Ende der Delfinhaltung? Tiergarten ist "zweckoptimistisch"
Autor: Irmtraud Fenn-Nebel
Nürnberg, Mittwoch, 15. Mai 2013
Am 15. Mai entscheidet der Agrarausschuss in Berlin über ein mögliches Ende der Delfinhaltung im Nürnberger Tiergarten. Der Zoo gibt sich vor der Anhörung "zweckoptimistisch".
Als unsere Zeitungs- und Onlineredaktionen im Juli 2011 über die Eröffnung der Delfinlagune im Nürnberger Tiergarten berichteten, hatte die Geschichte zwei Seiten: Tiergartendirektor Dag Encke freute sich über den Platzgewinn für die Delfine, die fortan im Meerwasser schwimmen konnten. Doch die Kritik an der Delfinhaltung ebbte trotz der Baumaßnahme nicht ab, Delfinschützer warfen dem Zoo Tierquälerei vor. Jetzt hat die Diskussion ihren Höhepunkt erreicht: Der Agrarausschuss des Deutschen Bundestages könnte am Mittwoch, 15. Mai, das Ende der Delfinhaltung beschließen. Wäre das auch das Ende der Tiere, wie die Bild-Zeitung in ihrer Ausgabe vom 15. Mai groß ankündigt? "Auf keinen Fall", sagt Nicola Mögel, Sprecherin des Tiergartens auf unsere Anfrage. "Wir würden die Delfine nicht umbringen."
Die Anhörung wird auf Wunsch der Grünen vom Bundestagsausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz durchgeführt. Sie beginnt am 15. Mai um 15 Uhr in Berlin und dauert zwei Stunden. Die Grünen fordern das Ende der Delfinhaltung und berufen sich dabei auf Aussagen des Wal- und Delfinschutz-Forums (WDSF). Das WDSF argumentiert, die Haltungsbedingungen in Delfinarien seien katastrophal und die Tiere würden leiden. Die Organisation bezieht sich unter anderem auf eine Stellungnahme der Ruhr-Universität Bochum.
Zahlreiche Wissenschaftler sprechen sich in ihren Stellungnahmen zu diesem Antrag indessen für die Fortführung der Delphinhaltung aus. Darunter ist der Leibnizpreisträger von 2013, Prof. Onur Güntürkün, der in seinem Schreiben den Wunsch äußert, dass es schön wäre, "wenn der Bundestag eine Entscheidung trifft, die auf wissenschaftlichen Fakten und nicht auf Äußerungen von wissenschaftlichen Laien beruht." Deren Argumente belasten Tiergartendirektor Dag Encke seit Jahren. In den Interviews, die er unserer Zeitung gab, sagte er: "Die Kritik ist emotional. Das nervt."
Dass die Delfinhaltung nicht problemlos verläuft und es immer wieder zu Todesfällen gekommen ist - auch in Nürnberg - führt Encke nicht auf fehlenden Platz oder mangelnde Tierpflege zurück. Er begründet die Todesfälle zum einen mit dem fehlenden sozialen Lernen, wenn Delfine für Geburt und Aufzucht voneinander getrennt werden und das Elterndasein nicht erfahren konnten. Der andere Grund für den Tod der Jungtiere sei ihr schwaches Immunsystem.
Im Nürnberger Tiergarten werden seit über 40 Jahren Delfine gehalten. Bis vor zwei Jahren waren sie im Delfinarium untergebracht, seit Juli 2011 leben die vier Delfine und acht Seelöwen in der Meerwasser-Lagune. Sie wurde in drei Jahren Bauzeit errichtet, Kostenpunkt: 24 Millionen Euro. Außer in Nürnberg gibt es in Deutschland ein weiteres Delfinarium in Duisburg, das letzte noch verbleibende in Münster wurde wegen der hohen Auflagen 2012 geschlossen. Vier weitere haben schon länger dichtgemacht.
Die Anhörung in Berlin kommt für den Nürnberger Tiergarten nicht überraschend. "Wir haben das aber nicht an die große Glocke gehängt", sagt Sprecherin Nicola Mögel. Sie sagt außerdem: "Wir haben uns darauf vorbereitet." Der Tiergarten hat auf seiner Internetseite eine Liste mit Stellungnahmen von Wissenschaftlern veröffentlicht, die sich für den Erhalt der Delfinarien aussprechen. Die Stellungnahmen der Kritiker sind auf der Seite des Agrarausschusses zu finden. Mögel will der Anhörung nicht vorgreifen sondern empfiehlt, "sich die Stellungnahmen anzuschauen."
Über ein mögliches Ende der Delfinhaltung will sie nicht spekulieren. Den Artikel der Bild-Zeitung mit der Schlagzeile "Müssen vier Nürnberger Delfine getötet werden" kommentiert sie dagegen deutlich: "Das ist eine ganz überspitzte Formulierung, ähnlich dem sonstigen Duktus des Blattes. Das ist unter der Gürtellinie." Und entspräche nicht dem Vorgehen, falls es zum Schlimmsten käme: "Wir können sicher sagen, dass wir die Delfine nicht umbringen würden", sagt Mögel. "Das würde jeglichem Grundsatz des Tiergartens widersprechen."
Im Moment hofft der Tiergarten, dass sich die Entscheidung des Agrarausschusses "zu unseren Gunsten entwickelt. Darüber hinaus haben wir noch keine Szenarien entwickelt. Mögel sagt auch, "wir sind Zweckoptimisten. Das hat uns über 40 Jahre Delfinhaltung gerettet." Selbst wenn der Agrarausschuss den Antrag der Grünen befürwortet, wäre noch nicht das letzte Wort gesprochen. "Dass man die Delfinhaltung abschafft, ist sicher keine Frage von heute auf morgen", sagt Mögel. Generell bedauert sie natürlich die Entwicklung, weil außerhalb des Tiergartens nicht genug Einblick in die Thematik herrsche. "An so einer Anlage wie unserer Delfinlagune hängen viele Sachthemen dran. Das ist so hochspefizinisch und mit Expertenwissen verbunden und leider nicht leicht in der Öffentlichkeit zu vermitteln."