Druckartikel: Die fränkische Afrikanerin

Die fränkische Afrikanerin


Autor: Diana Fuchs

Nürnberg, Donnerstag, 10. Januar 2019

Fünf Schulen hat sie mit ihren Helfern gebaut. Michaela Schraudt zieht es immer wieder nach Uganda. Eine schwarz-weiße, kunterbunte Liebesgeschichte.
Michaela Schraudt inmitten von Schülern in ihrer Schule in Kaitisya. Insgesamt ermöglicht der Einsatz der Fränkin rund 1400  Kindern den Schulbesuch.Schraudt


Es hörte einfach nicht auf. "Im Nachhinein ist das schon verrückt, wie alles gelaufen ist." Begegnung folgte auf Begegnung, Idee auf Idee, Stein auf Stein. Mittlerweile hat Michaela Schraudt mit ihrem Helfer-Team in Uganda fünf komplette Schulen für rund 1400 Kinder gebaut. Zehn Jahre, nachdem ein Praxissemester sie während des Studiums erstmals nach Afrika geführt hatte, hat die heute 34-Jährige hier eine Lebensaufgabe gefunden. Sie steckt mittendrin in einer schwarz-weißen und zugleich kunterbunten Liebesgeschichte.

Von der Uni ins Slum: Im Oktober 2008 begann Michaela Schraudts Pflichtpraktikum. Die junge Frau aus Helmstadt bei Würzburg, die Gesundheitswissenschaften und Medizinisches Prozess-Management studierte, hatte entschieden: "Ich will nach Afrika, aber nicht in ein typisches Touristenland." In Uganda bekam sie die Möglichkeit, HIV-Prävention in Armenvierteln zu leisten. "Eines Tages hat mein Praktikumsbetreuer mir in einem Slum von Kampala eine Wellblechhütte gezeigt und gesagt, das sei eine Schule. Ich habe das nicht geglaubt. Wir sind hineingegangen und ich habe Justine kennen gelernt, die Lehrerin", erzählt Michaela Schraudt heute. "Sie war der Auslöser für alles."

Justine Zziwa unterrichtete fast 60 Kinder in dem kleinen Verhau, den sie an ihren privaten Rohbau angebaut hatte. "Ich fand das toll." Michaela Schraudt mailte ihren Eltern und Freunden, erzählte von der Begegnung. "Daraufhin setzte daheim eine richtige Sammelwut ein: In kurzer Zeit hatte ich 1200 Euro für die kleine Schule zur Verfügung." Ein junger Maler, Tadeo Papaye aus Uganda, der in Michaelas internationaler WG lebte, sagte: "Mit dem Geld kann man hier eine ganz neue Schule aus Stein bauen!"

Er sollte Recht behalten. "Der Eine wusste, wo man Zement herbekommt, der Nächste, wo es Steine gibt. Alles war einfacher als in Deutschland, alle haben mitgeholfen. Zum Schluss hat Tadeo die Wände gestrichen. Als mein Praktikum nach vier Monaten endete, war die Schule gerade fertig geworden. Alle freuten sich unbändig."

Zurück in Deutschland, merkte Michaela Schraudt zweierlei: "Ich vermisste die herzliche, gastfreundliche Art der Menschen in Uganda und überhaupt das Leben dort, das sich viel mehr als bei uns draußen abspielt, in der Gemeinschaft. Und immer, wenn ich vom Schulbau erzählte, wollten die Leute helfen." So kamen weitere Gelder zusammen - und Michaela Schraudt hatte für die nächsten Semesterferien wieder ein Ziel: Justines Schule zu erweitern. "Das war nötig, denn Justine wurde richtig überrannt." Die günstigen Schulgebühren, die dennoch die Unabhängigkeit der Schule sichern, taten ihr Übriges.

"Mir war klar, dass Hilfe zur Selbsthilfe das Beste ist, was wir tun können", sagt die Fränkin, die heute in Nürnberg wohnt und in Erlangen arbeitet. "Wer Kindern die Chance auf Bildung gibt, hilft ihnen, die Armut zu bekämpfen, ein eigenständiges Leben zu führen. Damit fördert man zugleich nachhaltige Entwicklung im Land." Zusammenarbeit mit Menschen vor Ort sei wichtig: "Einfach Geld schicken - das kam für mich nicht infrage."

Nach dem "Projekt Justine" stand schon das nächste an: "Einer unserer WG-Freunde kam aus Namirembe in Ostuganda. Dort, auf dem Land, gab es bisher noch keine Schule. Das wollten wir ändern."

Mitarbeiter tragen alle Kosten selbst

Michaela wollte vor Ort Arbeitsplätze schaffen und garantieren, dass jeder gespendete Cent wirklich in die Schule fließt. Deshalb schloss sie sich dem Verein Neia e.V. an, einer gemeinnützigen Dachorganisation, durch deren Mitgliedsbeiträge die (mit 0,3 Prozent sehr geringen) Verwaltungskosten gedeckt werden. "Wir, die Mitarbeiter, engagieren uns ehrenamtlich. Reise- und sonstige Kosten tragen wir selbst."

