Flegel: Mehr als Möbel und Co.: Das Kaufhaus wird zum Marktplatz
Größer, schöner, billiger: In kaum einem anderen Segment des Konsums wird so geklotzt wie bei den Möbeln. Der Kunde profitiert, wenn er kritisch vergleicht, von den Massenumsätzen der großen Einkaufsverbände, die dafür sorgen, dass man mehr konsumieren kann, ohne mehr Geld auszugeben. Irgendwie muss man die steigenden Energiepreise ja wieder reinholen..
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Ernsthaft betrachtet, stehen die Konsumtempel für einen gefährlichen Trend: raus aus der Innenstadt auf die grüne Wiese. Das kann im Verein mit dem demografischen Wandel das Todesurteil für gewachsene urbane Strukturen sein. Vielleicht ist es aber auch eine Chance, städtebauliche Konzepte neu zu denken. Die Welt verändert sich, und das Tempo beschleunigt sich noch.
Immerhin treffen sich auf diesen neuen Marktplätzen die Menschen noch leibhaftig. In der virtuellen Welt der Online-Shops geht der Mensch verloren. Die technischen Möglichkeiten überfordern Gesellschaft und Politik. Schöner, größer und billiger als das Internet kann es keiner. Ob die gute neue Zeit lebenswerter ist als die alte, muss sich aber noch zeigen.