Flaute im Nürnberger Rotlicht-Milieu: Sex-Branche protestiert gegen Corona-Stillstand
Autor: Nikolas Pelke
Nürnberg, Freitag, 29. Mai 2020
An der Frauentormauer herrscht immer noch „tote Hose“. Am kommenden Dienstag zum "Welt-Hurentag" soll gegen den Stillstand der Sex-Branche am Nürnberger Hauptbahnhof mit einer symbolischen Aktion demonstriert werden.
Die Corona-Krise hat den erotischen Dienstleistungsbereich schwer getroffen. Der Betrieb in den Bordellen wie an der Nürnberger Frauentormauer ist aktuell untersagt. Zum "Welt-Hurentag" am Dienstag (02.06.2020) soll gegen den Stillstand der Sex-Branche am Nürnberger Hauptbahnhof mit einer symbolischen Aktion demonstriert werden.
- Stillstand: Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ist der Betrieb von Bordellen wie an der Nürnberger Frauentormauer untersagt
- Beratung: Der Nürnberger Verein „Kassandra“ berät jährlich rund 1200 Prostituierte in Nürnberg
- Protest: Mit einer symbolischen Aktion unter dem Motto „Unser Arbeitsplatz steht leer“ will „Kassandra“ am Dienstag (02.06.2020) im Hauptbahnhof zum „Welt-Hurentag“ auf die prekäre Situation der Rotlicht-Branche in Nürnberg aufmerksam machen
Frauentormauer: Im Nürnberger Rotlicht-Viertel herrscht „tote Hose“
Die Laternen sind aus, die Rollos geschlossen: An der Nürnberger Frauentormauer herrscht immer noch „tote Hose“. Während überall in der Frankenmetropole nach dem Corona-Lockdown die Lichter langsam wieder angehen, ist die wohl sündigste Meile in Franken immer noch ein großes Sperrgebiet. Mit gravierenden Folgen für die Damen, die vor der Pandemie hinter den vielen Schaufenstern meist leicht bekleidet um Freier gebuhlt haben, ist sich Manuela Göhring von der Nürnberger Beratungsstelle „Kassandra“ sicher.
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Die Sexarbeit-Branche sei „sehr hart“ von Corona getroffen worden, sagt Göhring. „Von heute auf morgen“ seien sämtliche Prostitutionsstätten geschlossen worden. Mit schwerwiegenden Auswirkungen für die Beschäftigten in dem horizontalen Gewerbe. Sexarbeiter hätten häufig einen Komplettausfall ihrer Einnahmen verkraften müssen. Die meisten verdienen „gar nichts“ mehr, sagt Göhring und verweist darauf, dass viele Prostituierte bereits zuvor häufig am Rande des Existenzminimums gelebt hätten.
Mit staatlichen Hilfe könnten die Frauen aus dem Milieu in dieser misslichen Lage kaum rechnen. Die allermeisten Sexarbeiterinnen würden als Solo-Selbstständige arbeiten. Statt Kurzarbeit könnten die Damen aus dem Rotlicht-Viertel nur Hartz-4 beantragen. Durch den Corona-Stillstand seien viele obendrein Frauen in Wohnungsnot geraten. In einigen Ausnahmefällen seien Bordell-Betreiber so freundlich gewesen, die Betroffenen in den geschlossenen Häusern in der Frauentormauer unterzubringen. „Einfach damit die Menschen nicht auf der Straße stehen.“ Mittlerweile habe sich die Wohnsituation allerdings verschärft.
Wegen Corona: Bordellbetreiber stehen kurz vor Insolvenz
Einige Bordellbetreiber stünden mittlerweile wohl kurz vor der Insolvenz. Andere würden den langen Stillstand für Renovierungsarbeiten nutzen. Tatsächlich sind an der Frauentormauer derzeit häufig Bauarbeiter zu sehen. Sprechen wollen die Männer mit Reportern aber nicht. Auch die Frauen sind zurückhaltend. Aus der Szene ist zu hören, dass viele Frauen in ihre osteuropäischen Heimatländer zurückgegangen seien. Berichtet wird auch, dass manche Sexarbeiter wohl im Verborgenen versuchen würden, ihre Dienste trotz Corona-Verbot im Geheimen illegal anzubieten oder im Internet ihr Auskommen zu suchen.
Derzeit wird die Kundschaft an der Frauentormauer mit kleinen Plakaten auf unbestimmte Zeit vertröstet. Wann der Betrieb an der Frauentormauer wieder starten kann, steht laut Manuela Göhring von der Nürnberger Beratungsstelle „Kassandra“ freilich nach wie vor in den Sternen. Zwar habe der „Bundesverband erotische und sexuelle Dienstleistungen“ (BesD) kürzlich ein Corona-Konzept vorgelegt. Der Vorstoß, das älteste Gewerbe lediglich mit einer Masken-Pflicht wieder zum Laufen zu bringen, sei aber allgemein eher belächelt und nicht ernst genommen worden.