Im Lauf der Zeit wurde Uganda für die Studentin immer mehr zur zweiten Heimat. Nicht ganz unschuldig daran ist Tadeo Papaye, ihr heutiger Ehemann. Nachdem sie in Deutschland ihren Master gemacht hatte, verbrachte Michaela fast ein Jahr lang bei dem ruhigen, fröhlichen Afrikaner auf dem Land. Als "Mzungu", Weiße, lebte sie mitten unter den Afrikanern, schlief in einer Lehmhütte ohne Strom und fließendes Wasser. "Man spürt das Leben viel mehr als bei uns."

Insgesamt fünf Schulen (Vor-, Grund- und Sekundarschulen) haben Michaela Schraudt und ihr Team mittlerweile gebaut und rund 400 000 Euro dafür investiert: 2008/2009 in Kampala, 2011 in Namirembe, 2012 in Kaitisya, 2014 in Kalagi, 2017 in Kakoro. Dafür haben sie Land gekauft - "Das ist einfacher als bei uns" - und der gemeinnützigen Organisation "Obumu Tuyambe" (Vereinte Hilfe) übereignet, die unter anderem zu diesem Zweck gegründet worden war. "Wichtig ist mir, dass sich alle selbst finanzieren und unabhängig sind." Nur in Ausnahmesituationen wie der großen Hungersnot 2017 versagt das System. "Mit Müh' und Not haben wir es geschafft, genügend Nahrungsmittel zu beschaffen. Das Schulessen war oft das Einzige, das die Schüler am Tag bekamen. Es gab sonst nirgendwo etwas."

Ob Michaela Schraudt angesichts solcher Erfahrungen nicht auch Angst beschleicht, Angst vor der eigenen Courage? "All das läuft natürlich permanent im Hinterkopf ab. Aber wir kriegen so viel Dankbarkeit, dass es einfach weitergehen muss. Wir haben einen Aufschwung für mehrere Gemeinden in Gang gesetzt. Das ist toll."

Viele Ideen wollen noch umgesetzt werden, viele Steine bewegt. "In Kaitisya zum Beispiel wollen wir selbst Nahrungsmittel anbauen und dadurch die Betriebskosten weiter senken. Für die Sekundarschule in Kakoro schwebt uns ein Computerprojekt vor. Und dann sind da noch nötige Erweiterungen von Schulgebäuden." Es hört einfach nicht auf. INFOS:www.neia-ev.de/schulbau-in-uganda, Spendenkonto: NEIA e.V., VR Bank Dormagen, IBAN: DE 6130 5605 484 610 910 012, BIC: GENODED1NLD, Verwendungszweck: Schulbau in Uganda. Wer möchte, kann Michaela Schraudt auch mailen: michaela.schraudt@neia-ev.de

INFO : Die Republik Uganda ist ein Binnenstaat in Ostafrika mit 35 Millionen Einwohnern auf einer Fläche von 241.000 km². Hauptstadt und größte Stadt ist Kampala. Mit einem nominellen Bruttosozialprodukt von jährlich 638 US-Dollar pro Kopf ist das Land eines der ärmsten der Welt.

KOMMENTAR

von Diana Fuchs

Mehr Mut, Mensch!

Kalt und nass ist es draußen. Es wird gar nicht richtig hell. Deprimierend. Die freien Tage an Weihnachten? Gefühlt Monate her. Alter Trott, da bist du wieder. Und ich alter Trottel bin auch wieder da. Warum mache ich nicht mehr aus meinem Leben?

Rangerin in einem nordamerikanischen Naturpark - das wollte ich als junger Mensch werden. Oder zumindest Försterin. Beides hat nicht geklappt. Jetzt bin ich mittelalt, Redakteurin, eine anständige Familienfrau, die einkauft, kocht, Betten macht und sich aufregt, wenn eine leere Klorolle am Abroller hängt.

Ich funktioniere. Und ich weiß: Ich habe verdammt viel Glück. Eine liebe Familie, gute Kollegen, einen abwechslungsreichen Job, ein sicheres Heimatland (theoretisch könnte ich ja auch in Syrien oder Afghanistan geboren worden sein). Trotzdem: Soll das alles gewesen sein?

Wann fängt das selbstbestimmte Leben an? Wenn die Katze tot, die Kinder aus dem Haus sind? Wenn ich in Rente gehe? Wenn ich Oma werde? Mir schwant: nein. Jedes neue Lebensjahr generiert neue Scheu vor Veränderung. Lieber bekannter Alltag als unbekanntes Risiko.

Und dann begegne ich plötzlich dieser jungen Frau. Michaela Schraudt ist eine zierliche Person, natürlich, ungeschminkt, ruhig und besonnen. Sie hat schon als junge Frau die unglaubliche Summe von 400 000 Euro zusammengebracht, um für Kinder in Uganda Schulen mit sozialer Betreuung und Essensausgabe zu bauen. Michaela Schraudt bekämpft die Armut mit Arbeits- und Bildungsangeboten, mit Hilfe zur Selbsthilfe.

Schraudt ist ein ganz normaler Mensch. Sehr zielgerichtet. Sie wollte nach Afrika. Und als sich ihr die Chance bot, hat sie sie ergriffen. Sie hat gesehen, wo sie gebraucht wird. Dann hat sie angepackt. "Ich hab' einfach gemacht." Das Ergebnis ist bewundernswert.

Ich schaue gerade wieder aus dem Fenster. Es ist noch immer düster draußen. Aber in mir drin wird es schon heller. "Einfach mal machen", das klingt machbar. Chancen gibt es überall. Nur Mut, Mensch!